Olaf Scholz bei Meyer Werft in Papenburg erwartet

Diesen Auftritt will sich Kanzler Scholz nicht entgehen lassen: Am Donnerstag um 13:00 Uhr wird er zu der Betriebsversammlung der Meyer Werft in Papenburg erwartet, bei der offenbar die Rettung der Werft und der Arbeitsplätze bekannt gegeben werden soll.

picture alliance/dpa | Lars Penning

Schon seit einigen Tagen hieß es: Bund und Land sollen sich auf eine Rettung der angeschlagenen Werft geeinigt haben. Beide wollen zusammen 80 bis 90 Prozent der Anteile übernehmen, während die bisherigen Eigentümer, die Familie Meyer, nur noch 10 Prozent behalten würde. Sie lassen sich das nach bisherigen Informationen insgesamt 400 Millionen Euro kosten – Peanuts gegenüber den Milliarden Beträgen, die im Augenblick der Windradindustrie in die Taschen geblasen werden. Damit jedenfalls könnten Forderungen der Banken erfüllt werden, die dann die notwendigen Kredite zur Verfügung stellen können, um den weiteren Betrieb der Werft zu finanzieren. Bund und Land würden auch Bürgschaften und Haftungsfreistellungen für die Kredite bis zu 2,6 Milliarden Euro übernehmen.

Die ersten Schritte sind getan: Die Vorbereitungen zum Rückzug der Meyer Holding aus Luxemburg sollen angelaufen sein. Aus Rostock ist die Meyer Neptun Werft nach Papenburg umgezogen, die das Dach der neuen Meyer Werft bilden soll. Die IG Metall jedenfalls ist zufrieden; sie sieht ein Zeichen, dass die Rahmenvereinbarung zwischen Werft und Gewerkschaft umgesetzt wird. Die sieht mehr Mitbestimmung über einen neuen Konzernbetriebsrat und einen neuen Aufsichtsrat vor.

Die bisherige Eigentümerfamilie Meyer verliert dramatisch an Einfluss. Firmenchef Bernard Meyer hat nach Berichten auf einer Betriebsversammlung in der vergangenen Woche von Enteignung gesprochen. Bei Bund und Land müssen die Haushaltsausschüsse zustimmen. In der kommenden Woche soll in Hannover am Mittwoch Ministerpräsident Weil eine Regierungserklärung abhalten.

Verwundert und überrascht ist Omid Najafi, AfD-Landtagsabgeordneter in Hannover: »In den vertraulichen Unterrichtungen zur Meyer Werft hier im Niedersächsischen Landtag war bisher immer nur von Bürgschaften die Rede. Die 2,77 Mrd. Euro sollten zu 80% verbürgt werden jeweils hälftig von Land und Bund.« Von einem direkten Einstieg war nicht die Rede: »Das ist uns Abgeordneten noch nicht so kolportiert worden, obwohl wir stets auf dem Laufenden gehalten werden. Ich war also auch sehr überrascht.«

Für ihn hat die Schieflage bei der Meyer Werft zwei Gründe:
1. die Corona-Maßnahmen, wodurch die Werft im Prinzip stillstand und es seitdem nur noch 2 statt 3 Schiffsbestellungen pro Jahr gibt, und
2. die hohen Energiekosten durch das Abschalten funktionierender Kraftwerke, die die Meyer Werft nicht mehr wettbewerbsfähig produzieren lassen.

Fazit von Najafi: »In beiden Fällen politisches Totalversagen. Und nun soll die Werft anscheinend enteignet werden und das Ganze nennt Rot-Grün dann „Rettung“. Das ist eine Frechheit!«

Eine paradoxe Lage, in der sich die fast 230 Jahre alte Meyer Werft befindet: Die Auftragsbücher sind voll. Doch die Werft benötigt dringend knapp 2,8 Milliarden Euro, um bis 2028 bestellte Schiffe fertig zu bauen. Die müssen üblicherweise fast vollständig vorfinanziert werden, 80 Prozent der Summe wird bei Ablieferung bezahlt. Auch die Finanzierung wäre unter normalen Umständen kein größeres Problem. Ebensowenig wie ein Kredit über 550 Millionen Euro, der im November zurückgezahlt werden muss.

Zusätzlich kam in der vergangenen Woche, wie wir auch im TE-Wecker bereits berichteten, ein neuer Auftrag hinzu: Die Meyer Werft soll für den Disney-Konzern vier neue Kreuzfahrtschiffe bauen. Nach Angaben des Unternehmens handelt es sich um den bisher größten Auftrag der eigenen Geschichte. Das Volumen der Bestellung in Euro nannte die Werft nicht. Die vier Schiffe für den Disney-Konzern sollen zwischen 2027 und 2031 abgeliefert werden.

Dennoch steckt das traditionsreiche Unternehmen in seiner bisher schwersten Krise. Bis vor einigen Jahren lief der Bau von Kreuzfahrtschiffen hervorragend, teilweise mussten sogar Aufträge aus Kapazitätsgründen abgelehnt werden, wie zum Beispiel der Bau eines Kreuzfahrtschiffes für den TUI Reisekonzern. Doch dann kam die Corona-Pandemie mit den politisch zu verantwortenden Lockdowns und Stilllegungen der Wirtschaft. Die Schiffe blieben im Hafen, neue wurden bei Meyer nicht bestellt.

Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) nutzt den politisch geschaffenen Druck, unter dem das Unternehmen steht, aus und hatte bereits vor Wochen gefordert, dass sich die Werft angeblich »neu aufstellen« müsse. Ihm und dem rot-grünen Spektrum in Niedersachsen ist vor allem ein Dorn im Auge, dass Seniorchef Bernard Meyer 2015 in Luxemburg eine Holding gegründet hat, die über die Geschicke der Werft bestimmt und sich so Aufsichtsrat und Mitbestimmung vom Hals halten konnte. Meyer hat so selbst flexibel und schnell nach Marktlage entscheiden können. Das war das Erfolgsrezept.

Jetzt freuen sich SPD, Grüne und Gewerkschaftsfunktionäre darauf, gutdotierte Aufsichtsratsposten unter sich aufteilen zu können. Das Grundproblem, das auch der Meyer Werft eine kostengünstige Produktion fast unmöglich macht, wollen auch die nicht lösen: exorbitant hohe Kosten für Energie und Stahl sowie hohe Arbeitskosten, die der Staat permanent erhöht.

So konnte es dem derzeitigen Wirtschaftsminister Lies früher als Umweltminister nicht schnell genug gehen, die Energiequelle der Meyer Werft, das Kernkraftwerk Grohnde abzuschalten. Als früherer Unweltminister peitschte er das Aus durch, lehnte Laufzeitverlängerungen ab. Zusätzlich hat der SPD-Mann mit der Landesregierung in Hannover mit Begeisterung die wichtigste Energiequelle der Meyer Werft abgewürgt, das KKW Emsland. Das versorgte die Werft zuverlässig mit preiswertem Strom.

Was passiert dann nach Ende 2027 oder 2028? Der Staat will seine Anteile wieder verkaufen, die Familie Meyer könnte sie zurückerhalten oder – wahrscheinlicher – sie werden auf dem freien Markt veräußert. Klar ist: Wenn ein solches Unternehmen erst einmal in das Räderwerk der Finanzindustrie gerät, die es oft nach allen Regeln der Kunst zerfleddern, bleibt von einem einheitlichen Unternehmen nicht mehr allzu viel übrig. Dann stehen noch die chinesischen Werften vor der Tür, die Reste aufzukaufen und vor allem die Technologien zu übernehmen. Sie selbst wollen das Geschäft des Baus von Kreuzfahrtschiffen ausbauen. Der spielte bisher noch keine große Rolle, ist aber von der chinesischen Führung zu einer strategisch wichtigen Industrie erklärt worden. Und: China verfügt über genügend und vor allem preiswerte Energie. Und Stahl, der nicht durch einen bizarren CO2-Zertifikateschwindel oder gar Wasserstoffphantasien extrem verteuert wurde.

Werft-Chef Meyer warnte schon vor langem vor den Werften aus China und Südkorea, die Schiffe zu günstigen Konditionen anbieten und mittlerweile auch den technisch komplizierten Sonderbau von Kreuzfahrtschiffen beherrschen. Noch sind die Auftraggeber zum Beispiel bei Disney von der Qualität, die Meyer Werft abliefert, überzeugt und bestellen. Wie hoch die Margen sind, ist zwar nach außen hin unbekannt. Doch zu vermuten ist, dass sie kaum aus Goodwill-Gründen mehr bezahlen, als sie bei der Konkurrenz bezahlen würden. Totengräber fleddern dann die Leiche. Schlimmer: Diejenigen, die die Wirtschaft ruiniert haben, wollen jetzt noch am Untergang verdienen.

Meyer Werft ade!

Anzeige

Unterstützung
oder

Kommentare ( 39 )

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

39 Comments
neuste
älteste beste Bewertung
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen
Kalle Wirsch
21 Tage her

Scholz kann sich noch so viele Helme über das Haupt stülpen, um webewirksam als Weltenretter vor die Kamera zu treten. Am selben Tage dominiert die Nachricht, das abschiebepflichtige Ausländer nur ein wenig mit den Füßen strampeln müssen, um endgültig im Land bleiben zu können.
Wann bedankt sich Alice Weidel endlich bei ihm für solche Steilvorlagen kurz vor den Landtagswahlen?

elly
21 Tage her

Firmenchef Bernard Meyer hat nach Berichten auf einer Betriebsversammlung in der vergangenen Woche von Enteignung gesprochen.“
dieser gute Mann ist nicht unschuldig am Zustand der Werft. Wer mit deutschen Steuergeldern gepampert wird, kann in der Firma nicht mehr alleine durchregieren , wie bisher geschehen.
Natürlich haben sich auch die Rahmenbedingungen in Deutschland verschlechtert. Hauptursache an der Schieflage aber ist der despotische Führungsstil.

Gerd Garstig
21 Tage her

Ein weltberühmtes, innovatives Unternehmen mit vollen Auftragsbüchern muß in diesem neuen Deutschland mit Staatsgeld gerettet werden, weil die katastrophale Politik der Ampel die Bedingungen so verschlechtert hat. Was für eine Blamage für den Kanzler und seine Laientruppe. Würde mich nicht wundern wenn er dafür ausgebuht wird.

Nibelung
21 Tage her

Er verkündet doch gern die Wohltaten, hat er ehedem nichts vorzuweisen und der dumme Steuerzahler übernimmt die Kosten, was ja immer nach dem gleichen Prinzip verläuft, wenn sich sozialistische Versager daran machen, das Land auf ihre Art verändern, wo es nur noch abwärts geht.

achtertdiek
21 Tage her

Einige kenntnisarme Kommentatoren sehen die Ems wohl nur als „Fahrrinne“ für die Meyer-Musikdampfer, um die fertiggebauten Pötte vom binnenländischen Papenburg an die Nordsee zu schleppen. Vor mehr als hundert Jahren war die Ems noch ca. 2,5Meter tief und ein lebendiger Fluss, jetzt wird sie ständig ausgebaggert, bis auf ca. 7,50 Meter. Das gab dem Fluss den Rest: erhöhte Strömunggeschwindigkeit, Schlickeintrag, Sauerstofffzehrung, nur noch ein Meyer-Kanal. Beim Aufstau der Ems mit dem dafür gebauten Ems-Stauwerk für die Schiffs-Überführungen saufen im Frühjahrs die geschützten Vögel und Gelege im EU-Vogelschutzgebiet der Unterems ab. Werften mit solchen Aufträgen gehören ans seeschifftiefe Wasser. Meyer produziert… Mehr

Mausi
21 Tage her

wie lief das noch mit – war es holzmann? die pleite ist sicher. schon weil jetzt ja wohl die entscheidungswege zu lang = deutsch werden.

Privat
21 Tage her

Ein interessanter Bericht bei T-Online –
Scholz und seine links/grüne Ampel haben beschlossen – Ab 1.1.2025 ist der Betrieb von alten und älteren Holzöfen in Deutschland – verboten –
Wer trotzdem seinen Ofen mit Holz heizt, wird mit bis zu 50.000 Euro abkassiert.
Die dummen Deutschen sollen frieren oder für das völlig überteuerte Gas und Öl bezahlen.
Der grüne Lehrer Kretschmann hat auch einen Tipp – Mehrere Kleidungsstücke übereinander tragen !!
Fazit – AFD wählen. Bei den Blauen gibt es keinen solchen Blödsinn

Boudicca
21 Tage her

Die Idee vom staatsmonopolistischer Kapitalismus gefällt Scholz seit seiner Jugend sehr gut und damit passt der finanzielle Engpass der Meyer Werft den man leicht mit einem Kredit über die KFW-Bank überbrücken hätte können.
Statt Bürokratieabbau, wird es ab dem 1.1.2025 nochmals mehr werden, weil ab dann eine E-Rechnung zwischen Firmen wahrscheinlich verpflichtend werden wird.

Querdenker_Techn
21 Tage her

Der „Fall Meyer-Werft“ erinnert mich stark an den Fall Borgward (war erst dieser Tage wieder bei Phönix zu sehen), bei dem das Land Bremen massiv an der Pleite eines ansonsten profitablen Familienbetriebes mitgeholfen haben soll. Wenn der Staat erst einmal ein profitables Unternehmen in die Hände bekommen hat, dann wird es schnell abwärts gehen. Noch nie hat ein „Staatskonzern“ Gewinne gemacht. Dafür sorgen schon die Gewerkschaften, die mit ihren in der Konzernleitung sitzenden SPD-Vertretern schnell die Löhne nach oben und die Arbeitszeit nach unten verändern werden. Leiharbeit zur Überbrückung und Kostensenkung wird es mit den „Sozialisten“ auch nicht geben. Schafft… Mehr

littlepaullittle
21 Tage her

Herr Scholz wird kein Lech Wałęsa, nur wenn er mal bei einer Werft vorbeischaut.Bekommen die Amerikaner nicht noch Subventionen, wenn sie nicht bei den Chinesen kaufen ? Geschaeftsmodell made in Germany.