Ford stellt die Produktion am Standort Saarlouis ein

Ford stellt seine Autoproduktion in Saarlouis ein. Der Konzern gab Kostengründe als ausschlaggebend an. Für das Bundesland steht die Existenzfähigkeit in Frage.

IMAGO / BeckerBredel

In Saarlouis stellt Ford den Focus her. Ein Verbrenner. 4600 Menschen arbeiten unmittelbar in dem Werk. Weitere 2000 Stellen sind in der Zuliefererindustrie gefährdet. Im Jahr 2025 läuft die Produktion des Focus aus. Dann will der Konzern die Autoproduktion am Standort ganz aufgeben, wie dieser dem Handelsblatt bestätigt hat.

Saarlouis hatte sich um den Zuschlag für ein E-Auto beworben, das Ford künftig bauen will. Den Zuschlag hat Ford nach Spanien vergeben: „Valencia bietet vor allem aus finanzieller Sicht bessere Zukunftsperspektiven“, zitiert das Handelsblatt den Ford-Europachef Stuart Rowley. Neben Valencia wird der Konzern nach 2025 nur noch in Köln produzieren – E-Autos.

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Nun laufen die Szenarien ab, wie sie dem Bundesland all zu gut vertraut sind: Die Betroffenen versammeln sich vor dem Werk, um den Schock besser zu verdauen – und um für ihre Zukunft zu demonstrieren. Konzern-Vertreter versichern, sich um einen sozialen Umgang mit den Beschäftigen zu bemühen. Politiker kündigen an, Arbeitsgruppen zu gründen. Damit das nicht ganz so trostlos klingt, heißen die mittlerweile „Task Force“ oder „Runder Tisch“. Doch eigentlich wissen die Teilnehmer der Mahnwache, dass sie ihren Status als gut verdienende Facharbeiter bald los sind.

Das Saarland kennt das alles nur zu gut. Einst war der Landstrich von hoher wirtschaftlicher und geostrategischer Bedeutung: Der Reichtum an Kohle und die Stahlindustrie machte die kleine Region reich und wichtig. So wichtig, dass die Sieger der beiden Weltkriege das Land vom Rest der Republik abkoppelten. Doch das ist Vergangenheit. So wie es die Kohleförderung ist – und auch wie große Teile der Stahlindustrie.

Heute ist das Saarland ein Pflegefall – nicht mehr aus eigener Kraft lebensfähig. Rund 5 Milliarden Euro umfasst der saarländische Haushalt laut Planung. Über 510 Millionen Euro hat das Saarland im vergangenen Jahr aus dem „Länderfinanzausgleich“ erhalten. Dazu kommen andere Subventionen durch den Bund. Bei einem Etat von 5 Milliarden Euro nimmt das Land zudem rund 350 Millionen Euro Schulden auf. Wobei die Routine mit dem Mangel auch ihre Vorteile hat – an der Saar sprachen die Politiker schon von „Sondervermögen“, als diese in der Republik noch Schulden hießen.

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Die Planungen stammen aus der Zeit vor dem Ukraine-Krieg und berücksichtigen dessen Folgen daher nicht. Ohnehin war die Planung eher optimistisch. Denn im März wurde an der Saar gewählt und eine allzu ehrliche Inventur wäre da nicht erwünscht gewesen. Der Kampf um Ford hat diesen Wahlkampf mit entschieden. Die Wähler haben der damaligen Wirtschaftsministerin Anke Rehlinger (SPD) ihr Engagement um die Produktion offensichtlich abgenommen – heute ist sie Ministerpräsidentin mit absoluter Mehrheit. Verbittert sagt sie, der Wettbewerb mit Valencia sei „nie fair“ gewesen und Ford sei es nur darum gegangen, „die Zitrone noch mehr auszupressen“.

Starke Worte. Ergreifende Worte. Sie dürften die Demonstranten am Werk trösten. Nur helfen – helfen tun sie nicht. Sie zeigen eher, wie hilflos der Standort Saarland ist, wenn es um Ansiedlungen oder den Erhalt von Industrie geht. Denn Rehlinger hatte Ford durchaus etwas „Zitronensaft“ angeboten: Ein Subventionspaket von rund einer Milliarde hatte das Saarland mit Hilfe des Bundes geschnürt, wie die Saarbrücker Zeitung berichtet – doch dieses Paket genügte Ford offensichtlich nicht.

Die in Deutschland gängige Politik, Erfolge erkaufen zu wollen, funktioniert nicht, wie das verschmähte Subventionspaket zeigt. Es geht um Strukturen. Und die stimmen nicht: Die Zuliefererbasis habe der Konzern in Spanien als besser angesehen, berichtet das Handelsblatt – aber vor allem seien Löhne und Material in Valencia billiger. Hinzu kommen die hohen Energiekosten in Deutschland sowie die hohen Steuern und Sozialabgaben.

Das Saarland erlebt das gleiche Dilemma wie die ostdeutschen Bundesländer nach der Wiedervereinigung: Eigentlich müsste es als strukturschwache Region mit günstigen Bedingungen locken: niedrigere Steuern, geringere Verwaltungsauflagen. Doch es ist an deutsches Recht gebunden und damit an dessen stetig wachsenden Steueranforderungen, die steigenden Stromkosten, die ausufernden Verwaltungsauflagen, die absurden Dokumentationspflichten und nicht zuletzt an eine Bundesregeriung, die zu vier Fünftel aus Parteien besteht, die offen mit Klimaschutz-Terroristen sympathisieren und dem Aus des Verbrennermotors das Wort führen.

So wird das Saarland immer mehr zum abgehängten Flecken. Mit einem Bruttoinlandsprodukt von 36.242 Euro lag es 2021 unterhalb des Bundesschnittes von 42.953 Euro. Nur Schleswig-Holstein und die ostdeutschen Bundesländer sind schlechter. Der Abwärtstrend hält an. Während das Bruttoinlandsprodukt im vergangenen Jahr bundesweit preisbereinigt um 2,9 Prozent stieg, waren es im Saarland nur 1,4 Prozent. Die Zahlen stammen vom Statistischen Bundesamt.

Noch profitiert das Saarland etwa im Vergleich zu Schleswig-Holstein von den Resten seiner Industrie. Doch die Automobilindustrie fällt 2025 – und der Stahl wackelt auch.
Rehlinger wird künftig zwei Arten von Reden halten. Vor ihrer Nachwuchsorganisation, den Jusos, wird die Sozialdemokratin über Transformation sprechen und dass wir unsere Wirtschaft klimaneutral gestalten müssen. Ihren Landeskindern wird die Ministerpräsidentin versichern, sich für den Erhalt der Industrie einzusetzen – sie täte gut daran, die Manuskripte nicht versehentlich zu vertauschen.

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Kommentare ( 85 )

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doncorleone46
2 Jahre her

Glückwunsch an Ford! Ich hoffe, dass das eine Wahlbeeinflussung wird.

Willi4
2 Jahre her
Antworten an  doncorleone46

Die Wähler haben doch im Saarland eine eindeutige Entscheidung getroffen. Pro Kostensteigerungen und gegen Realitätsbezug. Eben visionäres Wunschdenken. Damit will ich nicht sagen, dass die Hans-CDU eine Alternative war.

Dieterfc
2 Jahre her
Antworten an  Willi4

Das ist eh alles Einheitssoße, Ob Grün, SPD oder CDU/CSU. In NRW gehts es auch mit der selben Scheiße wie vorher weiter. Der Bürger braucht erst Schmerzen bevor er aufwacht, das dauert noch, stehen doch Millionen an den Flüghäfen und warten brav auf ihren Flieger, und der SUV steht mittlerweile neben dem eAuto in der Garage. Da spart man 20cent und fühlt sich so richtig moralisch toll!!!! Trotz flieger…..haha

EinBuerger
2 Jahre her

Das ist auch ein gewisser Zwang für die progressivste Koalition aller Zeiten: Die Firmen beschweren sich nicht. Die großen verlegen ihre Standorte woanders hin. Und zur Not verlegen sie sogar ihren Firmensitz in ein anderes Land.
Und ohne Geld macht selbst die progressivste Politik keinen Spaß mehr.

Alrik
2 Jahre her

Nicht alles ist im Saarland schlecht, so leistet sich dieses Bundesland immer noch eine eigene öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt, währed die reichen Länder Bad-Württemberg & Rheinland Pfalz sich den SWR teilen 😉

herman32
2 Jahre her

Ahnungsloses Geschwurbel beim Staatsfunk: „Großen Konzernen, wie dem im Saarland wichtigen Arbeitgeber Ford, kann die Politik gute Rahmenbedingungen bieten“ meldet die „Tagesschau“. (26.04.2022)
https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/rehlinger-saarland-101.html
Sicherlich, SPD Rehlinger, kurzzeithochgelobtes neues SPD Schwergewicht, hat Ford einiges an Subventionen geboten. Doch das Desaster der Bundesampel schlägt durch, hohe Steuern und hohe Energiekosten, auch ganz ohne Ukrainekrieg, machen das Saarland unattraktiv. Ford findet Valencia (Hafenanbindung) attraktiver und macht im Saarland dicht.

Endlich Frei
2 Jahre her

Ford wird nicht vorhaben, ab 2035 nur noch E-Fahrzeuge herzustellen für einen globalen Markt, auf dem nach wie vor 80-90% mit Verbrennern unterwegs sein werden. Dieses Bullerbü-Denken ist Managern, die in der Realwirtschaft agieren, schlicht ein Garaus.

Alrik
2 Jahre her
Antworten an  Endlich Frei

Gute Manager sind Realisten, das stimmt. Und real ist der Kampf gegen das Elektroauto ein Kampf gegen Windmühlen – weil das Elektroauto von der Politik erzwungen werden soll. Ford und die anderen großen nicht-europäischen Autokonzernen können es sich leisten in Europa die Produktion teilweise auf das E-Auto umzustellen und andere Standorte dicht zu machen. Denn sollte die Umstellung auf 100% E-Auto schief gehen können diese Konzerne immer noch Verbrenner aus USA und Japan nach Europa exportieren. Durch die hohen Kosten für Energie und Arbeitszeit ist Europa auch so schon im Nachteil, warum also hier investieren? Zumal die Automobilbranche vorher schon… Mehr

Silverager
2 Jahre her

Das ist natürlich erst der Anfang.
Der Beschluss der linksgrüngelben Regierung, die brav die Vorgaben aus Brüssel umsetzt, nämlich den Verbrennungsmotor zu verbieten, wird die Deindustrialisierung noch mal beschleunigen.
Steuer, bürokratischer Riesenaufwand, unbezahlbare Energie tun ihr Übriges.
Viele große und mittelständische Firmen werden dichtmachen müssen und die Arbeitslosen-Zahlen schießen nach oben.
Und Schulen und Unis lehren Vielfalt und Gendern statt Mathe und Physik.

M. Stoll
2 Jahre her

Wenn es so kommt, fallen 6.600 Arbeitsplätze weg.
Das ist doch kein Problem: 600 in Rente und Frühpension und 3.000 werden „Betreuer“, die die anderen 3.000 scheinbaren „Problemfälle“ dann betreuen.
Das Geld dafür wird gedruckt und alle sind glücklich.
Das Beste ist, „wir“ sparen unheimlich viel ZehOhZwei.

jwe
2 Jahre her
Antworten an  M. Stoll

Man vergisst bei den sogen. wegfallenden Arbeitsplätzen immer eines. Durch die Agrar- und Ernährungswende fallen ja auch Massentierhaltung und landw. Großbetriebe weg. Kleinbäuerliche Betriebe werden wieder sprießen und die brauchen dann Knechte und Mägde. Die Vorboten wurden letztens im Fernsehen schon gezeigt. Wie wunderbar doch der Ackerbau mit Pferd, ohne Spritzmittel und Kunstdünger wird. ES fallen also keine Arbeitsplätze weg, sondern sie werden nur umgeschichtet. Die Bezahlung ist zwar nicht mehr top, aber dafür ist die Arbeit ökologisch.

Contra Merkl
2 Jahre her

Ich kann das nur begrüssen. Aus der Kasseler Gegend kommend sage ich jede kleine Autobau Klitsche die weniger als 10.000 Mitarbeiter hat, wird demnächst dichtgemacht. Politisch beschlossen hin zum reinen Elektromobil gibt es demnäscht 4 – 5 elektrische Antriebe verschiedener Leistungsklassen. Pro Schicht arbeiten da nur noch 20 Leute pro Fertigungslinie. Das sind nur Elektromotoren. Ähnlich eines Schweißroboters wird da nur Draht um Spulen gewickelt, den ganzen Elektromotor baut auch ein Roboter zusammen. Dann gibt es 4 oder 5 Plattformen als Bodenchassis, wo Akkus und Antrieb reinkommen. Da kommt noch ein Blechkleid drauf, was von fahrender Schuhschachtel bis VW Bus… Mehr

Waldorf
2 Jahre her

Ist doch alles bestens so CDU und SPD (natürlich unter grünem Applaus und unter stetiger Mitwirkung sog „Gewerkschaften“) machen seit Jahrzehnten extrem unternehmensfeindliche Politik in Deutschland, teuerer Strom, Gas und Öl, Steuern, Abgaben und endlose Bürokratie zur Selbstbeschäftigung der Staatsverwaltung vergraulen auf kurz oder lang jeden Betrieb. Deshalb kommen auch seit vielen Jahren keine Fachkräfte, sondern fast nur prekäre Schnorrer nach Deutschland. Wer was kann, will auch Geld dafür, keine Almosen nach einer staatlichen Abzockorgie. Selbst die alten Rentenkamelle zieht heute keinen Steuerzahler-Fan mehr Hintern Ofen vor, weil unsere staatliche Rente mickerig und extrem spät im internationalen Vergleich ausfällt. Und… Mehr

elly
2 Jahre her

Im Land, dessen Zukunft nach den Grünen erstmal nur aus Lastenrädern und zukünftig Eselskarren besteht, macht ein Autowerk keinen Sinn.
Es wird geliefert was bestellt wurde.

Bonzo der Grosse
2 Jahre her
Antworten an  elly

In unserer Gegend gibt es ein Lastenfahrrad-Hersteller. Sozusagen die Mercedes Version des Lastenfahrrads. Dieser baut seine Produktion stetig aus. Vielleicht können sich die geschassten Ford-Arbeiter dort bewerben? Alternativ bietet sich die Zucht von Eseln an. Ich wette, dass die gewerkschaftstreuen Autoschrauber auch immer brav ihr Kreuzchen bei den „demokratischen“ Parteien gemacht haben, die durch ihre „zukunftsweisende“ Industrie-, Bildungs- und Energiepolitik dafür gesorgt haben, dass viele Menschen im Saarland bald schon sehr viel mehr Freizeit haben werden.