Bänder stehen still

Freuen kann sich der Staat: Er kassiert ab September deutlich mehr KfZ-Steuern. Denn die Rufe nach »realistischen« Verbrauchswerten haben unter anderem zur Folge, dass die neuen Messverfahren einen höheren CO2-Ausstoß ergeben.

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Die Folgen der Dieselkrise erreichen die Produktionshallen. Lieferstopps allenthalben: VW hatte schon vor längerem Produktionsstopps angekündigt. Für das Werk in Emden wurden zwölf Tage Kurzarbeit beantragt. Außerdem werden die Werksferien um fünf Tage verlängert.

Bei Audi werden die Bänder in Ingolstadt und in Neckarsulm still stehen. In Neckarsulm, mit knapp 17.000 Beschäftigten einer der größten Arbeitgeber in der Region Heilbronn, sollen sogar die Werksferien um bis zu zehn Tage verlängert werden. Bei Audi in Neckarsulm trägt das Unternehmen die Hälfte der Kosten. Die produktionsfreien Tage sollen zur Hälfte über Arbeitszeitkonten der Mitarbeiter und zur Hälfte über Zeitgutschriften des Unternehmens getragen werden.

BMW stoppt ebenfalls eine Reihe von Modellen und kann einige Typen mit Benzinmotor nicht mehr liefern. Auch Daimler stoppt die Auslieferung einer Reihe von Dieselfahrzeugen. Jetzt muss sich auch Opel kritischen Fragen zu einigen seiner Euro-6-Modellen stellen. Dort soll die Software auch dafür sorgen, dass die Abgasreinigung teilweise abgeschaltet wird. Wie Bild am Sonntag berichtete, sollen weltweit 60.000 Dieselfahrzeuge der Modell Cascada, Insigna und Zafira mit der Abgasnorm 6 betroffen sein – davon 10.000 Autos aus Deutschland. Die aktuelle Produktion sei allerdings nicht betroffen.

Das wundert nicht wirklich, denn kein Hersteller weltweit war seinerzeit in der Lage, die drastisch reduzierten Normen zu erfüllen. Eine serienreife Technik gab es nicht. Jetzt ist das Problem gelöst, bei Fahrzeugen nach der Norm Euro 6 d Temp kommt aus dem Auspuff praktisch kein Feinstaub und kaum NOx heraus. Die neuen Wagen werden nach und nach die älteren ersetzen; es spricht nichts für solche Hauruck-Aktionen, wie sie überall geplant werden und zu gewaltigen Wertverlusten geführt haben.

Es muss vielmehr eine Diskussion über Sinn und Unsinn solcher Grenzwerte einsetzen. Mit Fragen der Gesundheit haben sie schon lange nichts mehr zu tun. Die Luft in unseren Städten ist in den vergangenen Jahren dank neuer Verbrennungstechnologien, Filtern an Kraftwerken und Autos sauber geworden.

Es soll der Schlüsselindustrie Deutschlands an den Kragen gehen. Interessant, sich anzusehen, wo die Politiker begeistert Fahrverbote aussprechen: in rot-grün – auch schwarz – regierten Städten oder Ländern wie Hamburg, Aachen oder Baden-Württemberg. München bemüht sich auch sehr. Die Zahl der »vorzeitigen Toten« hängt offenbar von Parteibuch und Einstellung ab.

Dies alles auch, weil sich NGOs und Abmahnvereine wie die Deutsche Umwelthilfe (DUH) auf Kosten der in der Autoindustrie arbeitenden Menschen bereichern. Sie erzählen immer noch ihre Schauermärchen von Zehntausenden von Toten aufgrund angeblich zu hoher Stickoxid-Werte. Belegt ist nichts davon.

Doch das Geschäftsmodell der DUH ist so gewinnbringend, dass DUH-Chef und Vielflieger Jürgen Resch seit einiger Zeit davon spricht, man müsse den NO2-Grenzwert von 40 µ/m3 Luft auf 20 µ/m3 verringern. Diese Werte liegen so nahe an den natürlichen Werten und haben den Vorteil, dass immer eine Überschreitung gemessen werden kann, und die DUH lauthals neues Geschrei vom Zaun brechen kann.

So werden weiterhin die DUH-Kassen gefüllt und die amerikanischen Anwälte der internationalen NGOs von »ClientEarth« zufrieden gestellt. Die haben schließlich einiges in die DUH investiert und wollen Resultate sehen. Und als zimperlich sind amerikanische Anwälte nicht gerade bekannt.

Nächster Showdown findet in Düsseldorf statt. Dort will die demokratisch durch nichts legitimierte DUH Fahrverbote zum 1. Januar 2019 durchsetzen. Am 21. August wird vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf über die Zwangsvollstreckung eines Diesel-Fahrverbotes verhandelt. Die hatte die DUH beantragt und sogar lautstark mit härteren Aktionen wie zum Beispiel Zwangshaft gegen Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) gedroht, sollte das Fahrverbot nicht kommen. Verhandelt werden dürfte hinter verschlossenen Türen vor allem über den Begriff »Verhältnismäßigkeit«, den das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts ausdrücklich einbezieht.

Aus Brüssel kommt Entlastung für Volkswagen. Der Konzern ist offenbar hinreichend gemolken. Die Europäische Kommission und die nationalen Verbraucherschutzbehörden veröffentlichten ihre Schlussfolgerungen zu der VW-Rückrufaktion. Brüssel würdigte »die Bemühungen des VW-Konzerns zur Festigung des Vertrauens in die Rückrufaktion sowie die erheblich verbesserten Verbraucherinformationen«.

Die Instandsetzungsquote liegt nun bei 80 %, und der Konzern hat sich verpflichtet, die kostenfreie Aktualisierung und die Gewähr hinsichtlich der Behebung von Problemen, die danach auftreten könnten, bis Ende 2020 fortzusetzen. Die Kommission und die Verbraucherschutzbehörden bedauerten jedoch, dass das Unternehmen für nach der Aktualisierung auftretende Probleme keine eindeutige und uneingeschränkte Gewähr bietet.

Věra Jourová, EU-Kommissarin für Justiz, Verbraucher und Gleichstellung, erklärte dazu: »Wir haben uns sehr dafür eingesetzt, dass VW gegenüber den vom Dieselgate-Skandal betroffenen Verbrauchern in der EU eine entgegenkommendere Haltung einnimmt. VW hat den mir zugesagten Aktionsplan erfüllt, mehr aber nicht. Dies macht erneut deutlich, dass in der EU strengere Vorschriften über individuelle Rechtsbehelfe und insbesondere Sammelklagen erforderlich sind.«

In ihren Schlussfolgerungen sind sich die Europäische Kommission und die Verbraucherschutzbehörden einig, dass die von Volkswagen ergriffenen Maßnahmen bisher zu positiven Entwicklungen in Bezug auf die verfügbaren Online-Informationen geführt haben. So sind inzwischen umfassende Fragen und Antworten und Videoclips zu den Gründen für die Aktualisierung, zur Art und Weise, wie man sie vornehmen lassen kann, und zu der vertrauensbildenden Maßnahme im Netz zu finden.

Andererseits gebe Volkswagen keine eindeutige und uneingeschränkte Gewähr dafür, dass die Aktualisierung die Leistung der Fahrzeuge nicht beeinträchtigt.
Die EU-Kommission weiter: »Der VW-Konzern hat sich verpflichtet, auf alle Beschwerden, die von Verbrauchern im Anschluss an die Reparatur vorgebracht werden, zu reagieren. Verbraucher, die im Zusammenhang mit der Aktualisierung Probleme feststellen, werden gebeten, sich an ihre örtlichen Händler zu wenden. Falls ihnen dort keine Hilfe gewährt werden sollte, haben sie die Möglichkeit, bei den für die Rückrufaktion zuständigen nationalen Kontaktstellen der Volkswagen-Gruppe eine förmliche Beschwerde einzulegen und ihre nationale Verbraucherschutzorganisation zu informieren.«

Freuen kann sich der Staat: Er kassiert ab September deutlich mehr KfZ-Steuern. Denn die Rufe nach »realistischen« Verbrauchswerten haben unter anderem zur Folge, dass die neuen Messverfahren einen höheren CO2-Ausstoß ergeben. Ein Teil der Kraftfahrzeug-Steuer wird nach dem CO2-Gehalt im Abgas berechnet. Der steigt auf dem Papier – und damit auch die Kosten für die Autofahrer, ohne dass sich am tatsächlichen Abgas-Ausstoß viel ändert. Denn die bisherigen Messverfahren sollten nichts als Angaben unter vergleichbaren Bedingungen liefern. Dass die nicht viel mit der Realität zu tun haben, weiß jeder.

Denn die realen Verbrauchswerte waren und sind immer abhängig vom Gaspedal des Fahrers. Drückt der mehr oder weniger aufs Pedal, verbraucht er mehr oder weniger Sprit. Nur bezahlt er jetzt deutlich mehr Steuern.


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Kommentare ( 113 )

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HPM
6 Jahre her

Die meisten Politiker oder Redakteure sind mit der Chemie oder den biologischen Wirkungen von Stickoxiden (NOx) in keiner Weise vertraut. Hier wird mehr mit Schlagworten interessenabhängig argumentiert und Grenzwerte eher willkürlich festgelegt. Welcher Grenzwert wirklich sinnvoll wäre, ist zudem durch valide prospektive Studien am Menschen bisher gar nicht untermauert sondern eher eine abgeleitete „Meinung“. Daher klaffen auch die Grenzwertdefinitionen am Arbeitsplatz und im Straßenverkehr unverständlich weit auseinander. Daß die strengen Abgasdefinitionen (genauso wie der Verbrauch) unter optimalen Prüfstandbedingungen erhoben werden und nicht der Realität im Fahrbetrieb entsprechen war den Autoverbänden und auch der Politik schon lange klar. Aber erst als… Mehr

mielforte
6 Jahre her

Was ist eigentlich, wenn die europäische Fahrzeugindustrie mit neuem Selbstbewußtsein und modernster Technologie die Bänder wieder volllastig anfährt? Es wird kommen und die Kunden in der Welt möchten gern diese modernen Autos fahren. Also was dann und wer wird es verhindern? Die eigenen Leute?

Hartholz
6 Jahre her

Schon erschreckend, was nicht alles unternommen wird, die deutsche Wirtschaft zu bremsen. Noch erschreckender zu sehen, wie bereitwillig Politiker sich dafür zur Verfügung stellen.
Dabei ähnelt das älteste Gewerbe der Welt dem Zweitältesten oft bis auf’s Haar.

Rolfo
6 Jahre her

Die Deutsche Umwelthilfe greift weitaus mehr ins tägliche Leben des Bürgers bezüglich Abgasthematiken ein als vom Wähler berufene Politiker und Parteien. Das ist ein Ungleichgewicht, das durch nichts zu rechtfertigen ist. Politische Meinungsbildung und Entscheidungen haben nicht durch Verfügungen und Abmahnungen dieses Vereins zu erfolgen.
Mein Vorschlag: Das Verbandsklagerecht killen. Ende.
Vielleicht kann man es mit einer „europäischen Harmonisierung“ begründen? Mir fällt sonst nirgendwo in Europa ein ähnlicher Tumor auf.

Hajo
6 Jahre her

Zu Bedauern sind wirklich nur die Kunden, insbesondere dann, wenn sie ein relativ neues Dieselfahrzeug finanzieren müssen und nur noch mit großen Verlusten verkaufen können schuld daran sind auschließlich die Regierenden und die Autoindustrie, denn die erstgenannten haben Abgasgrenzwerte eingeführt, die völlig unrealistisch waren und die Zweiten haben dann betrügerisch manipuliert, weil es nicht einzuhalten war. Die lachenden Dritten sind die grünen Marxisten mit ihren Unterorganisationen, die nun auf dem Prozeßweg den Käufer durch Fahrverbote abstrafen, obwohl es sich um ordentlich zugelassene Fahrzeuge durch das Kraftfahrzeugbundesamt handelt. Über allem steht eine Kanzlerin die lächelt und nicht zurücktreten will und wenn… Mehr

Old-Man
6 Jahre her

Das es nun zu Produktionsstops kommt,das Fahrverbote ausgesprochen oder vorbereitet werden,das über die Nachrüstung dieser „Achtung Sarkasmus!!“ Lebensbedrohlichen Technik gestritten wird,wen wundert das wirklich? Waren es nicht die „Automobilisten“,die den „Bescheuerten“ in der EU nicht die Rote Karte für ihre kaum zu erfüllenden Emmissionswerte zeigten? Wer mit einer solchen Wirtschaftsmacht wie gerade die Automobil Industrie nicht in der Lage ist bescheuerte Meßwerte oder Kommisare zu stoppen,der muß nicht bedauert werden. Zu bedauern sind die Millionen Käufer,die im Vertrauen zur Industrie Fahrzeuge gekauft haben,denen man lieber einen Pinocchio auf die Motorhaube geklebt hätte,oder die Mitarbeiter der Autowerke,die das Versagen der Manager… Mehr

Peter G.
6 Jahre her

„Bänder stehen still“, ich darf ergänzen: „…wenn D-U-H es will.“

giesemann
6 Jahre her

Was sind Sie doch ein böser Mensch, o Henry! Von mir einen Daumen hoch, lasse mer se reirauschen inna Sch … .

Edu
6 Jahre her

Als erstes werden in solchen Fällen die befristeten Verträge und Leih-/Werksverträge auslaufen gelassen – lediglich der Stammbelegschaft geht es besser – da kümmert sich die Gewerkschaft – die ersteren Gruppen sind meist nicht Organisiert und haben die A_Karte. Über diese redet man nicht.

Olivia
6 Jahre her

Das „oder“ können Sie getrost vergessen, Wahrheiten dürfen in diesem Land nicht mehr ausgesprochen werden. Deutschland ist zum Königreich für Lügner und Betrüger verkommen.