Wirtschaftswarntag: Der Staatsapparat simuliert Diskurs

Deutschlandweit rufen Wirtschaftsverbände am Mittwoch zu Demonstrationen auf. Der DGB schickt Mitarbeiter zur Gegendemonstration. Das Ergebnis ist eine brave Diskurssimulation.

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Demonstrationen, so sagt man, seien die Lieblingsbeschäftigung der Berliner. Doch lernt man hier schnell zwischen zwei Sorten von Protesten zu unterscheiden. Auf der einen Demonstration dominieren Sprechchöre und Gesang das Klangbild. „Gaaanz Börlin hassst die Ahh Effff Dehhh“ ist eine beliebte Parole der „gegen Rechts“-Demos am Brandenburger Tor. „Yallah Yallah Intifada“ schallt oft durch die Straßen Neuköllns. Es sind die Demonstrationen der angeblich gutmeinenden Amateure, die mit selbstgebastelten Schildern durch die Stadt ziehen. Aus innerem Bedürfnis treibt es sie auf die Straße.

Der „Wirtschaftswarntag“ an diesem Mittwoch gehörte zur anderen Sorte. Schon das Klangbild gibt einen Hinweis darauf. Sprechpausen der – offensichtlich ungeübten – Redner wurden nicht mit Sprechchören gefüllt, sondern mit dem Klappern von Ratschen. Man kennt die Teile aus billigem Plastik, die man schwenkt und schwenkt und sich dabei nicht nur halb lächerlich macht.

„Zufrieden“ sei man, sagte der Pressesprecher des „Aktionsbündnis Wirtschaftswarntag“, dass so viele Menschen gekommen seien, gegenüber Tichys Einblick. Einige Hundert Menschen waren am Brandenburger Tor versammelt. 140 Verbände und 180 Unternehmen hatten aufgerufen, am Wirtschaftswarntag teilzunehmen. Zumindest die Mitarbeiter der Verbandsbüros im Regierungsviertel waren vor Ort. Dafür gab es wohl auch die Ratschen – ein Sprechchor bringt nur etwas, wenn die Teilnehmer vom Inhalt überzeugt sind. Auch Schilder im Corporate Design der Demonstration haben die Veranstalter vorbereitet. Sonst hätte die Demonstration ganz ohne auskommen müssen.

Ein erheblicher Teil der Teilnehmer bestand aus Journalisten. Welt, Tichys Einblick, WDR, rbb, Junge Freiheit, und die Vertreter verschiedenster Auslandsmedien gingen durch die Menge auf der Suche nach einem Interviewpartner, den nicht schon ein anderer Kollege angesprochen hatte. Ein geschäftstüchtiger Mann versuchte seine Obdachlosenzeitung an die Leute zu bringen. Mitarbeiter aus FDP-Abgeordnetenbüros verteilten Flugblätter. Aus dem Bundestag kamen Politiker der CDU und FDP vorbei. Eine Sitzungspause im Bundestag überschnitt sich mit der Demonstration. Zufälligerweise.

Begeistert wurden sie von den Rednern – Vertreter dieses oder jenen Wirtschaftsverbandes – empfangen. Wolfgang Kubicki (FDP), Christian Lindner (FDP), Jens Spahn (CDU), Marko Buschmann (FDP), Bettina Stark-Watzinger (FDP) und allerlei andere schwarz-gelbe Granden nahmen den kurzen Spazierweg aus dem Sitzungssaal des Reichstages zum Brandenburger Tor auf sich.

„Das hier ist Notwehr der Deutschen Wirtschaft, denn sie findet kein Gehör beim deutschen Kanzler“, so Julia Klöckner (CDU) zu Tichys Einblick.

Die AfD war nicht (offiziell) vertreten. Die Demonstration sei „nicht unpolitisch aber unparteiisch“ hatte der Eröffnungsredner gesagt. Den versammelten Verbänden und Unternehmen sei aber wichtig, zu Beginn ein „Bekenntnis für Vielfalt“ und irgendwas abzulegen. Irgendwas, weil der Redakteur sich nicht die Mühe machte, den Rest der Worthülse mitzuschreiben. Und später: Für solche, die den Euro abschaffen oder gar aus Europa austreten wollen, sei kein Platz auf dieser Demonstration.
Aber Robert Habeck, der der deutschen Wirtschaft so nachhaltig geschadet hat, wie kaum ein zweiter, war natürlich auch eingeladen. Er konnte aber nicht.

Unternehmer und Selbstständige sind nicht dafür bekannt, gerne zu demonstrieren. Dass ein Unternehmer, der am Mittwoch um 13:00 Uhr Zeit hat, um zu demonstrieren womöglich bald kein Unternehmer mehr ist, kommt den Verbänden aber nicht in den Sinn. Für sie ist das – und das sagt leider auch sehr viel aus – eine praktische Uhrzeit: Nach der Mittagspause, vor Arbeitsschluss. Politiker, die vorbeischauen wollen, brauchen dafür auch keinen Wahlkampftermin aufzugeben.

Selbstverständlich gab es eine Gegendemonstration gegen den Unternehmer-Protest, die also eigentlich eine Funktionärs-Demo war. Ein Dutzend Mitarbeiter des Deutschen Gewerkschaftsbunds hatten sich mit Fahnen und Flugblättern auf der anderen Straßenseite positioniert. Ihr Argument: „Deutschland hat kein Standortproblem, sondern ein Vorstandsproblem“.

Dass sich das Flugblatt wie ein SPD-Parteiprogramm liest, ist sicherlich auch nur einer dieser Berliner Zufälle – oder wie der zufällig vorbeikommende TV-stichwortgebende Demonstrant.

Mitglied einer DGB-Gewerkschaft sind sie explizit nicht, erklärte eine Gegendemonstrations-Teilnehmerin. Ihre Ratschen haben sie wohl vergessen – spätestens zum Arbeiterkampftag werden sie aber hervorgeholt werden.

Von Verbänden bezahlte Mitarbeiter demonstrieren gegen die Mitarbeiter von Verbänden, die demonstrieren, damit Politiker sich präsentieren können. Der Staatsapparat und sein Vorfeld simulieren Diskurs.

In der Menschenmenge versprengt waren sogar vereinzelt einige Unternehmer. Ein Handwerker, noch in Arbeitskluft. Ein Immobilienverwalter aus Berlin, der seine Belegschaft mitgebracht hat. Dessen Versuch, einen Sprechchor „Habeck muss weg“ anzustimmen, etwas kläglich scheiterte. Die bühnennahen Verbandsmitarbeiter waren mit dem Schwenken ihrer Ratschen beschäftigt.

WIE LEIDENSCHAFTLICH DEMONSTRATIONEN IN BERLIN AUCH SEIN KÖNNEN, DOKUMENTIERT TE HIER:

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Kommentare ( 9 )

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FrankR
17 Tage her

„Dass ein Unternehmer, der am Mittwoch um 13:00 Uhr Zeit hat, um zu demonstrieren womöglich bald kein Unternehmer mehr ist, kommt den Verbänden aber nicht in den Sinn.“ – das bringt es genau auf den Punkt.
Irgendwelche Demos interessieren die Machthaber nicht, erst wenn – frei nach M. Thatcher – das Geld der anderen Leute alle ist, kommt der Sozialismus an sein Ende, der Zeitpunkt rückt näher und das Gejaule und Gewimmer an den Futter-Trögen der Macht wird lauter und lauter …

Vallis Blog
17 Tage her

Lieblingsbeschäftigung der Berliner? Der wirkliche Berliner quält sich jeden Morgen durch den Schienenersatzverkehr, um zur Arbeit zu kommen. Sonst kann er seine Steuern, Abgaben, Beiträge nicht zahlen und er muss unter der Brücke schlafen – wenn die nicht gerade vergammelt ist und abgerissen wird.

Haba Orwell
18 Tage her

> „Das hier ist Notwehr der Deutschen Wirtschaft, denn sie findet kein Gehör beim deutschen Kanzler“, so Julia Klöckner (CDU)

Den Klimadings-Kurs direkt in den Suizid startete bekanntlich gewisse Angela Merkel (CDU) und jetzt kommt noch der „Green Deal“ der Frau Von Der (CDU) hinzu. Merz (CDU) schuldet Belege, dass er davon abweichen möchte.

Biskaborn
18 Tage her

Eine absolut peinliche Veranstaltung der Unternehmen und deren Verbände. Sie laden die Zerstörer der Wirtschaft ein, aber ausdrücklich jene nicht, die genau das kritisieren. Dann natürlich erst einmal die Sprüche für Vielfalt usw., noch peinlicher also! Diese deutsche Wirtschaft ist neben der Grünen und Roten das größte Übel des Landes!

Markus Gerle
18 Tage her
Antworten an  Biskaborn

Als Selbständiger, der von SPD und Grünen massiv bekämpft wird, verfolge ich durchaus mit Respekt die Aktivitäten des VGSD, von dem auch ich einen Aufruf erhielt, zur Demo zu kommen. Aber klar, ich bin beim Kunden in Köln, um Steuern zu erwirtschaften. Und ja, die Interessenvertreter der Wirtschaft unterstellen unseren Politikern immer noch ein gewisses rationales und pragmatisches Verhalten. Man hofft immer noch auf ein kooperatives Verhalten durch die Politik. Sie erkennen nicht, dass dies falsch ist. Insbesondere SPD und Grüne richten das Land zugrunde. Und es wird Zeit für massiven Widerstand. Ich habe schon mehrfach darauf hingewiesen, dass wir… Mehr

Evero
17 Tage her
Antworten an  Biskaborn

Habe ich diese „Demonstration“ dann doch richtig eingeschätzt.
Eine mehr oder weniger von der FDP initiierte künstliche Demo „der Wirtschaft“, die aber den Zeitgeist hochhält. Sogar der Bundesklimaaufseher hätte da reden dürfen. Da fragt man sich, gegen wen sich die Demo eigentlich richtet.

bfwied
17 Tage her
Antworten an  Biskaborn

Firmen spielen immer mit, wenn sie wenigstens noch Hoffnung hegen können, dass sie ein bisschen Gehör finden. Das war doch schon immer so. Der übliche Hinweis auf das Mitmachen im 3. Reich kann ich nicht unterlassen! Klar, sie müssen wirtschaftlich tätig sein, aber anbiedern, wie es so viele CEOs gemacht haben, Käser sogar diesem Klimamädelchen einen Aufsichtsratsposten angeboten hat, nein, das ist sehr peinlich. Und genau deswegen können die Rotgrünen plus Schwärzlichgrünen das machen, was sie tun: D. zerstören.

Juri St.
18 Tage her

Die Unternehmer sind doch zum großen Teil mitverantwortlich für die Misere. Wo bleibt der notwendige Aufschrei? Genau wie beim Corona-Lockdown. Kein Protest, keine Kritik. Wo sind die Interessenvertreter, wo die Verbände, wo die Kammern? Solange sich alle wegducken und die Wirtschaftsbosse der Politik in den Enddarm kriechen wird sich an der wirtschaftsfeindlichen Politik nichts ändern.

Landgraf Hermann
17 Tage her
Antworten an  Juri St.

So ist es. Keiner auf der Demo hat den sofortigen Rücktritt von Habeck, dem Schädiger der Wirtschaft, gefordert.