Verkaufswelle ist eine gerade viel verwendete Vokabel am Markt. Die Jahreszeit passt, der Oktober war immer schon ein Monat, der gern mal Turbulenzen mit sich brachte.
Wirft man einen Blick auf das große Ganze, so gibt es gute Gründe für Investoren, ein wenig Risiko loszuwerden und zu verkaufen. Vor allem die Preisentwicklung bei vielen Rohstoffen und inbesondere auf dem Energiesektor schlägt Betrachtern auf den Magen. Steigende Preise erhöhen den Druck auf die Notenbanken, die Zinsen anzuheben, das ist schlecht für Aktienkurse. Hinzu kommen die verstörenden Meldungen aus Chinas Immobilienbranche, wo nach dem Krimi um den Projektentwickler Evergrande nun die nächsten Dramen anrollen. Anleger sind verunsichert, die Kursschwankungen nehmen zu. Charttechnisch leuchteten Warnlampen auf, als der DAX Anfang der Woche kurzzeitig unter die 200-Tage-Linie fiel, er fing sich aber wieder. Vieles mahnt gerade zur Vorsicht — dennoch ist es nicht die Zeit zur Flucht aus Aktien.
Der Dax landete am Freitag nach einigen kleinen Hüpfern mehr oder weniger wieder bei seinem Stand vom Vortag und lag 0,1 Prozent tiefer bei 15.250 Punkten. Der EuroStoxx50 trat bei 4.099 Punkten auf der Stelle.
Für Unruhe an den Märkten sorgten zum Wochenschluss vorallem die explodierenden Energiekosten. Die Angst vor einer weltweiten Energieknappheit trieb die Ölpreise in die Höhe. Die Nordseesorte Brent verteuerte sich um ein Prozent auf 82,75 Dollar je Fass. US-Leichtöl WTI stieg um 1,2 Prozent auf 79,22 Dollar je Barrel. Brent war so teuer wie seit drei Jahren nicht mehr gewesen.
Das Ölangebot bleibe knapp, schreibt Commerzbank-Analystin Babara Lambrecht. „Das liegt zum einen an den zuletzt hohen (ungeplanten) Produktionsausfällen, zum anderen an der OPEC+, die sich weiter starr an ihren Plan hält und ungeplante Ausfälle nicht abfedert.“ Die großen Erdöl-Förderländer hatten am Montag mitgeteilt, sie würden wie geplant im November die Quoten um monatlich 400.000 Barrel pro Tag anheben. Zu der Opec+-Gruppe zählen neben den Mitgliedern des Exportkartells weitere Förderländer wie Russland.
Am deutschen Aktienmarkt machte die Adler Group von sich reden. Nach dem Kurseinbruch nach einer kritischen Studie des Leerverkäufers Fraser Perring sicherte sich Deutschlands größter Wohnungsvermieter Vonovia eine Kaufoption für 13,3 Prozent an der Adler Group, der rund 70.000 Wohnungen in Berlin und Norddeutschland gehören. Adler-Aktien konnten anfängliche Kursgewinne aber nicht halten und lagen zuletzt rund zwei Prozent im Minus. Seit dem Jahresbeginn haben die Papiere rund 60 Prozent verloren.
Die mit Spannung erwarteten Jobdaten aus den Vereinigten Staaten lieferten der Wall Street am Freitag keine richtungweisenden Impulse mehr. „Dieser Arbeitsmarktbericht wird den Notenbankern Kopfzerbrechen bereiten“, kommentierte Portfolio-Manager Thomas Altmann vom Vermögensverwalter QC Partners. „Eine Arbeitslosenquote auf Jahrestief und neue geschaffene Stellen ebenfalls auf Jahrestief passen nicht so recht zusammen.“ Die Ampel für den Start des Taperings, also zur Reduzierung der expansiven geldpolitischen Maßnahmen, bleibt ihm zufolge „weiter auf gelb“.
Der Dow Jones Industrial pendelte zwischen kleinen Gewinnen und Verlusten und schloss letztlich mit minus 0,03 Prozent bei 34.746 Punkten. Im Wochenverlauf hat der bekannteste Wall-Street-Index damit 1,2 Prozent hinzugewonnen. Der marktbreite S&P 500 sank um 0,2 Prozent auf 4.391 Punkte. Der technologielastige Nasdaq 100 büßte 0,5 Prozent auf 14.821 Punkte ein.
Altmann hält es angesichts der uneinheitlichen Signale, die der US-Arbeitsmarktbericht sendet, für gut möglich, dass die US-Notenbank (Fed) ihre Tapering-Bekanntgabe in den Dezember verschiebt. Helaba-Volkswirt Ulrich Wortberg und auch sein Kollege Dirk Chlench von der LBBW indes sehen keinen Grund dafür. Abgesehen von der Arbeitslosenquote verweist Wortberg dabei vor allem auf den fortgesetzten Anstieg der Stundenlöhne, der die Inflationssorgen vergrößern könne.
Im September waren außerhalb der Landwirtschaft in den Vereinigten Staaten nur 194.000 neue Stellen geschaffen worden, während Fachleute mit einer halben Million gerechnet hatten. Die Arbeitslosenquote allerdings fiel zugleich auf 4,8 Prozent und damit weitaus deutlicher als erwartet. Stärker als erwartet fiel die Lohnentwicklung aus.
Unter den Einzelwerten gab es nur wenige Unternehmen, die in den Blick rückten. Im Dow zählten unter anderem die Aktien von der Baumarktkette Home Depot zu den größten Verlierern mit minus 0,9 Prozent.
Zulegen konnten dagegen die Ölwerte. Chevron waren dabei Spitzenwert im Dow mit plus 2,2 Prozent und im S&P legten ConocoPhilips an der Index-Spitze um 4,8 Prozent zu. ExxonMobil gewannen 2,5 Prozent.
Während in Berlin die Ampel für die Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP auf Grün steht, sehen die Bundesbürger in finanzieller Hinsicht schwarz — nicht nur was die Belastungen durch die Energiepreise, sondern auch was ihren materiellen Status im Ruhestand betrifft. Das zeigt der aktuelle Altersvorsorge-Index des Deutschen Instituts für Vermögensbildung und Alterssicherung (DIVA). Am eklatantesten fällt der Vertrauensschwund bei der gesetzlichen Altersvorsorge aus: 58,5 Prozent der Befragten und damit knapp fünf Prozentpunkte mehr als im Vorjahr gehen davon aus, dass sich das Versorgungsniveau in den nächsten zehn bis 20 Jahren verschlechtern wird. „Bei den Bürgern steigt das Bewusstsein, dass die gesetzliche Rente ohne schmerzhafte Anpassungen bei Eintrittsalter, Rentenhöhe und Beitragssatz nicht länger finanzierbar sein wird“, so Michael Heuser, Wissenschaftlicher Direktor des DIVA.
Wenn – wie aktuell – Inflation und Zinsen steigen, setzen Investoren vermehrt auf Value-Titel (werthaltige Aktien), etwa aus dem Finanzsektor, die meist günstiger zu haben sind als Growth-Titel (Wachstumsaktien), etwa aus der Techbranche. Die LBBW hat analysiert, ob es derzeit attraktiver wäre, sich Value-Titel aus den USA oder Europa ins Depot zu legen. Ergebnis: Absolut gesehen sind US-Value-Titel mit einem KGV von 15,9 eher hoch bewertet — der historische Durchschnitt seit 2006 liegt bei 13,7. Europäische Value-Titel sind deutlich günstiger: Hier liegen „zwar keine aggregierten Daten wie bei den US-Titeln vor. Der gesamte Stoxx 600 ist jedoch ungefähr so hoch bewertet wie der S & P 500 Value“, so die LBBW, „unter Value-Aspekten dürfte man daher in Europa deutlich günstigere Anlagemöglichkeiten finden.“ Wer sich als Privatanleger europäische Value-Werte ins Depot holen will, könnte auf den iShares Edge Deka -Europe Strong Value 20 ETF (ISIN: DE 000 ETF L04 5) setzen, der seit Jahren sehr gute Ergebnisse aufweist.
Gute Nachrichten von der Welthandelsorganisation (WTO), der zufolge der globale Warenaustausch wieder über dem vor Ausbruch der Corona-Pandemie erreichten Niveau liegt. Er wachse in diesem Jahr um 10,8 Prozent, sagte die WTO am Montag in Genf voraus. Im März war sie nur von acht Prozent ausgegangen. Für 2022 wurde die Prognose für das Wachstum des Welthandels von 4,0 auf 4,7 Prozent angehoben. Im vergangenen Jahr war er nach dem Ausbruch der Pandemie um 5,3 Prozent eingebrochen. Zugleich nummr aber die Angst vor schwerwiegenden Verwerfungen im globalen Handel zu.
So warnte vergangene Woche die Transportbranche vor einem Zusammenbruch der weltweiten Lieferketten, da Matrosen und Lastwagenfahrer nach der Corona-Krise stark überlastet seien. „Alle Sektoren des Transports leiden unter zu wenigen Arbeitskräften. Weil Millionen von ihnen während der Pandemie schlecht behandelt wurden, dürften wohl noch mehr gehen und damit die Lieferketten weiter unter Druck bringen“, meint Guy Platten, Generalsekretär der Internationalen Schifffahrtskammer.
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