Mit der deutschen Wirtschaft geht es aufwärts – zumindest in der Zeitung

Die bisherigen Verhandlungen zwischen Union und SPD (informell auch mit den Grünen) weisen auf Kontinuität: mit der Politik der Ampel in Richtung Subventionswirtschaft und Deindustrialisierung. Doch bei einer Wirtschaftszeitung und einigen Unternehmern breitet sich bereits Optimismus aus. Die Propaganda läuft an.

IMAGO / Laci Perenyi

Nein, es ist kein Aprilscherz, es war ernst gemeint: Am 1. April überraschte das Handelsblatt seine Leser mit der Überschrift „Fünf Gründe für einen Aufschwung im Mittelstand“ und mit der Nachricht: „Obwohl die neue Regierung noch nicht mal steht, herrscht in der deutschen Unternehmerschaft bereits Aufbruchstimmung.“ Unternehmer spüren „einen Stimmungsumschwung nach Jahren der politischen Dunkelflaute, in denen eine Mischung aus höheren Energiepreisen, mehr Bürokratie und weniger Verständnis für Unternehmer Ängste vor einer Deindustrialisierung der drittgrößten Volkswirtschaft der Welt wachsen ließ“.

Hosianna, zwar steht der Koalitionsvertrag noch nicht, zwar weisen Ergebnisse und Fortgang der Verhandlungen zwischen Union und SPD (und irgendwie informell auch mit den Grünen) auf Kontinuität, und zwar mit der Politik der Ampel in Richtung Subventionswirtschaft, Deindustrialisierung, Zensur, NGO-Finanzierung und Turbomigration in die deutschen Sozialsysteme, doch im Handelsblatt und bei einigen Unternehmern breitet sich Optimismus wie eine Frühjahrsgrippe aus.

Anne-Marie Großmann, die im Stahlkonzern Georgsmarienhütte GmbH für die Unternehmensentwicklung zuständig ist, sagte gerade der Wirtschaftszeitung: „Wir Unternehmer haben das Gefühl: Die Politik hat verstanden.“ Sie sehe ein neues Bekenntnis zur Industrie in Deutschland und in der EU: „Das ist genau der Impuls, den wir brauchen.“ Noch im Januar hatte die Georgsmarienhütte GmbH für zehn Stunden am Tag die Produktion von Stahl ausgeschaltet. Geplant war, die tägliche Abschaltung bis in den Februar hinein zu verlängern, zumindest solange, wie die Dunkelflaute den Strom extrem verteuerte. Noch im Januar drohte Großmann damit, dass die einzige Konsequenz aus der teuren Energie sei, „dass wir hier irgendwie mit einem Schrecken rauskommen und dann versuchen, eine Perspektive im Ausland zu finden“.

Zwar wollte Großmann „jeden Tag daran arbeiten, dass wir länger durchhalten und versuchen natürlich so gut es geht, trotzdem zu überlegen, wie wir auch im Ausland perspektivisch investieren können.“ Mehr noch, wenn sich nichts ändert, „dann läuft es aus, und irgendwann produzieren wir den Stahl eben nicht mehr. Und dann können wir uns überlegen, ob wir die anderen vorhandenen Kapazitäten füllen mit Stahl, den wir im Ausland einkaufen oder eben gleich die gesamte Wertschöpfungskette ins Ausland verlegen.“ Doch seitdem Merz und Klingbeil verhandeln, hat sich plötzlich alles, alles geändert. Allein, dass sich der Friedrich und der Lars jetzt duzen, muss die Strompreise drastisch reduziert haben.

Dass Friedrich Merz eine Unternehmenssteuerreform will, und Lars Klingbeil sie schon fast Hals über Kopf für das Jahr 2029 in Kraft treten sieht, gibt den Unternehmern das Gefühl, dass sie „verstanden“ worden sind. Denn kommt die Unternehmenssteuerreform auch spät, so dürfte Steuergeld in Form von Subventionen viel, viel früher anrollen. Mindestens 400 Milliarden Euro, zwar auf Pump für die sogenannte Verteidigung nach erweitertem Verteidigungsbegriff, doch da fällt für die Stahlproduzenten mit Sicherheit etwas ab. Und da Merz und Klingbeil den Robert Habeck in sich nicht überwinden können, dürfte noch das eine oder andere Milliardchen für grünen Stahl fließen. Die Aussichten stehen nicht so schlecht, dass man zu einem Staatsbetrieb in Privatbesitz wird, die Kosten trägt der Staat, die Gewinne fließen zu den Eigentümern. Feine Lösung, das. Was sagte Großmann über die Vorhaben der neuen Regierung, die erst Regierung werden will: „Das ist genau der Impuls, den wir brauchen.“

Optimistisch ist auch Andreas Krengel, der Familienunternehmer und Vorstand des Hygienepapierherstellers Wepa im sauerländischen Arnsberg. Auch er verspürt die Aufbruchstimmung gar mächtig. Klar, in Arnsberg wohnt auch Friedrich Merz. Und da Merz und Klingbeil die Energiekosten reduzieren wollen, zwar nicht, indem sie die Produktionskosten senken, sondern indem sie einen Teil der Energiekosten von allen Steuerzahlern als Industriestrompreis bezahlen lassen, fühlt Andreas Krengel einen großen Optimismus.

1,5 Billionen Euro Schuldenaufnahme werden schon fürs Erste reichen. Signal angekommen, Habeck ging einfach viel zu mickrig ran, bei Subventionen darf man nicht kleckern, sondern muss man klotzen, bei Schulden übrigens auch. Auch Großmann lobt Klingbeil und Merz für das Vorhaben, die Netzentgelte auf Pump zu reduzieren: „Jeder Cent hilft. Vielen Dank, liebe Bundesregierung in spe, ihr kriegt das hin.“ Hin kriegen sie das Land auf alle Fälle. Dass der Geschäftsführer der Siempelkamp Gießerei, Dirk Howe, der in eine eigene Energieinfrastruktur mit der größten Industriebatterie NRWs investieren will, auch auf den Industriestrompreis setzt, dürfte kaum erstaunen.

Rüstung und Infrastruktur, schuldenfinanziert, werden die Nachfrage nach Stahl und nach Gussprodukten befeuern. Das wetterleuchtende Rüstungsgeschäft elektrisiert nicht nur die Gießereien und die Stahlproduzenten, sondern beispielsweise auch Medizintechnikhersteller, die schon einen Markt für Ausrüstungen für Lazarette sehen. Das ist eben das Gute am Krieg, das nicht alle getötet werden, manche werden eben auch verletzt. Dass die Unternehmer in Sachen Optimismus allerdings wirkliche Änderungen beim Bürgergeld und nicht nur eine Namensänderung sehen wollen und glauben, dass die Frösche den Sumpf trockenlegen, dass in Brüssel oder in Berlin die Bürokratie abgebaut wird, macht sie zu Illusionisten.

Und eigentlich sind jetzt alle nur aus dem Grund optimistisch, weil Donald Trump und JD Vance so böse sind – und man in einer selbstgezimmerten Wagenburg am besten verdient, weil dann die Herren der Wagenburg den Markt in der Wagenburg bestimmen. Denn Not kennt kein Gebot, wie es schon einmal hieß, und am Subventionswesen wird man schließlich genesen – solange zumindest Geld und Kreditlinie reichen.

Am gleichen Tag übrigens, an dem das Handelsblatt die optimistischen Unternehmer präsentierte, appellierten über 100 Verbände der Wirtschaft an die Verhandler von Union und SPD:

„Während die Weltökonomie beständig wächst, verharrt Deutschland in der Rezession. Unternehmen und Betriebe geraten im Standortwettbewerb immer mehr ins Hintertreffen. Unser Land verliert an wirtschaftlicher Stärke. Stärke, die Deutschland braucht, um seinen Wohlstand, seinen sozialen Zusammenhalt und seine Sicherheit zu gewährleisten. Die Fakten sind unbestreitbar, Deutschland steckt in einer schweren wirtschaftlichen Krise … Deutschland hat nicht nur ein vorübergehendes, konjunkturelles, sondern insbesondere strukturelle Probleme. Doch die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Koalitionsverhandlungen zeigen sich von diesen Entwicklungen scheinbar unbeeindruckt. Ihre bisherigen Zwischenergebnisse sind unzureichend und tragen der sich zuspitzenden Lage in den Unternehmen und Betrieben nicht Rechnung. Was bislang vorliegt, ignoriert in vielen Bereichen die wachsenden wirtschaftlichen Herausforderungen. Eines ist klar: Schulden allein lösen keine Probleme.“

Subventionen übrigens auch nicht, sie kurbeln nämlich den Wettbewerb nicht an, sondern trocknen ihn aus.


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