Das war am Dienstagabend ein rechter Paukenschlag. Die amerikanische Zentralbank (FED) schliesst nicht aus, den Leitzins noch in diesem Monat um einen halben Prozentpunkt anzuheben. Im Fokus blieben die Entwicklungen rund um die Silicon Valley Bank.
FED-Chef Jerome Powell sagte bei seinem routinemäßigen Auftritt vor dem Bankenausschuß des Senats: „Die jüngsten Wirtschaftsdaten sind besser ausgefallen als erwartet, was darauf hindeutet, dass das endgültige Zinsniveau wahrscheinlich höher ausfallen wird als bisher angenommen. Sollte die Gesamtheit der Daten darauf hindeuten, dass eine schnellere Straffung gerechtfertigt ist, wären wir bereit, das Tempo der Zinserhöhungen zu steigern.“ Rumms. Damit wären die Hoffnungen der Anleger an den Finanzmärkten geplatzt, wo man nur noch mit geringen Zinserhöhungen rechnete.
Entsprechend eindeutig fielen die Reaktionen aus. An der Wall Street sackte der Kurs des S&P-500-Indexes innerhalb weniger Minuten um 1,5 Prozent, am Bondmarkt sprang die Rendite der Staatspapiere mit einer Laufzeit von zwei Jahren erstmals seeit knapp 16 Jahren wieder über die Fünfprozentmarke.
Powell deutete zudem an, dass die FED Mühe habe, die amerikanische Wirtschaft genügend abzukühlen, um die fortdauernde Inflation unter Kontrolle zu bekommen. Der Notenbankpräsident parierte alle Vorwürfe, die Institution übertreibe bei der geldpolitischen Straffung. Elizabeth Warren, die progressive Demokratin aus Massachusetts, warf ihm vor, „mit dem Leben der Menschen zu spielen“, und fragte, ob die vom Verlust ihres Arbeitsplatzes bedrohten Amerikaner dies einfach „ertragen“ sollten. Daraufhin antwortete Powell relativ schroff mit der Gegenfrage: „Wird es den arbeitenden Menschen bessergehen, wenn wir unsere Arbeitsplätze einfach aufgeben und die Inflation über sechs Prozent verharrt?“ Es sei besser, wenn die Arbeitslosigkeit leicht steige, als wenn die Kaufkraft der gesamten Bevölkerung dauerhaft durch hohe Preissteigerungen geschmälert werde. In einem Umfeld mit hohen Inflationsraten drohe die Planungssicherheit der Unternehmen verlorenzugehen. Und weiter: Die „sozialen Kosten eines Scheiterns“ bei der Bekämpfung der Inflation seien „sehr, sehr hoch“.
Die Sorgen um das US-Finanzsystem hielten die Wall Street auch am Freitag weiter fest im Griff. Nach einem kurzen Stabilisierungsversuch im frühen Handel knüpften die wichtigsten Indizes an ihren jüngsten Kursrutsch an und schlossen jeweils mehr als ein Prozent im Minus. Die Furcht vor Kreditausfällen im Bankensektor hatte sich zuletzt verstärkt, nachdem Bemühungen zur Rettung des angeschlagenen Instituts Silicon Valley Bank vorerst gescheitert waren. Der Leitindex Dow Jones Industrial fiel um 1,1 Prozent auf 31.910 Punkte. Auf Wochensicht ergibt dies ein Minus von 4,4 Prozent. Für den marktbreiten S&P 500 ging es am Freitag um 1,5 Prozent auf 3.862 Zähler nach unten. Der technologielastige Nasdaq 100 fiel um 1,4 Prozent auf 11.830 Punkte.
Im Fokus blieben die Entwicklungen rund um die Silicon Valley Bank. Am Donnerstag war bekannt geworden, dass der Finanzierer kleiner und mittlerer Tech- und Biotech-Unternehmen zur Abfederung von Verlusten aus dem Portfolio eine Kapitalerhöhung in Milliardenhöhe benötigt. Doch die Verhandlungen darum sind offenbar erst einmal gescheitert: Am Freitag wurde die Silicon Valley Bank vorübergehend geschlossen und unter staatliche Kontrolle gestellt. Technologiefirmen leiden besonders unter den aktuell hohen Zinsen, weil sich dadurch ihre Refinanzierung erschwert. Zudem besteht die Gefahr, dass Kredite nicht mehr bedient werden können. Ein hohes Zinsniveau drückt zudem auf die Bewertung der Unternehmen, da in einem solchen Umfeld die für die Zukunft in Aussicht gestellten Gewinne aus heutiger Sicht weniger wert sind. Kunden der Silicon Valley Bank aus der Tech-Branche hatten nun zuletzt Einlagen abgezogen, weil sie selber Liquidität benötigten.
Im Dow fielen die Anteilscheine von Goldman Sachs um 4,2 Prozent. Als Schlusslicht im S&P 500 brachen die Papiere der Signature Bank um 22,9 Prozent ein. Nur JPMorgan stemmten sich gegen den Trend und stiegen um 2,5 Prozent.
Am Dow-Ende sackten die Papiere des Baumaschinenherstellers Caterpillar nach einem skeptischen Analystenkommentar der schweizerische Großbank UBS um 5,8 Prozent ab. Das Ausmaß, mit dem sich das Wachstum abschwäche, werde von Anlegern unterschätzt, schrieb der Experte Steven Fisher.
Der Euro zog an und notierte zuletzt bei 1,0637 US-Dollar.
Die wieder angefachten Inflations- und Zinsängste hatten zuvor schon den DAX deutlich belastet. Der deutsche Leitindex verabschiedete sich 1,3 Prozent tiefer bei 15.428 Punkten ins Wochenende. In der zweiten Börsenreihe büßte der MDAX am Freitag 1,6 Prozent auf 27.999 Punkte ein.
Banken waren auch in Europa das Schlusslicht im Branchenvergleich. Die Aktien der Deutschen Bank büßten 7,4 Prozent ein und hielten im DAX die rote Laterne. Die Anteile der Commerzbank gaben um 2,6 Prozent nach. Für die Papiere des Nutzfahrzeugherstellers Daimler Truck ging es um 4,5 Prozent abwärts. Der Konzern nimmt sich nach einem guten Lauf im vergangenen Jahr auch für 2023 viel vor. Nach gutem Lauf – die Papiere hatten vor wenigen Tagen das höchste Niveau seit mehr als einem Jahr erreicht – half es aber nicht mehr, dass die Ziele über den Erwartungen lagen. Anleger nahmen im schwachen Marktumfeld Gewinne mit.
Nach einer Abstufung durch Morgan Stanley gerieten die Papiere von Kion im MDAX als zweitgrößter Verlierer mit fünf Prozent unter Druck. Analyst Ben Uglow sieht erst mittelfristig wieder Kurspotenzial für die Aktien des Gabelstapler-Herstellers. Kurzfristig ist er angesichts der deutlich auseinander gedrifteten Preis- und Volumina-Entwicklung vorsichtig gestimmt.
Im SDAX gab es einige heftige Kurseinbrüche: Die Anteile des Finanzdienstleisters Hypoport sackten dort um 17,2 Prozent ab und jene des Diagnostikspezialisten Stratec um 13,5 Prozent. In beiden Fällen wurden enttäuschende Geschäftsziele dafür verantwortlich gemacht. Im Falle von Hypoport sprachen Händler gar von einem „desaströsen“ Ausblick. Das Unternehmen bekommt die derzeitige Lage in den Finanz- und Immobilienbranchen stark zu spüren.
Am Rentenmarkt fiel die Umlaufrendite von 2,77 Prozent am Vortag auf 2,61 Prozent.
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Bekommt eigentlich irgend jemand in Deutschland mit, dass gerade die wichtigste kalifornische „Silicon Valley Bank“ Konkurs angemeldet hat und daraufhin die Signature Bank „geschlossen“ wurde und dass das ganze Wochenende an einer Strategie zur Eindämmung dieser Finanzkrise seitens der FED und Treasury bzw. Stopp des Bank runs gearbeitet wurde?
Dabei wird sicherlich das rate Hiking auf 0,25 % begrenzt, damit nicht auch andere Banken in Schieflage geraten.
Sieht nicht so aus! Ich staune auch. Bei der Fed. war am WE zu Recht Alarmstimmung angesagt, aber hier heute nichts. Allerdings vielleicht nicht schlecht je gelassener desto ….
Ich kann mich nur über die Naivität vieler Börsianer oder Kommentatoren wundern. Denn selbstverständlich wird die FED weiter erhöhen. Aber nicht wegen der Inflationsrate, sondern weil der US Dollar verteidigt werden muss gegen die Angriffe vom eurasischen Kontinent. Auch geopolitisch ist eine „kontrollierte Rezession“ durchaus im amerikanischen Sinne.