Weltweite Handelsliberalisierungen und Freihandelsabkommen dürften zweifelsohne das Wachstum des Welthandels unterstützen. Aber Strukturreformen und zugleich expansive Fiskalpolitik und expansive Geldpolitik passen nicht zusammen. Von Norbert F. Tofall
Weltweit wird versucht, Wirtschaftswachstum durch Niedrig- und Negativzinsen sowie durch unkonventionelle geldpolitische Maßnahmen zu erzeugen. Ob USA oder China, Europa oder Japan oder anderswo, überall werden niedrige Zinsen als Heilmittel für Wachstum und Konjunktur angesehen. Ein Investitionsboom ist aber trotzdem nirgendwo zu erkennen. Nach wie vor ist überall von Investitionsschwäche die Rede.
Ende September haben sowohl der Internationale Währungsfonds (IWF) als auch die Welthandelsorganisation (WTO) auf das verlangsamte Wachstum des Welthandels seit 2012 hingewiesen. Der IWF führt im 2. Kapitel seines World Economic Outlook aus, „that the overall weakness in economic activity, in particular in investment, has been the primary restraint on trade growth, accounting for up to three-fourths of the slowdown.”
- Laut IWF ist die weltweite Investitionsschwäche maßgeblich für das verlangsamte Wachstum des Welthandels verantwortlich.
- Der IWF sieht die besondere Notwendigkeit für eine schuldenfinanzierte expansive Fiskalpolitik, um weltweit die Nachfrage zu beleben. Eine daraus folgende Konjunkturüberhitzung mit höheren Inflationsraten sollen die Zentralbanken hinnehmen.
- Der IWF erörtert leider nicht, dass die von ihm festgestellte weltweite Investitionsschwäche auf die verhinderte Bereinigung der Finanzkrise zurückzuführen ist.
Der IWF sieht die Gefahr, dass das verlangsamte Wachstum des Welthandels und deflationäre Entwicklungen in eine Abwärtsspirale aus noch größerer Verschuldung, Arbeitslosigkeit und stagnierendem Wirtschaftswachstum führen könnten. Notwendig sei, dass Länder mit Verschuldungsspielraum diesen nutzten, um durch entsprechende Ausgabenprogramme die Nachfrage anzuregen. Zudem müßten Strukturreformen eingeleitet werden.
Da das Vertrauen in die Zentralbanken schwinde, die Inflation an Gang zu bekommen, sei eine expansive Fiskalpolitik besonders notwendig. Eine daraus folgende Konjunkturüberhitzung solle von den Zentralbanken hingenommen werden, weshalb sie ihre Geldpolitik weltweit koordinieren sollten. Darüber hinaus müssten weltweit Handelshemmnisse und der seit 2008 verstärkt zu beobachtende Protektionismus zurückgedrängt werden.
Weltweite Handelsliberalisierungen und der Abschluß von Freihandelsabkommen dürften zweifelsohne das Wachstum des Welthandels unterstützen. Es stellt sich jedoch die Frage, inwiefern die Forderung nach Strukturreformen einerseits mit den Forderungen nach expansiver Fiskalpolitik und weiterhin expansiver Geldpolitik andererseits zusammenpassen sollen.
Seit der Krise verhindern Regierungen und Zentralbanken Reformen durch unvereinbare Ratschläge
Da Strukturwandel mit schöpferischer Zerstörung verbunden ist, sind Konjunktureinbrüche und Anpassungsrezessionen in der Regel unvermeidlich. Aber seit Ausbruch der Finanzkrise 2007/2008 verhindern Regierungen und Zentralbanken genau diese Anpassungsrezessionen durch Niedrig- und Negativzinsen und unkonventionelle geldpolitische Maßnahmen. Sie fordern zwar Wachstumsinitiativen und Investitionsoffensiven und beklagen das Produktivitätsdesaster, bereinigende Konjunktureinbrüche und Anpassungsrezessionen sollen aber verhindert werden. Weltweit folgt man der Illusion, man könne eine Finanzkrise ohne Bereinigung überwinden.
Nur wer in dieser Illusion gefangen ist, wundert sich über die weltweite Investitionsschwäche, die kaum noch wachsende Produktivität und die Wachstumsschwäche des Welthandels. Anstatt die Wachstumsschwäche des Welthandels als weiteren Beleg für eine fortschreitende Japanisierung der Weltwirtschaft zu deuten, fordert jetzt nicht nur der IWF von den Regierungen eine expansive Fiskalpolitik zur Nachfragebelebung. Neue Stimuli für Wachstum und Investitionen müssten generiert werden.
Die erhöhten Staatsausgaben zur Nachfragebelebung sollen über neue Staatsschulden finanziert werden. Da hohe Staatsschuldenstände aber nur bei Niedrig- und Negativzinsen tragbar sind, wird eine Bereinigung der Finanzkrise weiterhin verhindert. Eine anhaltende private Investitionsschwäche und wirtschaftliche Stagnation werden die Folge sein. Die Japanisierung der Weltwirtschaft geht in die nächste Runde.
Wann diese Abwärtsspirale durch die systemimmanenten Sollbruchstellen unseres Kreditgeldsystems aufgehalten wird, ist offen. Wenn die Bürger und Anleger weltweit nicht nervös werden, kann unser Kreditgeldsystem durch unkonventionelle Maßnahmen der Geldpolitik und ewige Null- und Negativzinsen noch sehr lange über Wasser gehalten werden. Die beabsichtigten Wirkungen dieser Zentralbankpolitik werden jedoch immer geringer.
Leider nimmt dies der IWF nicht zum Anlass, sich dem Problem zu stellen, dass unter den Bedingungen von geldpolitisch verzerrten Preisen die Wahrscheinlichkeit von Realkapitalverzehr steigt. Dieser realen Handlungsbeschränkung kann letztlich niemand ausweichen. Es ist unter Globalisierungsbedingungen zwar möglich, das harte Greifen dieser realen Handlungsbeschränkung zeitlich zu verzögern und räumlich zu verlagern und diesen Prozess durch Abwertungswettläufe zu stützen. Die reale Handlungsbeschränkung und das ökonomische Gesetz können jedoch durch unkonventionelle Maßnahmen der Geldpolitik und Zinsmanipulationen der Zentralbanken auch unter Globalisierungsbedingungen nicht außer Kraft gesetzt werden, was die weltweite Investitionsschwäche, das geringe Produktivitätswachstum und die Wachstumsschwäche des Welthandels mehr als deutlich belegen.
Es ist an der Zeit, dass sich der IWF dieser fortschreitenden Japanisierung der Weltwirtschaft entgegenstellt.
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