49-Euro-Ticket bald Geschichte – Von der „Verkehrswende“ bleibt kaum etwas übrig

Das 49-Euro-Ticket sollte eine Revolution sein. So feierte es die Ampel, als sie noch an sich selbst glaubte. Zahllose politische Niederlagen später ist davon nichts mehr übrig geblieben - bald nicht mal mehr der Preis.

picture alliance / NurPhoto | Ying Tang

Zwei Jahre ist der Sommer 2022 her. Vertretern der Ampel mag es vorkommen wie die Gute Alte Zeit. Sie hatte das 9-Euro-Ticket hat den Start gebracht, 21 Millionen Menschen griffen zu, Punks stürmten Sylt und die regierungsfreundlichen Journalisten hatten endlich etwas, das sie aufrecht feiern konnten. Die „Verkehrswende“ war geschafft. Zumal für das Ticket nicht nur der Lockpreis sprach, sondern auch, dass es einfach zu erhalten und überall in Deutschland gültig war.

Letzteres ist ein größerer Punkt, als es auf den ersten Blick scheint. Deutsche Kunden des öffentlichen Nahverkehrs haben sich daran gewöhnt, dass sie ein extra Studium brauchen, um die verschiedenen Tarife der Bahn oder der lokalen Verkehrsbetriebe verstehen oder gar für sich nutzen zu können. Doch wer schon mal am Frankfurter Flughafen gelandet ist, hat die Verzweiflung erlebt, in die Automaten der Bahn und des RMV Touristen stürzen. Mit dem Neun-Euro-Ticket galt eine simple Karte für ganz Deutschland. Das war in der Tat eine Erleichterung.

Doch von da an ging es bergab. Den Fernverkehr schloss die Bahn aus dem Ticket raus. Für einzelne lokale Angebote galt das auch. Doch richtig kompliziert wurde es, als aus dem Neun-Euro-Ticket ein 49-Euro-Ticket wurde. Jetzt konnte es nicht mehr am Schalter oder am Automaten gelöst werden. Die Interessenten mussten einen Antrag stellen, der wurde bearbeitet, mal genehmigt, mal mussten Unterlagen nachgereicht werden – wenn Deutschland ein unkompliziertes Serviceangebot einführt, endet das unweigerlich in Papierkrieg. Der wurde noch komplizierter, weil einzelne Bundesländer 29-Euro-Tickets unterhalb des 49-Euro-Tickets anboten.

Die Nachfrage für das Neun-Euro-Ticket war gigantisch. Doch ein entscheidender Fakt entging Politikern und Journalisten der Ampel in ihrer Euphorie: Drei Monate gab es das Neun-Euro-Ticket. Doch schon in dieser kurzen Zeit und während der Lockpreis noch galt, ging das Interesse von 21 auf 14 Millionen Käufer im Monat zurück. Die „Verkehrswende“ war damit mitnichten gelungen. Denn von diesen 14 Millionen Käufern waren rund zehn Millionen Bestandskunden. Das heißt Menschen, die bereits vorher Dauerkarten für den öffentlichen Nahverkehr besessen hatten. Das sollte für die Finanzierung entscheidend werden.

Die Idee des „Deutschland-Ticket“ war es, dass der niedrige Preis neue Kunden lockt. Die Mehreinnahmen durch sie sollten den niedrigeren Preis für die Bestandskunden finanzieren. Das ging gehörig schief. Ein Rechenbeispiel: In Berlin kostete die Monatskarte vor Einführung des 49-Euro-Tickets 84 Euro für die Innenstadt. Bestandskunden sparten mit dem neuen Angebot also 35 Euro im Monat.

Nun haben das 49-Euro-Ticket nur noch elf Millionen Menschen abonniert. Davon zehn Millionen Bestandskunden. Zusätzlichen Einnahmen von rund 50 Millionen Euro im Monat stehen also deutlich höhere Einkommenseinbußen für die Verkehrsbetriebe entgegen. Rechnet man konservativ und sagt, die Bestandskunden sparen im Monat durchschnittlich 25 Euro durch das 49-Euro-Ticket ein, dann fehlen den Verkehrsbetrieben 250 Millionen Euro im Monat. 3 Milliarden Euro im Jahr. Wohlgemerkt. Konservativ gerechnet.

Der Traum der Ampel, dass sich mit zusätzlichen Kunden und zusätzlichem Geld das Angebot an öffentlichem Nahverkehr ausbauen ließe, hat sich als eben das erwiesen: als Traum. Die Realität sieht noch nicht mal Stillstand vor: 1,5 Milliarden Euro zahlt der Bund den Verkehrsvertrieben für das „Deutschland-Ticket“. 2,4 Milliarden Euro beträgt ihr Einnahmedefizit durch das Ticket. Konservativ gerechnet. Wohlgemerkt. Das bedeutet, dass es nicht nur keine zusätzlichen Angebote gibt. Sondern, dass sich die bestehenden kaum halten lassen. Mancher Verkehrsbetrieb steht vor dem Aus.

Der Dachverband der Verkehrsbetriebe, der VDV, ist frustriert. Diese Woche haben sich die Verkehrsminister der Länder mit dem Verkehrsminister des Bundes, Volker Wissing (FDP) getroffen. „Die Finanzierung des Deutschland-Tickets durch den Bund bleibt ungewiss“, zieht der VDV als Fazit. Zentrale Fragen würden erst Ende des Jahres geklärt. Aber nicht dieses Jahres. Auch nicht nächsten Jahres. Sondern Ende 2026. Verspricht ein FDP-Minister schnell und zügig, dann baut er in ein Verfahren mehr Zwischenschritte ein, als es Wähler gibt, die seiner Partei den Willen zum Bürokratie-Abbau glauben. So will Wissing den Betrieben versprochene 350 Millionen Euro erst zahlen, wenn die Länder „Verwendungsnachweise für die Regionalisierungsmittel für das Jahr 2025 vollständig und fristgerecht“ eingereicht haben. Der Stichtag dafür ist der 30. September. Wohlgemerkt: 2026.

Dass es bald kein 49-Euro-Ticket mehr geben wird, ist sicher. Ob es dann 59 Euro oder gleich 69 Euro kostet, ist indes noch unklar. Im Umfeld des Verkehrsministeriums in der Berliner Invalidenstraße rechnen alle damit, dass der Preis schon zum Jahreswechsel steigt – spätestens aber im Laufe des nächsten Jahres. Dann ist das Ticket nur noch für die interessant, die schon vor 2022 eine Dauerkarte hatten. Allerdings konnten sie diese früher am Automaten oder am Schalter lösen. Für das „Deutschland-Ticket“ müssen sie angemeldet sein. Die Ampel hat ihnen eine Revolution versprochen, ein Lockangebot vor die Nase gehalten, aber die Bürokratisierung auch dieses Lebensbereiches geliefert.

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Kommentare ( 53 )

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A.Kroemer
1 Monat her

Mein Gott, ich kann dieses Gejammere wirklich nicht mehr hören! Wer kann denn bitteschön ein Auto für monatlich 49,– € nutzen? Im Übrigen sind diejenigen wieder vom Angebot abgesprungen, weil die Pünktlichkeit der Bahn sich deshalb nicht verändert hat und auch die Zugausfälle nicht weniger wurden; auch wurden nicht mehr Waggons eingesetzt. Wer täglich zwei Stunden zusätzlich einkalkulieren muss, weil die Bahn nach wie vor unzuverlässig ist, hat schnell kein Interesse mehr. Das Problem mit der Bahn fing mit der Privatisierung an und der vollkommen wirren Idee, mit der Bahn Geld verdienen zu können. Der Zug- und Busverkehr kann ohne… Mehr

A rose is a rose...
1 Monat her

Eigentlich wäre es üblich, v o r Einführung eines solchen äußerst kostspieligen Angebotes, eine aussagekräftige Kosten-Nutzen-Rechnung zu erstellen. Aber das ist offenbar, ebenso wie die vormals notwendigen Umweltgutachen vor großen Bauvorhaben, besonders in Wald- und Naturschutzgebieten (Stichwort „Windkraftwerke“), inzwischen abgeschafft worden. Denn der Staat irrt ja bekanntlich nicht.

Der Ingenieur
1 Monat her

Das 49-Euro-Ticket ist nicht die Ursache des finanziellen Desasters, sondern das woke Bestreben der politisch gesteuerten Verkehrsbetriebe, Teil der „Verkehrswende“ zu sein. Sprich, – nur noch E-Busse einzukaufen. Die sind nicht nur doppelt so teuer wie Diesel-Busse (was bisher der Steuerzahler zahlen musste, die Subventionen laufen jetzt aber aus), sondern weil sie natürlich genauso praxis-untauglich sind wie E-Autos: Die Reichweite ist sehr gering, – erst Recht im Winter und im Sommer, weil die leistungsstarke elektrischen Heizungen und die elektrisch betriebenen Klimaanlagen zusätzlich enorm viel Strom fressen. Da eine Batterieladung nur für einen halben Tag reicht, benötigt man doppelt so viel… Mehr

ESC-Gast
1 Monat her

Das mit dem 49-Euro-Ticket und der Verkehrswende ist alles nur Augenwischerei.
In München fehlt seit Jahrzehnten ein Teilstück des Autobahnrings, dadurch jeden Tag massenhaft Stau und Abgase auf dem Mittleren Ring. Für fast 1 Mrd. Euro wird eine U-Bahn verlängert, die parallel zu Tram und S-Bahn fährt und deshalb auch nicht vom Bund bezuschusst wird. Auf der anderen Seite wird eine wichtige Kernverbindung, die dem ganzen Tramnetz zugute kommen würde, von der bayr. Regierung blockiert. Ein Trauerspiel.

Liberalo
1 Monat her

Ich kenne im Bekanntenkreis nur ein paar Beamte, die das Ticket in der Stadt abonniert haben. Vor einigen Jahren mussten sie selbst über 90 EUR monatlich im Jahresabo dafür zahlen, jetzt nutzen sie das 49 EUR Ticket und kassieren dafür seit 2023 noch zusätzlich eine steuerfreie Beförderungspauschale vom Bundesland i.H.v. 29 EUR pro Monat – finanziert wiederum vom Steuerzahler. Grundsätzlich sind sie aber alle der Meinung, der Staat (also der Steuerzahler…) müsste ihnen den ÖPNV eigentlich vollkommen kostenlos zur Verfügung stellen. Gleichzeitig fordern sie vehement mindestens 3 Tage die Woche Homeoffice bei paraleller Einführung der 4-Tage-Woche. Das 49 EUR beabsichtigt… Mehr

Hieronymus Bosch
1 Monat her
Antworten an  Liberalo

Für den deutschen Beamten ist dieser Staat ein Selbstbedienungsladen! Es beginnt mit der Arbeitszeit, Überstunden müssen in der Regel angeordnet werden, und endet mit den Pensionen! Handaufhalten, heißt die Devise!

Madame Blume
1 Monat her

Ich habe eine wichtige Frage: Warum muss ein Ticket, das monatlich kündbar ist, als Abo abgeschlossen werden? Die „Planbarkeit“ für die Verkehrsbetriebe kann es nicht sein, dann hätte man das D-Ticket für einen Zeitraum von mindestens 12 Monaten nehmen müssen, DAS wäre Planbarkeit. Ein Ticket, das man nach 1 Monat wieder kündigen kann, kann man doch genauso gut am Automaten ziehen, ohne Abo, ohne Angabe von personenbezogenen Daten und Bankdaten? Was passiert mit den Bankdaten? Wo werden die gespeichert? Wie lange werden die gespeichert, wenn man das D-Ticket nach 1 Monat abbestellt? Warum werden die Daten zu den gefahrenen Haltestellen… Mehr

Wolfram_von_Wolkenkuckucksheim
1 Monat her

Einen Gedanken habe ich schon seit Monaten: Kann es sein, dass das 49-€-Ticket auch eine Art Antifa-Subventionierung ist? Die können nun kostengünstig quer durch die Republik und Randale veranstalten.

Innere Unruhe
1 Monat her

Das ist Subventionierung von Alleinstehenden.
Eltern können keine Kinder mit dem Ticket mitnehmen…
In der Konsequenz haben wir unser Stadt-Abos und kaufen Tickets einzeln, wenn wir mit der Regionalbahn verreisen….

Wolfram_von_Wolkenkuckucksheim
1 Monat her

Ich habe zwar auch ein Ticket, mir ist aber klar, dass es ordnungspolitisch ein Desaster ist. Es kann nicht funktionieren. Ich kenne aber Leute, die meinen: „49 € sind immer noch zu viel.“ – Da wird nicht drüber nachgedacht, ob so ein System halbwegs kostendeckend sein kann. Und die 9-€-Ticket-Saison war ja noch schlimmer: Die Züge waren rappelvoll und man froh, wenn man auf einer Treppenstufe sitzen konnte. Dass Preise Lenkungswirkung haben und dass man sich um Lenkungswirkungen bringt, wenn man so ein Ticket hat, daran denken solche Leute doch gar nicht. Ich nutze das Ticket für meine monatlichen Harz-Reisen… Mehr

schwarzwaldmaedel
1 Monat her

Man möchte eigentlich nur, dass mal eine Maßnahme der Ampel gelingt. Genau so wird es wohl mit den ausländischen Mitarbeitern gehen, die weniger Steuern zahlen sollen. Ich denke, dass das gerichtlich gekippt wird. Prämien für Bürgergeldbezieher, wenn sie wieder arbeiten. Kreuz und quer. Nichts durchdacht.

Joe4
1 Monat her

Das 9€-Ticket war schon eine Spinnerei. 29€/Monat als begrenzte Corona-„Entschädigung“ hätten auch einen Anreiz, Bus und Bahn zu benutzen, bedeutet. Das stark subventionierte 49€-Ticket belastet unnötig den Steuerzahler. Man hätte besser zwei Bezahlstufen einführen sollen: Regional und Deutschland gesamt mit unterschiedlichen Preisen. Für den Nahverkehr z. B. 49€, alles Weitere deutlich teurer. Vergünstigungen für Rentner und für Schüler.