Erhöhung der Stickoxid-Grenzwerte und doch keine Fahrverbote?

Die deutsche Politik erhält unerwartet Unterstützung aus Brüssel: Im Streit um Grenzwerte für Stickoxid genehmigt die Brüsseler Kommission, dass diese in Deutschland um 10 µg/m3 überschritten werden dürfen, wie die »Augsburger Allgemeine« aus Kommissionskreisen erfahren hat.

© Lukas Schulze/Getty Images

Der umstrittene Grenzwert für Stickstoffdioxid NO2 von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft soll um 10 µg/m3 überschritten werden dürfen. Das meldete die Augsburger Allgemeine in einer exklusiven Geschichte aus Brüssel.

Wie die Redaktion aus Kreisen der Kommission erfuhr, darf in Deutschland der Grenzwert bis auf 50 µg/m3 überschritten werden. Das hat offenbar die Kommission entschieden. Dieser Grenzwert für den Jahresmittelwert an NO2 gilt seit 2010, dessen Überschreitung ist die Ursache für drohende Fahrverbote in vielen Städten, wie sie der umstrittene Abmahnverein »Deutsche Umwelthilfe e.V.« einklagt. Allerdings wird dieser Grenzwert immer seltener überschritten, wie Daten des Umweltbundesamtes anzeigen.

Diese unerwartete Rückendeckung für Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer kommt überraschend. Denn noch vor kurzem hat EU-Umweltkommissar Karmenu Vella kategorisch nur Verschärfungen der Grenzwerte in den Raum gestellt. Scheuer dagegen fordert seit langem höhere Grenzwerte.

Das würde für viele Städte bedeuten, dass sie keine Fahrverbote für Dieselfahrzeuge erlassen müssten. München hat bereits entschieden, dass es keine Fahrverbote für Dieselfahrzeuge in der Stadt geben wird. Sie seien »unverhältnismäßig«, begründete die Stadt und bezog sich damit auf die zweite Bedingung, die das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig in seinem Dieselfahrverbotsurteil vor etwa einem Jahr ausgesprochen hatte: Fahrverbote müssten auch »verhältnismäßig« sein.

Allerdings hat diese Bedingung bisher fast keine Stadt geprüft. Das Umweltreferat befürchtet, dass sich bei einer Sperrung etwa des verkehrsreichen mittleren Ringes die Autofahrer andere Routen durch anliegende Wohngebiete suchen.

Deutschland ist das einzige EU-Land, in dem es aufgrund von Überschreitungen von Grenzwerten Fahrverbote geben soll. In anderen Ländern stehen die Messstationen in der Regel nicht so, dass deutlich höhere Anteile an NO2 gemessen werden.

Auf ein interessantes Ergebnis ist TE Leser Martin S. gestoßen. Der pensionierte Ingenieur hat sich die Mühe gemacht, sämtliche Messstellen der EU ohne Deutschland noch einmal rechnerisch unter die Lupe zu nehmen, die 2016 über 49 µg/m³ liegen.

Er hat in seiner Untersuchung die Abstände der Stationen zur Fahrbahn und Gebäuden summiert. Sein Ergebnis: In Baden-Württemberg stehen die Messstationen im Schnitt weniger als die Hälfte der restlichen EU näher an der Fahrbahn. Nischeninstallationen wie am Stuttgarter Neckartor gibt es EU-weit nicht.

Die Untersuchung ist hier abrufbar.

Ein Beispiel, wie man es »richtig« macht, liefert Malta, die Heimat des EU-Umweltkommissars Vella. Der strengt gegen Deutschland ein Vertragsverletzungsverfahren an. Die Station steht am unverbauten Hafen, an dem meist ein frischer Wind weht und registriert – o Wunder – keine Überschreitungen der Grenzwerte. Es wundert nicht wirklich, dass gegen Malta keine Vertragsverletzungsverfahren laufen.

Offen sind derzeit die Hintergründe zu der Brüsseler Entscheidung. Nimmt die Kommission jetzt tausende mehr vorzeitige Tote in Kauf oder hat der aufkeimende Aufstand der Dieselfahrer in vielen Städten dazu geführt? Immerhin sind in diesem Jahr Europawahlen und da machen sich solche massiven Schläge gegen die Bürger schlecht.


 

 

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Kommentare ( 58 )

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Ruud
5 Jahre her

Das hat nichts mit gesundem Menschenverstand zu tun. Das ist die schiere Panik vor den EU Wahlen. Der Brandstifter war noch nie ein guter Feuerwehrmann…

Ruud
5 Jahre her

Ich bin für Fahrverbote! Radikal, überal!lWarum? Der Bürger muss merken, welche wahnsinnigen in Europa mittlerweile die Strippen ziehen. Vielleicht wacht er dann mal auf… Leider gehen sie nicht ungeschickt vor, sie betreiben die Salamitaktik, jedesmal wenn sie drohen, den Bogen zu überspannen, rudern sie ein klein wenig zurück. Mittelfristig muss es gelingen, endlich diese ganzen Öko – Stalinisten mit ihrer Klima – Ersatzreligion zu entzaubern und den Menschen zu erklären, was deren wahre Beweggründe sind. Es geht nie um Umwelt oder Gesundheit, dazu bracht man sich nur mal die persönliche Lebensführung des Öko – Bonzen Jürgen Resch anschauen und seine… Mehr

Sani58
5 Jahre her

Ob so oder so, tangiert mich und die (Um)welt überhaupt nicht. Ich fahre weiter meinen Diesel mit 4,5l/100km und 1100 km Reichweite pro Tankfüllung. Und wo ich nicht hin darf (Städte und Gemeinden), die können halt auf mich verzichten. Gibt genug Alternativen. Das Alles vor dem Hintergrund, wenn ganz Deutschland mit seinen Emissionen (2,3% Weltanteil = 0,2 Promille) von der Welt verschwinden würde, würde es die Weltnatur nicht bemerken. In den Medien wird auch gerade ein neuer „Hund“ durch das Dorf gejagt: „Lungenarzt Köhler soll sich mehrfach verrechnet haben“ Taz, Welt,.. Und auch unser DLF (Deutschlandstaatsfunk) ist ganz freudig und… Mehr

Hummel
5 Jahre her

Wichtig ist jetzt für den Bürger, sich durch solche Nebelkerzen nicht einlullen zu lassen. Die Proteste dürfen nicht nachlassen sondern müssen sich ausweiten. Schluss mit der Deindustrialisierung des Landes. Es ist wichtig, dass soviele wie möglich mitmachen. Ich bin am Samstag auch wieder eine Gelbweste.

CW
5 Jahre her

Zu dem Artikel in der taz über die Rechenschwäche von Prof. Köhler bzgl. NO2 im Zigarettenrauch (http://www.taz.de/!5572843/) muss man konstatieren, dass da schon einige peinliche Rechenfehler sind. So schadet er seinem eigentlichen Anliegen. Ich glaube auch, dass er sich verzettelt hat und einiges vermischt (Feinstaub, NOx, NO2). Außerdem hat er das Pferd von hinten aufgezäumt. Einfacher wäre es zu überlegen, wieviele Zigaretten ein Raucher am Tag rauchen muss, um auf die gleiche Inhalation von NO2 zu kommen, wie ein Nichtraucher, der auf der Landshuter Allee 24 Stunden lang 40 µg/m3 NO2 einatmet. Leider habe ich keine Veröffentlichung gefunden, die explizit… Mehr

Gerro Medicus
5 Jahre her
Antworten an  CW

Rechenschwäche hin oder her. Das ist zwar peinlich, macht aber die Aussage von Köhler nicht falsch (im Gegensatz zu den Wirtschaftsweisen, die das Wachstum der deutschen Wirtschaft für 2018 völlig falsch berechnet haben).

Wer mehr wissen will:

https://www.bundestag.de/blob/559628/c67c74a62d1a30f6e342462f00c9ce98/wd-8-034-18-pdf-data.pdf

https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4722733/

https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4754891/

https://www.nichtraucherbund.de/weitere-themen/feinstaub-es-liegt-was-in-der-luft/

Dieselabgase (Feinstaub, Stickoxide) sind damit erwiesenermaßen DEFINITIV bis zu 15 mal weniger schädlich als Zigarettenrauch. Ersteren atmet man auch nicht zu 100% ein, letzteren schon!

Aber es ist klar, dass sich die linken Sektierer gleich auf so etwas stürzen. Das Diffamieren von Kritikern gehört ja zum Geschäft!

CW
5 Jahre her
Antworten an  Gerro Medicus

Wenn man sowas an die große Glocke hängt, muss man das Ganze schon sauber durchrechnen, sonst gibt es einen Bumerangeffekt, weil sich alle MSM darauf stürzen und seine eigentliche Aussage als dilettantisch und falsch abtun. Prinzipiell hat er ja Recht, auch dass Korrelationen fälschlicherweise als Kausalitäten interpretiert werden. Ich möchte auch wetten, dass kein Journalist einmal eine derartige NO2-Studie durchgelesen hat. Das Umweltbundesamt schreibt zu derartgen Studien „Wichtig für die Interpretation der gezeigten Ergebnisse ist, dass es sich bei den Todesfällen nicht um zusätzliche Todesfälle, sondern um Todesfälle handelt, die z. B. bereits als kardiovaskuläre Fälle erfasst worden sind, nun… Mehr

Aufgewachter
5 Jahre her

Irgendwie glaube ich das diese ganze Angelegenheit eine mit viel Anlaufzeit geplante Inszenierung ist um uns von dem abzulenken was uns wirklich bedroht. Die Grenzewerte wurden vor vielen Jahren, auf Vorrat verschärft, ohne direkte Konsequenzen, quasi wie ein erpresseriches Foto das erst genutzt wird wenn die Zeit reif ist. Dann begann unsere Regierung die DUH aufzubauen, nach außen ein Verein, genauer betrachtet ein geschlossener Club, finanziert vom Staat, geführt wie eine Behörde mit dem Auftrag eine harte Drohkulisse aufzubauen… In einem angemessenen zeitlichen Abstand vor der Europawahl… werden die Regieseure des Schauspiels zu Rettern, die dem kleinen Bürgern ihren Diesel,… Mehr

Ruud
5 Jahre her
Antworten an  Aufgewachter

ja, sie spielen good cop bad cop. Die CSU hat jahrelang den Schwachsinn mit abgenickt, jetzt spielen sie sich als die Retter der Automobilindustrie auf.

Politiker sollten endlich mal mit ihren Privatvermögen haftbar gemacht werden, wenn sie grosse Schäden durch betrügerische Entscheidungen verursachen.

Cojo Tee
5 Jahre her

Selbstgefällig entscheidet der Absolutist in Brüssel: für Deutschland darf mehr Gift erlaubt sein, auf dass Tausende einen grausamen Tod sterben werden!
Oder stimmt daran irgendwas nicht?

Hartholz
5 Jahre her

Wenn ich nur daran denke, welchen Ausstoß ein Diesel in den 70er und 80er Jahren hatte, kommt im Vergleich dazu heute Waldluft hinten raus.

Hadrian17
5 Jahre her
Antworten an  Hartholz

Ganz zu schweigen von den nicht katalysierten Benzinerabgasen, 18 Liter/100km, vollverbleit, im Stadtverkehr, wo noch die Abgase von Kokereien, Hochöfen, Gaswerken, Aluminiumhütten sowie schwefligem Eierkohlen-Hausbrand dazu kam.

Wahrscheinlich haben sie das alles souverän überlebt, weil der der Atmung vorgeschaltete Zigarrenstumpen alle Schadstoffe rückstandsfrei verbrannt hat … .

Zähes Völkchen, damals … .

Peter L.
5 Jahre her

Als vor kurzem Wissenschaftler die Diskussion der Grenzwerte eröffneten, wurden sie von allen Seiten angegriffen. Aber wenn diese idiotische Kommission völlig unbegründet eine Erhöhung ins Spiel bringt, dann wird das offenbar akzeptiert. Das verstehe wer will…

Ruud
5 Jahre her
Antworten an  Peter L.

Die USA und Westeuropa sind gekapert worden durch linksgrüne NGOs, sie sitzen in Parlamenten, Bildungseinrichtungen, der Justiz, dem Polizeiapparat, Kirchen, Sportvereinen usw…

Ohne eine gründliche „Entgrünifizierung“ ist der Westen dem Untergang geweiht…

Det
5 Jahre her

Je schneller und je härter das Fahrverbot kommt, umso schneller steigen alle Stadtbewohner und Pendler auf Benziner um. Wenn dann in drei Jahren NOx extrem gesunken ist, dann kommen Fahrverbote wegen des gestiegenen Feinstaubes und dann kann jeder EURO 4 Diesel wieder problemlos in die Stadt fahren. Nur noch Irre in diesem Land.

Sani58
5 Jahre her
Antworten an  Det

“ Je schneller und je härter das Fahrverbot kommt,…“Eher ist das geplante Ziel, den Individualverkehr weitestgehend einzuschränken, damit die Kontrolle über die Bewegungsfreiheit zu erhöhen, ein Stück weiter.
Wir sind erst am Beginn, das Ende wird ein Zustand wie in der seligen DDR sein, wo eine Fahrt von der Lausitz an die Ostsee einer kleinen Weltreise glich, mit dem entsprechenden Vorlauf und Planung und Dauer.