Diesel-Fahrverbote: Das politisch korrekte Stickoxid gerät in Gefahr

Die Diesel-Fahrverbote sind fast schon beschlossen. In letzter Minute lässt das Bundesumweltministerium die Standorte der Stickoxid-Messstellen überprüfen. Wahrscheinlich hofft Bundesumweltministerin Svenja Schulze, eine immer weiter um sich greifende Skepsis begrenzen zu können. Denn wer glaubt eigentlich noch der Deutschen Umwelthilfe (DUH)?

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An der Münchner Sonnenstraße wird mit einer seltsamen Elle gemessen. 25 Meter soll der Abstand eines Messhäuschens an einer großen Kreuzung vom Auspuff des nächstfahrenden Autos entfernt sein – so sagt es jedenfalls die einschlägige EU-Verordnung, klipp und klar. Am „Stachus“, wie die Sonnenstraße im Volksmund heißt, trennt aber nur ein Gehweg die Sensoren von den Abgasen. Auf vierzehn Fahrspuren – vier von Süden, fünf von Norden, drei von Westen, zwei eben dorthin – wälzt sich eine Verkehrslawine, die zur Hauptverkehrszeit regelmäßig zum zähfließenden Brei wird. Und das hier stattfindende, ständige Anhalten und Anfahren verursachen besonders hohe Emissionen. Ein gefundenes Fressen für die Deutsche Umwelthilfe und ihren Hauptgeschäftsführer Jürgen Resch. Feinstaub, Stickoxide – neue Gerichtsverfahren, neue Fahrverbote.

Es stinkt zu nah am Kasterl

Und die Stadt München hat noch zwei weitere Sensorenhäuschen untergebracht, natürlich an berüchtigten, täglichen Staustellen. Ein Blick zur Landshuter Allee – hier sind die Sensoren nur sogar eine Bordsteinbreite von einer achtspurigen Fahrbahn getrennt. Von hier ist es nicht weit in die Lothstraße. Gleich an der Nymphenburger Straße steht das „Kasterl“ – und täglich staut es sich hier stundenlang. Gut, ein schmaler Parkstreifen trennt hier die bösen Diesel von den Sensoren, die dem Guten zum Durchbruch verhelfen sollen. Und zwar mit allen Mitteln, denn zehn Meter Abstand zum Fahrbahnrand wären einzuhalten, weil es sich bei den letztgenannten Standorten um keine Kreuzungen handelt, was zu günstigeren Messwerten führen würde. Lediglich in Allach und Johanneskirchen – zwei weiteren Münchner Messstellen in vergleichsweise ruhigen Lagen – stehen die Messhäuschen zurückgesetzt in Grünflächen. Hier werden auch am seltensten Überschreitungen gemessen.

Es bedarf nicht mehr der Erwähnung, dass es exakt diese drei Sensoren-Häuschen sind, die mit schöner Regelmäßigkeit die Werte bringen, die in der bayerischen Landeshauptstadt zu Fahrverboten führen sollen. Wohlgemerkt: nicht bringen könnten – sondern sollen. Im Nachbarland Österreich, das trotz konservativer Regierung als durchaus strikt in Umweltfragen gilt, handelt man regelkonform, was die Abgasmessung angeht. Dieselben Messstellen, die in München unmittelbar an vielbefahrenen städtischen Straßen stehen, haben dort über 100 Meter Abstand zu den wirklich hochbelasteten Straßenabschnitten. Und nachdem diese Stationen nicht ohne das Zutun der Münchner Stadtverwaltung aufgestellt wurden, sollten sich alle Münchner Bürger genau anschauen, wer hier dafür sorgt, dass es das Kreuz mit den Fahrverboten gibt. Denn die nächste Kommunalwahl kommt bestimmt und dann sind es die Bürger, die ihr Kreuz machen.

Das Kreuz mit dem Diesel

Das hat auch der bayerische SPD-Politiker Florian Pronold gemerkt. Beleidigt ließ er verlauten, es gebe „Propaganda“, der zufolge die maßgeblichen Messstellen für Stickstoffdioxid (NO2) falsch aufgestellt seien. Das sei eine „Gespensterdebatte“, die Misstrauen schüre. Dem wolle das Umweltministerium mit „klaren Fakten“ entgegenwirken. Der TÜV soll nun jedes Messhäuschen auf seinen EU-konformen Standort hin überprüfen. Die Politik lagert damit ihr Problem aus.

Das ganze klingt nach einem Rückzugsgefecht. Denn natürlich werden Standorte korrigiert, natürlich wird die tendenziöse Absicht der mutmaßlich von der DUH beratenen Lokalpolitiker entlarvt werden. Und natürlich hat TE schon seit Mai in einer 9-teiligen Serie die Leser darauf hingewiesen, dass es sehr viele fragwürdige Standorte für die Stink-Kasterl gibt – nicht nur in München, sondern in fast allen Städten: Messstellen zu nah am Auspuff, ohne Belüftung, unter Bäumen, Vorsprüngen und dichtem Blätterwerk. Mindestens 25 m von der nächsten Kreuzung, maximal 10 m vom Fahrbahnrand; erlaubt sind Standorte direkt am Fahrbahnrand, nicht aber unter einem Blätterdach, nicht auf einem Mittelalleestreifen, 180 Grad (in der deutschen Verordnung wurde noch der undurchsichtige Begriff 230 Grad hinzugefügt) frei umströmt, nicht so in der Häuserecke wie in Stuttgart Neckartor.

Das alles ist kompliziert und verwirrend. Und bedarf der exakten Nachprüfung.

Lange geschah nichts, obwohl der Missbrauch der Messstellen offenkundig war. Nun hat Pronold es plötzlich eilig, denn schon am kommenden Montag möchte die Bundeskanzlerin – falls sie den Rückweg aus Buenos Aires bis dahin bewerkstelligt – persönlich mit Vertretern von Kommunen zusammentreffen, um über das „Sofortprogramm Saubere Luft“ und andere Fragen rund um Diesel-Abgase und Fahrverbote zu beraten. Schon fürchten die Verfechter autofreier Städte, die mutmaßlich aus politischen Gründen den Individualverkehr zur Gänze abschaffen wollen, um ihren Einfluss. Die schöne sozialistische Utopie, mit wahrscheinlich manipulierten Messhäuschen-Standorten den verhassten, gutbürgerlichen Autofahrer ein für allemal um ihre Möglichkeit, ein Auto zu besitzen, zu bringen – gerät sie nun doch noch in Gefahr?

In einer großen Leseraktion im März und April 2018 haben TE-Leser uns Bilder der Messstationen in ihren Städten geschickt.
Hier noch einmal die Übersicht und zu den einzelnen Artikeln:

Teil 1: Messtationen in Stuttgart, Leipzig, Fulda, Magdeburg, Rostock, Marburg und Tübingen

Teil 2: Messstationen in Ludwigsburg, Hannover, München und Siegen:

Teil 3: Messstationen in Hamburg, Wiesbaden, Cottbus, Dortmund und München

Teil 4: Messstationen in Berlin, Hannover, Halle an der Saale, Wuppertal und Göttingen

Teil 5: Messstationen in Darmstadt, Leonberg, Kiel und Gelsenkirchen

Teil 6: Messstationen in München, Plauen/Vogtland, Osnabrück und Norderstedt

Teil 7: Messstationen in Oldenburg, Köln, Leipzig, Nürnberg, Kassel und Essen

Teil 8: Messstationen in Potsdam, Berlin, Duisburg und Stralsund

Teil 9: Messstationen in Reutlingen. Ludwigshafen, Dortmund, Dresden, Würzburg, München,


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Kommentare ( 49 )

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49 Comments
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H3
6 Jahre her

Meine grünen Freunde finden das alles garnicht so schlimm. Die wohnen in schicken Altbauwohnungen im Zentrum und können alles gut mit dem Fahrrad erreichen, fliegen jedes Jahr nach Südamerika oder Ostasien, haben einen sicheren Beamtenjob und fahren zum Glück einen sauberen Benziner.
Dass so ein Flieger schon mal 100 Tonnen Sprit verbrennt, bis er auf Flughöhe ist, und dass der Liter Kerosin nur 30 Cent kostet, weil unversteuert, kann hingenommen werden. Sonst würden ja die Ticketpreise steigen. Lieber den kleinen Handwerker oder Pendler auf dem Weg zur Arbeit behindern und das eigen Leben mit politischer Umweltarbeit bereichern.

horrex
6 Jahre her

Dass all die Inkonsistenzen bzgl. NOX
– bzgl. Schädlochkeit, drastisch unterschiedlicher Grenzwerte, Aufstellorten … –
nicht längst korrigiet wurden zeigt zunächst zweierlei:
A) Die Unfähigkeit sowohl der Verwaltungen, der Politik,
B) die UNWILLIGKEIT von Verwaltungen und Politik diese Inkonsistenzen,
diesen grotesken Wahnsinn zu beenden. –
Was zu dem Schluss zwingt, dass sowohl Verwaltungen als auch Politik von Personen/Kräften durchsetzt sind die entwederkomplett unfähig sind O D E R aber einer „Macht“ verfallen sind/gehorchen die „systematische Destruktion einem höheren Zwecke gehorchend“ betreiben. –
PS:
Nein ich bin KEIN Anhängeer irgendwelchen Verschwörungstheorien!!!
Beschreibe „NUR“ was jahrelange HIRNWÄSCHE und Gläubigkeit anrichten!

Max Wilde
6 Jahre her

Es ist vertrackt. TE hat Pionierarbeit geleistet und nachgewiesen, dass Die Messkioske seit Jahren vielfach falsch aufgestellt sind. Leider ist eine räumlich falsche Aufstellung mitsamt den falschen Messwerten rechtlich in der Verordnung der EU abgesichert. Die EU Verordnung und die textgleiche deutsche Verordnung enthalten nämlich vor der Festlegung der detaillierten Mess- und Aufstellungsvorschriften eine Klausel, mit der jede beliebige Falschaufstellung juristisch fast unangreifbar wird, denn dort heisst es, dass die EU Vorschriften zu Messung und Messort nur soweit möglich einzuhalten sind. Wo also der Platz knapp ist, kann danach beliebig, und für die tatsächlichen Verhältnisse auf den Strasse völlig falsch… Mehr

Jasmin
6 Jahre her

Gestern wurde im DLF in Bezugnahme auf Äußerungen von Herrn Resch berichtet, dass die DHU die Überprüfungen der Messstationen als reinen Aktionismus bezeichne. Der TÜV habe bereits alle bisher überprüften Messtellen als korrekt funktionierend bewertet. Die DHU finde es problematisch, dass die Messungen der Stickoxide nicht in Höhe von Kinderwagen und in Höhe der Atmung der Menschen erfolge. Ich gehe davon aus, das nicht nur Fahrzeuge aller Antriebsarten verboten werden, sondern auch Ausgehsperren verhängt werden. Aber das passt dann ja wieder gut mit dem Plan, die angeblich tödlichen NOx- Werte in Büros (wohl dann auch bald in Fabrikhallen, Läden, Werkstätten… Mehr

wolleus
6 Jahre her
Antworten an  Jasmin

DUH eben Dumm Und Hinterfotzig.

Was meinte Kant: mangelnde Urteilskraft ist eigentlich das, was wir Dummheit nennen. Ideologie hatte noch nie Urteilskraft und die nazi-grüne Ideologie erst recht nicht.

Haerter
6 Jahre her

Ich schrieb an die DUH heute folgendes: Sehr geehrte Damen und Herren, in der Presse ist mehrfach Ihre Initiative zu Einhaltung der Grenzwerte an Stickstoffdioxid-Belastung in deutschen Städten bekannt geworden. So haben Sie etliche Städte wegen Überschreitung der gesetzlichen Grenzwerte verklagt. Jetzt meine Frage: Wieviele Städte haben Sie auf Einhaltung der empfohlenen Aufstellung der Messpunkte verklagt, als Beispiel sei hier nur die Messtelle in der Münchner Sonnenstraße genannt. Am „Stachus“, wie die Sonnenstraße im Volksmund heißt, trennt nur ein Gehweg die Sensoren von den Abgasen. Da Ihr Anliegen ein sicherlich ehrenwertes, und nicht von schnödem Finanzdenken geprägtes ist, denke ich,… Mehr

Ruhrler
6 Jahre her

Jetzt wird es richtig abstrus: Weil die Grenzwerte in Innenräumen deutlich höher sind als auf der Straße, werden nicht etwa die Werte auf der Straße überdacht, nein, es werden die Grenzwerte für Innenräume gesenkt. So kann es dann politisch korrekt weitergehen mit der Hexenjagd auf Dieselautos, ohne sich mit lästigen Fakten abzumühren. Ich hab´s für Satire gehalten, aber offensichtlich ist das wirklich geplant:
https://www.t-online.de/gesundheit/gesund-leben/id_84860082/zu-debatte-um-diesel-fahrverbote-jetzt-wird-die-stickoxid-grenze-fuer-innenraeume-verschaerft.html

Reinhard Peda
6 Jahre her
Antworten an  Ruhrler

Na, dann freue ich mal als Mieter, auf die aufzustellenden Meßstationen in „meiner Grundgesetzlich geschützten“ Wohnung, inklusive Strafverfahren bei nichteinhaltung der Vorgaben.

yoyoberlin
6 Jahre her
Antworten an  Ruhrler

Man kann nur hoffen, dass die Fehler bei der NOX Grenzwert-Festlegung von vor ca. 10 Jahren nicht wiederholt werden. Damals hat die EU die 40 Mikrogramm genommen, die von der WHO kamen, aber nichts mit Auswirkungen auf die Gesundheit zu tun hatten, sondern den Wert darstellten, der vor 30 Jahren bei der Untersuchung von amerikanischen Gasöfen mal gemessen wurde. Wenn kein Wissenschaftler je nachweisen konnte, dass Stickoxyde von mehreren 100 Mikrogramm eine gesundheitliche Gefährdung verursachen können, warum reden wir dann von Fahrverboten bei 50 Mikrogramm? Weil die in Brüssel und in der gesamten EU damals diese Zeitbombe nicht erkannt haben!… Mehr

Wolkendimmer
6 Jahre her

Ich werde noch heute meine gelbe Warnweste herauskamen.

Vielfahrer
6 Jahre her
Antworten an  Wolkendimmer

Die Herrschaften können von Glück reden, das wir nicht in Texas leben: Dort wär´s unter Umständen `ne abgesägte Schrotflinte!

A. Schmidt
6 Jahre her

Es ist doch auch überhaupt nicht nachvollziehbar, wieso selbst bei sehr guter Luftqualität, wenn diese unter den Grenzwerten liegt, dennoch das Fahrverbot ganzjährig gelten soll, weil dies ein Richter angeordnet hat. Das ist ein völlig unverhältnismässiger in Grundrechte von zig Bürgern.
Auf diesen Aspekt hat noch überhaupt niemand hingewiesen.

Robert Tiel
6 Jahre her

Stand es nicht hier bei Tichy, dass der Wert von 40 Mikrogramm mit dem Dartpfeil ausgeworfen wurde?
Der ist der Grund allen Übels, der Rest folgt danach.
Aufstellung, Messung, Auswertung.
Wer bewerkstelligt das?
Wer kontrolliert das?

Vor allem aber: Warum wird der Wert nicht korrigiert?

cleverfrank
6 Jahre her
Antworten an  Robert Tiel

Die Entstehung des 40 mg Grenzwertes ist wohl noch kurioser. Statt Dartpfeilen wurden
wohl Gasherde herangezogen:
https://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.fahrverbote-basieren-auf-daten-von-gasherden-experte-grenzwerte-fuerdiesel-sind-reine-willkuer.930b294d-9b24-4e64-ab0a-f65a786554b0.html

Was ich bei den verhängten Fahrverboten nicht verstehe: Wenn die Umsetzung der EU-Richtlinie und damit die Positionierung der Messstellen so fehlerhaft sind, warum schlägt sich dieses nicht in den Urteilen nieder ? Ich vermute, daß die beklagten Städte nicht ihr eigenes Versagen bei der Anwendung der Richtlinie zugeben wollen und daher lieber den Dieselfahrer bluten lassen, oder ?

Heinrich Wolter
6 Jahre her

Und bitte das nächste Silvesterfeuerwerk nur mit Feinstaubfiltern! (Anregung der ZellerZeitung.de)

Robert Tiel
6 Jahre her
Antworten an  Heinrich Wolter

War es letztes Jahr, als eine dicke Smog Wolke tagelang über Madrid festhing?
Kurz vor Silvester zog sie endlich weiter und erreichte Deutschlands Süden pünktlich an Neujahr.
Schuld an der hohen Feinstaubkonzentration war dann aber die Knallerei.