Tichys Einblick
Vollgas in die Sackgasse

Kretschmann rief zum Mini-Autogipfele

So schnell wie möglich sollen erprobte und funktionierende Autos verschwinden. Autofahrer sollen gezwungen werden, nicht ausgereifte teure Technik mit erheblichen Mängeln zu kaufen.

imago images / Jens Schicke

»Das Auto der Zukunft muss in Deutschland vom Band rollen.« Das will Wilfried Kretschmann, Ministerpräsident im Autoland Baden-Württemberg und fordert mehr Steuermillionen für die »Verschränkung« von Energiewende und Verkehrswende. Er veranstaltete am Donnerstag letzter Woche sein eigenes »Autogipfele« – nicht in Stuttgart, sondern in Berlin. Denn nach Berlin zum »richtigen« Autogipfel bei Kanzlers vergangene Woche war er bekanntlich nicht eingeladen.

Daher trotzig das schwäbische »Gipfele« in der Vertretung Baden-Württembergs in Berlin. Herausgekommen ist zwar auch nichts in Stuttgarts Landesvertretung. Aber man hat wenigstens miteinander geschwätzt, und das in höchsten Nichtssagetönen. Kretschmann nach dem Treffen: »Baden-Württemberg geht mit ganz konkreten und sichtbaren Maßnahmen voran, um den Transformationsprozess der Automobilwirtschaft zu einer Erfolgsgeschichte für die Unternehmen, die Menschen und den Klimaschutz zu machen.«

Dafür müsse die Verkehrswende mit der Energiewende verschränkt werden, so Kretschmann. Er trifft sich immerhin schon seit einiger Zeit mit Daimler, Bosch, Porsche und anderen Herstellern aus dem Autosektor. »Strategiedialog Automobilwirtschaft« (SDA) nennen sie das im Schwabenland. Die »Transformation«, also die »Verkehrswende« soll »jobverträglich« gestaltet werden. Immerhin macht sich Kretschmann schon Sorgen in Sachen Steueraufkommen Baden-Württembergs.

Er will als fördernde Aktion ein engmaschiges Netz an Ladesäulen für Elektroautos installieren lassen. So soll im Südwesten bis September 2019 der Aufbau von einigen Ladesäulen mit einer Ladeleistung von 22 KW oder mehr alle zehn Kilometer erledigt sein. Schnellladesäulen mit einer wesentlich stärkeren Ladeleistung von 50 Kilowatt oder mehr sollen alle zwanzig Kilometer zu finden sein.

Woher der Strom für die vielen neuen E-Autos kommen soll, hat noch niemand in Stuttgart verkündet. In diesem Jahr wird das vorletzte Kernkraftwerk Baden-Württembergs Philippsburg II langsam heruntergefahren. Das soll zum Jahresende 2019 komplett abgeschaltet werden. Nach der ursprünglichen Vereinbarung im Atomgesetz aus dem Jahre 2010 sollte das vollkommen intakte Kraftwerk noch bis 2036 Strom liefern. Bis jetzt hat es rund 30 Prozent zur elektrischen Energie Baden-Württembergs beigetragen. Woher die dann kommen soll, weiß niemand.

Dafür will Kretschmann Forschung an synthetischen Kraftstoffen fördern. Die gelten als so schön umweltfreundlich. Die Grundlagen dazu wurden in den dreißiger Jahren entwickelt. Motivation damals: Das Deutsche Reich litt unter Mangel an Erdöl und wollte autark sein. Kosten spielten keine Rolle. Während des Zweiten Weltkrieges war die Kohleverflüssigung dann kriegswirtschaftlich wichtig. Doch gleich nach dem Krieg wurden diese Anlagen eingestellt. Zu hoch ist der Energieeinsatz, um mit hohem Druck und Temperaturen aus Biomasse synthetische Kraftstoffe herzustellen. Das funktioniert zwar, ist aber extrem ineffizient, unwirtschaftlich und passt von daher eigentlich gut zur Energiewende. Auch jüngste Versuche wie beim sächsischen Unternehmen Choren scheiterten immer wieder an der Ineffektivität.

»Beim Bosch« blinken angesichts der nächsten Bioblase und der Zuflüsse von reichlich Staatsknete die Augen. So betont man also brav die synthetischen Kraftstoffe als »mögliche Säule eines emissionsfreien Verkehrs«. Ein Zusammenschluss aus dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und zahlreichen Partnerinnen und Partner aus Wirtschaft und Wissenschaft forscht daher intensiv an der Herstellung regenerativ erzeugter Kraftstoffe.

Kretschmann glaubt auch an die Brennstoffzelle als Alternative zum rein batterieelektrischen Antrieb. So soll eine Forschungsfabrik für Brennstoffzellen und Wasserstoff aufgebaut werden, die das Land mit 18,5 Millionen Euro unterstützt. Die Federführung sollen das Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoffforschung in Ulm (ZSW) sowie das Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme (ISE) haben. Parallel soll ein Konzept für einen ÖPNV auf Basis der Brennstoffzellentechnologie entwickelt werden. In den 40 Jahren Brennstoffzellentwicklung für Autos lassen Erfolge sehr zu wünschen übrig. Hoch ist der technische Aufwand, solche empfindlichen Zellen in einer rauen Umgebung eines Fahrzeuges zu betreiben. Die lassen sich nicht gut regeln und verlangen einen hohen und teuren Wartungsaufwand.

So schnell wie möglich sollen erprobte und funktionierende Autos verschwinden. Autofahrer sollen gezwungen werden, nicht ausgereifte teure Technik mit erheblichen Mängeln zu kaufen. Die Unternehmensbosse stimmen unisono Kretschmann zu. Bosch-Chef Volkmar Denner: „Die Autoindustrie steht vor einer Mammutaufgabe. Mobilität muss neu gedacht, Beschäftigung gesichert, das Klima geschützt werden.« Gemeinsames Ziel müsse sein, »dass wir in Deutschland und weltweit auch bei der Mobilität der Zukunft technisch führend und geschäftlich erfolgreich sind.« Ein IG Metall Mann war auch in der Landesvertretung. Roman Zitzelsberger verkündete, man strebe an allen Standorten Zukunftsvereinbarungen für eine gelungene »Transformation« an und wolle dabei mit den Unternehmen zusammenarbeiten.

Autozulieferer wie beispielsweise Mann & Hummel oder Mahle haben bereits angekündigt, angesichts der krisenhaften Entwicklung Stellen abbauen oder gar Standorte schließen zu müssen. Die Antwort des IG Metallers: »Wer allerdings plump auf Stellenstreichungen, Standortschließungen und Verlagerungen setzt, muss mit Widerstand rechnen.«

Daimlers neuer Chef Ola Källenius behauptete, Berlin sei der richtige Ort für das Treffen, denn man brauche möglichst übergreifende Lösungen – in Deutschland und darüber hinaus. Das kann man so sehen. Während die Klimabeflissenen darüber berieten, wie man die sauberen Diesel und Benziner abschafft, läuft in derselben Stadt ein paar Kilometer weiter wieder ein ganz normaler Tag ab. Über der Stadt steht die gewaltige Rauchwolke eines Großbrandes, vermutlich so viel Staub und Feinstaub, CO2, NO2, wie der gesamte Autoverkehr Berlins in einem Jahr erzeugend. Ein vietnamesisches Einkaufszentrum in Lichtenberg brennt ab – wie vor ein paar Jahren schon einmal. Polizei und Berliner Zeitungen beschreiben es als Biotop der Mafia – Menschenschmuggel inklusive. Eigentlich keine Nachricht mehr wert.


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