Je länger die Phase der niedrigen Zinsen, desto größer ist die Gefahr, dass der Ausstieg aus der Politik der niedrigen Zinsen einen erneuten Einbruch der Wirtschaft und eine weitere Finanzkrise zur Folge hat.
Die Finanz- und Eurokrise ist seit geraumer Zeit aus den Schlagzeilen geraten, und zwar aus drei Gründen:
1. Die meisten Menschen haben sich daran gewöhnt. Sie nehmen allenfalls wahr, dass es keine Zinsen mehr gibt und die Immobilienpreise unaufhörlich steigen.
2. Die Symptome wurden durch die Nullzinspolitik und die Anleihekäufe der Zentralbanken (besonders der EZB) zugedeckt, obwohl keine einzige Ursache der Finanz- und Eurokrise beseitigt wurde.
3. Andere Probleme, die den Menschen unmittelbar mehr auf den Nägeln brennen, war allem die Zuwanderung, haben die Finanz- und die Eurokrise in den Hintergrund treten lassen.
In den meisten Medien lesen wir sogar über die Finanz- und Eurokrise in der Vergangenheitsform, so als ob wir diese hinter uns hätten. Angesichts der Nullzinspolitik und der Anleihekäufe ist das so, als würde man einen Heroinabhängigen für geheilt erklären, weil er nach regelmäßigen Methadongaben nicht mehr zittert.
Nur wenige Journalisten erkennen, wie brisant die Situation ist. Zu ihnen gehören Rainer Hank und Georg Meck, die jetzt in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung in einem großen Artikel eindringlich warnen: Es sei ein Zeichen des weit verbreiteten Optimismus und der Problemverdrängung, wenn die Ende Februar veröffentlichte OECD-Studie keinerlei Beunruhigung auslöse. Diese Studie enthält brisante Fakten:
Schuldenstand 2008: 25 Billionen; 2018: 45 Billionen
Zwischen 2008, dem Jahr in dem die Finanzkrise ausbrach, und 2018 sind die Schulden der entwickelten Staaten der Welt von 25 auf 45 Billionen Dollar gestiegen – auf den höchsten Stand in der Weltgeschichte. Addiert man alle Schulden, so Hank und Meck, also nicht nur der OECD-Staaten, sondern auch die der anderen Staaten sowie die Verbindlichkeiten von Banken, Unternehmen und privaten Haushalten, dann kommt man auf 233 Billionen Dollar. Die globale Schuldenquote liegt damit 37 Prozentpunkte höher als vor Ausbruch der Finanzkrise. Besonders brisant sei die Lage in Italien, wo die Verschuldung bei 130% liege. „Dass das Land nicht längst schon die Staatspleite anmelden musste, liegt an den berühmt-berüchtigten Target-Verbindlichkeiten, die bewirken, dass die italienische Zentralbank mit 440 Milliarden Euro inzwischen der größte Schuldner im Zahlungssystem der EZB ist; Hauptgläubiger dieses Systems ist mit Forderungen von 906 Milliarden Euro die Deutsche Bundesbank.“
Es wird krachen – und dann?
Seit Beginn der Finanzkrise vor zehn Jahren habe ich in meinen „Finanzkolumnen“ erklärt, dass die Bekämpfung der Symptome der Schuldenkrise mit noch mehr Schulden zwingend zu einer noch größeren Finanzkrise führen wird. Dass es kräftig krachen wird, steht fest – nur nicht, wann es geschieht und was der Auslöser sein wird. Was wir aber jetzt schon wissen, sind die Folgerungen, die die Politik ziehen wird.
Eine Krise wie die Subprime- und Finanzkrise der Jahre ab 2007/2008 ist für die Mehrheit der Menschen – ebenso wie für die Mehrheit der Politiker – wegen ihrer Komplexität nicht zu verstehen. Es ist einfacher, „Schuldige“ (z.B. „gierige Banker“, „die Superreichen“) als Sündenböcke zu präsentieren als die Ursachen zu analysieren und daraus zutreffende Folgerungen zu ziehen.
Eines ist sonnenklar: Durch „normales“ Wirtschaftswachstum können die Staaten nicht mehr aus der Schuldenfalle gelangen, dafür sind die Verbindlichkeiten viel zu hoch. Es bleiben als Auswege nur die Szenarien, die in der Geschichte die Folgen exorbitanter Verschuldung waren: Inflation, Währungsreform oder Staatsbankrott. Die Ökonomen Kenneth S. Rogoff und Carmen M. Reinhart haben zusammengerechnet, dass es seit dem Jahre 1800 mindestens 250 Staatspleiten für die Auslandsschulden gab und mindestens 68 Inlandspleiten, bei denen die Einlagen der eigenen Bevölkerung in Landeswährung betroffen waren. Manche Länder sind häufiger zahlungsunfähig geworden, Spitzenreiter sind Spanien mit 13 Pleiten und Venezuela mit zehn. Andere Länder waren noch nie pleite, so etwa die USA, Kanada, Australien oder Norwegen.
Die Niedrigzinspolitik der Zentralbanken verstärkt das Schuldenproblem, weil die Staaten sich das Geld praktisch kostenlos leihen können. In Deutschland und anderen europäischen Ländern wurden schon Staatsanleihen mit einem negativen Zins ausgegeben. Unter solchen Bedingungen ist die Aufnahme neuer Schulden scheinbar kein Problem und die Parteien können weiterhin soziale Wohltaten in großem Stil verteilen, um ihre Wähler bei Laune zu halten. Das Programm der Großen Koalition ist ein trauriges Beispiel dafür. Angesichts der historisch niedrigen Zinsen könnte der Staat sparen oder die Steuern senken, aber er tut weder das eine noch das andere. Es gibt ja Wichtigeres, etwa die Finanzierung der ideologischen „Energiewende“, die ein Fass ohne Boden ist oder die Finanzierung der Einwanderung in die Sozialsysteme.
Doch die Nullzins-Politik hat dramatische Folgen. Die Preise für Immobilien, Anleihen, Aktien und andere Vermögenswerte steigen immer stärker, es bilden sich neue Blasen. Um überhaupt noch eine Rendite zu erzielen, investierten private und institutionelle Investoren in immer riskantere Anlagen.
Gefahr droht durch die Nullzinspolitik zudem für die Banken. Hank und Meck weisen darauf hin, dass sich der Bestand an faulen Krediten allein bei den Banken der EU auf 900 Mrd. Euro belaufe, vorzugsweise in Südeuropa: „Kein Wunder, dass sich die deutschen Finanzinstitute mit Händen und Füßen gegen eine Vergemeinschaftung der Einlagensicherung in Europa wehren, wofür sich EZB-Präsident Mario Draghi jüngst ausgesprochen hat.“
„Je länger die Phase der niedrigen Zinsen andauert“, warnte schon vor Jahren der Ökonom Thomas Mayer, „desto stärker werden die Preise für Vermögenswerte verzerrt und desto größer ist die Gefahr, dass der Ausstieg aus der Politik der niedrigen Zinsen einen erneuten Einbruch der Wirtschaft und eine weitere Finanzkrise zur Folge hat.“ Diese Krise, das kann man mit Sicherheit vorhersagen, wird von Politikern und Medien dann dem „Kapitalismus“ zugeschrieben, obwohl sie in Wahrheit gerade aus einer Verletzung kapitalistischer Prinzipien resultieren. Wenn die Diagnose falsch ist, ist auch die Therapie falsch. Und diese Therapie heißt: Noch mehr Schulden und noch mehr Staat – und noch weniger Markt.
14 Besprechungen und Interviews zum neuen Buch von Dr. Dr. Zitelmann „Kapitalismus ist nicht das Problem, sondern die Lösung“, finden Sie hier.
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Ich mache es kurz und prägnant in der Hoffnung, dass es jemand versteht:
Es wird keine grundlegende Verbesserung geben, bis zu dem Zeitpunkt wo die Zentralbank(en) verstaatlicht werden.
Ein Buchtipp dazu: Die Geschichte der Zentralbanken und die Versklavung der Menschheit von James Mitford Goodson (ehemaliger südafrikanischer Zentralbanker).
Die Finanzkrise war nicht eine Folge von zu wenig, sondern von zu viel Marktfreiheit in Folge der Deregulierung des Finanzsektors seit den 1980er Jahren. Somit ist auch die Schlussfolgerung falsch. Tatsächlich haette es nach der Krise in Hinblick auf die Banken wesentlich mehr Staat gebraucht, d.h. Abwicklung nicht ueberlebensfähiger Institute, Zerschlagung der grossen Häuser, damit es kein „too big to fail“ mehr gibt, und Regulierung der Risiken, die eingegangen werden koennen. Ansonsten Zustimmung, auch wenn die beschrieben Gefahren in keiner Weise neu oder unbekannt sind.
Das Thema der Ursache der Finanzkrise ist zu komplex, um es hier abzuhandeln. Ich kann hier nur auf das 10. Kapitel meines neuen Buches (siehe unten) verweisen, wo ich die Argumente ausführlich entwickle. Hier nur einige wenige: Die interventionistische Politik extrem niedriger Zinsen der amerikanischen Zentralbank kann man sicher nicht mit irgendeinem „Marktversagen” in Zusammenhang bringen. Im Gegenteil. Die Zentralbanken sehen es zunehmend als ihre Aufgabe, das normale Auf und Ab der Konjunktur und der Kapitalmärkte durch ihre Eingriffe zu glätten bzw. abzufedern, statt dem Markt seinen Lauf zu lassen und sich darauf zu beschränken, für die Geldwertstabilität zu sorgen.… Mehr
Die Alchemie des Geldes muss kein Bund mit dem Beelzebub sein, wenn man sich darüber im Klaren wäre, wem man das Recht auf die Schöpfung des Geldes aus dem Nichts zugesteht. Gegen eine Schöpfung des Geldes aus dem Nichts, ist aus rein finanztechnischen Gründen überhaupt nichts einzuwenden. Allerdings gibt es Anlaß zur Diskussion, wenn jene, die das Geld aus dem Nichts schöpfen, die Erhebung von Zinsen auf die sogenannte Ausleihe des aus nichts geschöpften Geldes zu erlauben. Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass z.B. Russland bis 1917 das wohlhabendste Land auf diesem Planeten war. Während ganz Europa verschuldet war,… Mehr
Her Zitelmann, sehr gut analysiert und beschrieben: wenn die Diagnose falsch ist, ist auch die Therapie falsch. Als Griechenland vor der Pleite stand, war Merkels erste öffentliche Reaktion in Anwesenheit von Finanzminister Steinbrück: „keinen Cent“. Ein paar Milliarden später… 2012 schrieb Thilo Sarrazin: „Sollte der Euro scheitern, dann würde nicht Europa scheitern, sondern lediglich ein waghalsiges Experiment, das mit dem Maastricht-Vertrag 1992 ins Werk gesetzt wurde.“ Ebenfalls in 2012 schrieb Malte Fischer: „Die Euro-Rettungspolitik der EZB hat zu gigantischen Risiken in der Bilanz der Bundesbank geführt. Diese haben das Zeug, Deutschland in den Staatsbankrott zu treiben.“ Mit der Sicherheit im… Mehr
Die „Entschuldung“ kommt, So oder So. Ihre Entschuldung wird über Hyperinflation erfolgen, ich habe eine andere Lösung.
Was man auch betonen sollte: Steigen hier die Schulden, wächst dort das Vermögen. Es gibt keinen Cent Schulden, dem auf der anderen Seite nicht auch ein Cent Vermögen gegenüber stünde.
Daher wäre es doch einmal spannend zu schauen, wie sich die 20 Billionen Euro Vermögen verteilen und wer davon am meisten profitierte.
Erstens wäre dann klar, wer das größte Interesse an der Beibehaltung des status quo besitzt und zweitens wüsste man, auf wen man die Kosten eines etwaigen Crashs umlegen müsste.
Die Verteilung der Vermögen ist weitgehend bekannt, etwa: Jens Berger: „Wem gehört Deutschland?“, Piper (2015) und zahlreiche andere Publikationen.
Und das System Cent Schuld gegen Cent Vermögen funktioniert so lange, wie der Schuldner zahlungsfähig ist oder solange es da was zu holen gibt im Insolvenzfalle. Wenn nicht – Beispiel ist die „Target-2“-Problematik. Das kann das ganze System in Grund und Boden richten, falls die Schuldner ausfallen.
Die Politikerkaste macht Schulden, als ob es keine Zukunft gibt.
Das Problem ist viel einfacher zu beschreiben. Der Geldmenge stehen Dienstleistungen, Produkte und Sachwerte, Immobilien gegenüber. Im Moment wird das Gleichgewicht dadurch gehalten, daß die Geldmenge nicht im Umlauf ist und Werte, Immobilien z.B., überbewertet sind. Geldgeber vertrauen darauf, daß Schuldner irgendwann zurückzahlen. Sobald einer dieser Dämme bricht, das Vertrauen schwindet, setzt ein Schneeballeffekt ein, dann Gnade uns Gott, plötzlich explodieren die Preise, weil dann jedem dieser Werte real eine ständig steigender Geldwert gegenübersteht, Hyperinflation. Und wie der Schuldenberg wächst, fällt das Vertrauen, und es steigt die Fallgeschwindigkeit. Eine gute Notenbank steuert die Geldmenge so, daß der Geldüberhang ungefähr der… Mehr
Vertrauen ist nicht alles. Vertrauen in wen? Wem (!) können Atheisten schon zuverlässig vertrauen? Niemanden!! Das wäre Wahnsinn hoch Zehn. Alle Schattierungen sind denkbar. Es hängt auch davon ab, wie (!) auf das Problem reagiert wird. Wirtschaft ist hochkomplex, auch weil viele Daten privat sind und der Öffentlichket vorenthalten sind. Logisch. Wäre Trump auf der Weltbühne nicht erschienen, wäre ich weitaus pessimistischer. Die Zukunft ist für den Menschen nicht voraussehbar. Die Vorsicht und die Klugheit geben jedoch die Planungen vor, dem schlimmsten Fall nie unvorbereitet gegenüber zu stehen. Daran hat sich nichts geändert. Mir macht diese schlechte Politik Merkels (Energiewendewahn,… Mehr
Schon richtig, aber Sie haben auf den Pessimismus verwiesen, das ist negatives Vertrauen. Ich stimme auch zu, daß es schwer fällt in eine gute wirtschaftliche Zukunft zu Vertrauen, wenn man die politische Entwicklung in der BRD und EU betrachtet. Trotzdem gibt es noch genügend Vertrauen in die Wirtschaft, es wird gespart und investiert. Man nimmt an, daß in Zukunft Schulden beglichen werden, schließlich sind die Konjunkturdaten sehr positiv und man will sich auch nicht die Urlaubsstimmung verderben. Es gibt auch genügend geparktes Geld (verbucht-geparkt bei der EZB z.B.) das nicht nach Wertumwandlung sucht. Bis zu einem gewissen Grade ist das… Mehr
Verehrter @Franz, das Todesurteil für diese Brüssel-EU ist bereits unterschrieben.
Die Politiker haben lange weggeschaut, das ist sehr treffend beschrieben.
Wie sieht es mit der Möglichkeit aus, dass die EZB die Rückzahlung der Kredite so weit in die Ferne datiert, dass sie durch die Inflation fast aufgelöst werden? Bei Griechenland passiert das ja gerade.
Das Problem ist, dass so recht keine Inflation eintreten will. Ein weiteres Problem für Herrn Draghi.
Seltsam das selbst Kritiker des Finanzsystems das offensichtliche nie erwähnen: 1. Nationen können sich ihr Geld selber drucken. Die Idee eines Finanzmarktes, an dem sich Nationen Geld leihen (das dann die pivaten Finanzmarktakteure anstatt dem Staat aus dem Nichts erzeugen) dient eigentlich dazu, monetäre Übel zu vermeiden. Der Finanzmarkt liefert aber nicht, wir haben alle denkbaren monetären Übel im Überfluss, daher ist der Schuldendienst der Staaten nichts anderes als Sozialhilfe für Superreiche. 2. Ein wesentlicher Teil aller Schulden sind gegenseitige Schulden. Die Schuldenkrise Europas könnte mit einem Federstrich beendet werden, wenn diese 60-70% der Schulden einfach gegeneinander aufgerechnet würden. 3.… Mehr