Bilanz der Ampel: Sogar die „Verkehrswende“ scheitert

Über 5.000 Kilometer alter Bahnstrecken könnte die Ampel wieder in Betrieb nehmen. 21 Kilometer hat sie geschafft. Selbst in ihrem Lieblingsprojekt „Verkehrswende“ droht die Bundesregierung zu scheitern. Sie ist in der Dauerdefensive.

picture alliance/dpa | Soeren Stache
Parallel zur Bundesstraße 102 verläuft nahe dem Dorf Preußnitz die seit dem Jahr 2003 stillgelegte eingleisige Trasse der Brandenburgischen Städtebahn.

Die Verbände rund um das Bahnwesen schlagen Alarm: Die Ampel müsste die Trassenpreise deutlich stärker fördern, sonst würden sie drastisch steigen – und damit das Lieblingsprojekt der grün-rot-gelben Regierung gefährden: die „Verkehrswende“. Denn der Güterverkehr würde dann deutlich teurer – und die Straße bliebe die attraktivere Alternative. Zu dem Bündnis gehören: „Die Güterbahnen“, der Verband der Chemischen Industrie, der Verband deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), die „Allianz pro Schiene“ und der Verband der Güterwagenhalter. Zusammen fordern sie die Ampel auf, die Förderung auf die bis Ende 2023 übliche Summe von mindestens 350 Millionen Euro anzuheben.

Deutsche Bahn
Sparen statt Schienen: Aus der Traum von der Verkehrswende
Bislang hat die Ampel in ihrem Haushalt aber nur 275 Millionen Euro für die Trassenpreisförderung bereitgestellt. Nimmt man den Anteil der Förderung an den tatsächlichen Kosten, dann hat die Ampel diesen in nur zwei Jahren von 60 auf 30 Prozent halbiert. „Dies stellt eine erhebliche Herausforderung für die Unternehmen dar, die sich derzeit in den Verhandlungen mit ihren Kunden für das kommende Jahr befinden“, teilt das Bündnis mit. Die Unternehmen seien erneut gezwungen, alle Verhandlungen nur „unter Vorbehalt“ zu führen. Höhere Kosten seien unvermeidlich. Das „dürfte letztlich dazu führen, dass Verkehre an den günstigeren Straßengüterverkehr verloren gehen“.

Die Ampel befindet sich in Sachen „Verkehrswende“ in Rückzugsgefechten. Dabei wollte sie eigentlich in die Offensive gehen. Etwa alte Bahnstrecken reaktivieren, um den öffentlichen Nahverkehr attraktiver zu gestalten. 5426 Kilometer ließen sich wieder in Betrieb nehmen, sagen der Dachverband der Verkehrsbetriebe, der VDV und die „Allianz pro Schiene“. Doch die Bilanz der Ampel sei enttäuschend: „Während die Liste aussichtsreicher Schienenstrecken immer länger wird, hakt es nach wie vor bei der Umsetzung von Reaktivierungsprojekten.“ Innerhalb von zwei Jahren habe die Ampel lediglich 21 Streckenkilometer wiederbelebt. Das entspricht einer Erfolgsqoute von 0,4 Prozent – aufgerundet. Die beiden Verbände verlangen von der Ampel mehr Geld. Aber nicht nur. Sie bemängeln ebenfalls, dass die Planungsverfahren zu kompliziert seien.

Eine Reaktivierung von Strecken sei ein Wachstumsfaktor, sagt Martin Henke vom VDV: „Das könnte die Wirtschaft gerade auf regionaler Ebene erheblich stärken.“ Doch in diesem Jahr wird die Ampel voraussichtlich wieder nur 30 Kilometer Schienenwege reaktivieren. Dazu sagt Dirk Flege, Geschäftsführer der Allianz pro Schiene: „Angesichts dieses Schneckentempos müssen Bund und Länder dringend mehr tun, um Initiativen vor Ort zu unterstützen. Die Menschen wollen eine Schienenanbindung. Gerade für den Schienengüterverkehr gibt es großes Potenzial.“ 379 Städte und Gemeinden ohne Zugang zum Schienenverkehr könnten durch die vorgeschlagenen Reaktivierungen wieder Anschluss an das Bahnnetz erhalten – allein in diesen Kommunen wohnen mehr als 3,8 Millionen Menschen – das entspreche der Einwohnerzahl von Berlin.

Derzeit sind in Deutschland laut VDV 123 der 900 Mittelzentren ohne Anschluss an die Eisenbahn, U-Bahn, Stadtbahn oder Straßenbahn, darunter 13 Kreisstädte. In 119 der nicht angeschlossenen Mittelzentren sind für die Eisenbahn gebaute, aber nicht mehr genutzte Trassen vorhanden. Für 72 dieser Mittelzentren schlagen VDV und Allianz pro Schiene eine Wiederanbindung an den Eisenbahnverkehr vor, bei 13 weiteren empfehlen sie eine vertiefte Prüfung. Allein in diesen Zentren leben über 1,4 Millionen Einwohner.

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Kommentare ( 11 )

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Elmar
1 Stunde her

Nicht verzagen, sondern einfach abwarten. Wenn das Straßennetz so weit abgewirtschaftet ist, dass man es nur noch mit Kettenfahrzeugen befahren kann, ist selbst die marodeste Bahnstrecke unweigerlich im Vorteil.

Hannibal ante portas
1 Stunde her

Die Ampel wurde nicht gebildet, um etwas aufzubauen, sondern um möglichst viel abzureisen. Sie setzt das destruktive Werk der Vorgängerregierung fort, auf deren „Fundament“ sich bestens in ihrem Sinne „weiterarbeiten“ lässt. Aus dieser -natürlich absolut verschwörungstheoretischen- Perspektive lässt sich sehr viel erklären und für die Zukunft erahnen.

Brauer
1 Stunde her

Was die Ampel am Besten kann…Geld verteilen an Staaten und Menschen die keinen Anspruch darauf haben!

Delegro
1 Stunde her

Wir haben von dieser Ampel überhaupt nicht`s positives mehr zu erwarten. Ganz im Gegenteil. Unser Land wird täglich ein Stück weiter vernichtet. Die Nachfolgeregierung(en) werden diesen Scherbenhaufen, falls überhaupt noch möglich, nur in mindestens 10 Jahren wieder beseitigen können. Und das ist doch genau der Plan dahinter. Keiner will uns mehr (75 % der Bürger wollen die Ampel nicht mehr), also richten wir noch den größtmöglichen Schaden für die Nachfolgeregierung(-en) an. Dann können wir locker flockig mit dem Finger auf auf die neue Regierung(-en) zeigen und sagen, seht her, ihr schafft es auch nicht. Welch scheußliches und zutiefst unmoralisches Spiel.

Hieronymus Bosch
2 Stunden her

Hier auf dem Lande steht man am Wochenende stundenlang an der Straße und wartet, bis ein Bus kommt! Es ist doch klar, dass man ohne Auto hier nicht zurechtkommt! E-Autos werden hier vorzugsweise als Zweitwagen gefahren, da die Hauseigentümer eine Ladesäule an ihren Eigenheimen installiert haben. Ja, Fahrräder gibt es auch – wenn die Senioren ihre Sonntagsrunden zur nächsten Gaststätte drehen! Grün sind hier im Herbst nicht einmal mehr die Bäume, von denen die Blätter als welkes Laub herabfallen – schon ein natürliches Zeichen für den Kahlschlag!

Andy Malinski
2 Stunden her

Warum sollte es in diesem Bereich weniger dysfunktional sein als in der restlichen (H)Ampelpolitik?

AmitO
2 Stunden her

Wenn Betriebe „nicht mehr produzieren und nicht pleite sind“ dann braucht man auch keinen Güterverkehr. Insofern würde ich die Ampel da eher als vorrausschauend beurteilen.
Ehre wem Ehre gebührt!

Waehler 21
2 Stunden her

Fragt doch mal den Habeck!
Das mit der Schiene ist ganz einfach! Einfach Steuern für Lkw‘s anheben oder
neu erfinden, dann ist die Schiene wieder alternativlos! Vielleicht könnte man auch mit der Wärmepumpe diese LKW betreiben, da ist doch noch Raum für Subventionen!
Ein wenig Bashing geht auch! Der emittierte Lärm der Lkw ist bestimmt ge- sundheitsschädlich oder zerstört das Klima!
Fazit: unsere Politik ist schon seit Längerem nur noch ein Luftzirkus!

Guzzi_Cali_2
2 Stunden her

Radwege in Peru sind für das Bunzregime die Verkehrswende. Keiner hat bisher das Wort „Wende“ richtig interpretiert – es bedeutet das AB-WENDEN von Deutschland und den Deutschen.

Bonzo der Grosse
2 Stunden her

In meinem Ort gibt es einen Betrieb mit Schienenanschluss. Seit MORA C ist dort kein Güterwagen mehr gesichtet worden. Auf der Bahnstrecke wurde früher Bahnschotter von einem nahegelegenen Steinbruch tranportiert. Der Schotter für die Bahn wird seit geraumer Zeit über die Straße transportiert. Diese Umverlagerung kann man nicht der jetzigen Koalition anlasten, dass sie die Rahmenbedingungen nicht verbessert hat, allerdings schon. Eine Politik, die sich um die tatsächlich relevanten Themen kümmert, erleben wir schon seit langem nicht mehr, es ist alles nur Symbolpolitik und dabei noch immens teuer.