US-Börsen in Rekordlaune

Glücksgefühle dürften die vergangenen Handelstage bei dem einen oder anderen Aktienanleger ausgelöst haben. Der Oktober hat keineswegs die von manchen gefürchtete große Korrektur, geschweige denn einen Crash gebracht, der Börsenmonat zeigte sich von seiner sonnigen Seite.

© Getty Images

Die großen US-Indizes rennen, der industrienahe Dow Jones wie auch der breite S & P 500 markierten neue Rekordstände. Auch die technologielastige Nasdaq hat die Risk-off-Phase von vor gut drei Wochen längst ausgebügelt, als Anleger wegen der Inflationsängste und Sorge vor steigenden Zinsen die riskanten Techs aus den Depots warfen. Der Tech-Index strebt vielmehr zu bislang unerreichten Höhen. Börsianer verdrängen gegenwärtig Inflation und Zinssorgen und blicken auf die Bilanzsaison, in der sich viele Unternehmen vor dem Hintergrund der weltweiten Lieferengpässe wacker schlagen. Unerwartete Highlights wie der Megadeal des Elektropioniers Tesla mit Vermieter Hertz hoben die Stimmung. Mit Verspätung, dann jedoch überzeugt, reagierte der Markt auf Superbilanzen wie die von Microsoft. Ungebremst dürfte die Sause aber kaum weiterlaufen.

Am Freitag griffen die Anleger an den US-Börsen aber erst einmal weiter zu. Enttäuschende Quartalsberichte von Apple und Amazon beunruhigten letzten Endes nicht groß. Anfangs kam es zwar im Tech-Sektor zu Gewinnmitnahmen, der NASDAQ 100 drehte schließlich klar ins Plus und schaffte an seinem fünften Gewinntag in Folge einen weiteren Rekord. Der technologielastige Auswahlindex schloss 0,5 Prozent höher bei 15.850 Punkten und damit fast auf Tageshoch. Er verbuchte ein Wochenplus von 3,2 Prozent und steigerte seinen Oktober-Gewinn auf fast acht Prozent.

Der Dow Jones Industrial entwickelte sich von Beginn an recht stabil. Über die Ziellinie ging er 0,3 Prozent höher bei 35.820 Punkten, konnte aber keine Bestmarke aufstellen. Im Wochenvergleich legte der US-Leitindex um 0,4 Prozent zu und den Oktober beendete er 5,8 Prozent höher. Der marktbreite S&P 500 schaffte es am Freitag erstmals über die Marke von 4.600 Punkten. Er ging 0,2 Prozent höher bei 4.605 Punkten über die Ziellinie.

Marktbeobachter Jochen Stanzl vom Broker CMC Markets sieht die US-Börsen derzeit in einem „richtig kraftvollen Bullenmarkt“. „Die Kauflust an Aktien sei gerade im Technologieindex Nasdaq 100 ungebrochen – und das trotz einer ersten negativen Reaktion auf die Quartalsbilanzen von Amazon und Apple“, sagte der Experte. Die Zinssorgen vor dem nächsten Zinsentscheid der US-Notenbank Fed in der kommenden Woche steckten die Aktienmärkte aufgrund einer insgesamt erstaunlich guten Berichtssaison gut weg.

Die Apple-Aktien verblieben aber klar im Minus, weil der Technologiekonzern im vergangenen Quartal vom globalen Chip-Mangel eingeholt wurde. Trotz deutlicher Zuwächse verfehlte der iPhone-Hersteller die zu optimistischen Prognosen von Experten. Die Engpässe in der Lieferkette und Corona-Ausfälle in der Produktion hätten den Umsatz um rund sechs Milliarden Dollar gedrückt, sagte Konzernchef Tim Cook. Im laufenden Vierteljahr werde der negative Effekt noch höher ausfallen, hieß es.

Die Apple-Aktien sanken am Dow-Ende um 1,8 Prozent, während jene von Microsoft um 2,2 Prozent erneut auf ein Rekordhoch stiegen. Damit kam es im Rennen um den Status als wertvollstes Unternehmen der Welt zu einem Führungswechsel: Vorerst konnte der Softwarekonzern den iPhone-Hersteller knapp verdrängen.

Keine frohe Kunde hatte auch der Online-Händler Amazon für seine Anleger: Er verdiente im dritten Quartal deutlich weniger und warnte angesichts von Lieferproblemen vor weiteren hohen Kosten. Beim Ausblick für das laufende Vierteljahr dämpfte Amazon die Markterwartungen erheblich. Die Aktie reagierte mit einem Kursrutsch um 2,2 Prozent.

Gegen die Nasdaq-Schwäche stemmten sich allerdings die Aktien des Elektroauto-Pioniers Tesla fgguhmit einem Anstieg um 3,4 Prozent. Sie schafften es erstmals über die runde Marke von 1100 US-Dollar. Der starke Lauf vor allem in den vergangenen 14 Tagen erhielt damit seine Fortsetzung.

Auch für die Facebook-Aktien ging es weiter bergauf, nachdem mit der bekanntgegebenen Umbenennung am Vorabend eine Erholung eingeleitet wurde. Am Freitag rückten die Papiere nochmals um 2,1 Prozent vor. Der Konzern gibt sich mit der Dachmarke Meta einen neuen Namen und will eine Kommunikationsplattform der Zukunft entwickeln.

Unter den Standardwerten konnten die großen Ölkonzernen mit positiven Zahlen aufwarten: Die Aktien von nach unerwartet guten Ergebnissen 1,2 Prozent, bei Exxonmobil schrumpfte das Plus am Ende auf 0,3 Prozent. Beide hatten im vergangenen Quartal von der jüngsten Ölpreisrally profitiert.

Dagegen sackten die Papiere von Starbucks nach Zahlen um 6,3 Prozent ab. Bei der weltgrößten Kaffeekette florieren die Geschäfte – nicht jedoch im wichtigen Auslandsmarkt China. Eine neue Corona-Welle sorgte dort erneut für Lockdowns.

Der DAX hatte sich zuvor von seiner schwächeren Seite gezeigt. Der Leitindex schloss 0,1 Prozent im Minus bei 15.689 Punkten. Der Auto- und Lkw-Bauer Daimler schlug sich im vergangenen Quartal trotz des massiven Einbruchs bei den Verkäufen überraschend gut. Obwohl der Konzern deutlich weniger Autos und Lkw verkaufte, hielten die Stuttgarter dank steigender Preise den Umsatz nahezu stabil – und beim Gewinn konnte Daimler sogar deutlich zulegen. Einsparungen und eine starke Finanzsparte sorgten auch beim operativen Ergebnis für einen unerwarteten Anstieg. „Wir bleiben auf Kurs, um unsere Ziele für das Gesamtjahr zu erreichen“, sagte Finanzchef Harald Wilhelm. Die Aktie stieg auf ein Hoch seit fast sechs Jahren.

Der Kurs des Münchner Triebwerksbauers MTU legte ebenfalls zu, weil die Erholung von der Corona-Krise voranschreitet. An den Wartungsstandorten des Konzerns stünden die Flugzeuge schon wieder Schlange, berichtete Vorstandschef Reiner Winkler am Freitag bei der Vorlage der Zahlen des dritten Quartals. Doch ganz glatt läuft es noch nicht, und so kappte der Manager seine Umsatzprognose für 2021 leicht. Dafür soll ein eher größerer Teil des Erlöses bei dem Dax-Konzern als Gewinn hängen bleiben. Diese Nachricht kam gut an.

Als Beschleuniger für die weltweite Emissionsreduktion soll die Klimakonferenz der Vereinten Nationen (COP-26) dienen, die ab Montag bis 12. November in Glasgow stattfindet. Gesucht wird eine Einigung, wie die weltweiten Maßnahmen intensiviert werden können, um die Erderwärmung zu begrenzen. „Auch für den Kapitalmarkt werden die Vereinbarungen von COP-26 große Auswirkungen haben“, meint daher  Tilmann Galler, Kapitalmarktstratege bei JP Morgan Asset Management. So werde die Umgestaltung des politischen Umfelds auch Veränderungen der Geschäftsmodelle der Unternehmen, ihrer Investitionsentscheidungen, Umsätze und Gewinne bedeuten. Auf dem Aktienmarkt macht sich COP-26 daher als Katalysator bemerkbar. So haben Aktien von europäischen Unternehmen aus dem Bereich erneuerbare Energien aus Europa deutlich stärker zugelegt als der breite Markt. Und laut Morgan Stanley gibt es eine ganze Reihe von Konzernen, die von einem Dekarbonisierungstrend profitieren. Dazu zählen aus Deutschland etwa Siemens Energy und Infineon. Zu den Verlierern gehören Unternehmen mit hohem CO2-Austoß wie die Lufthansa.

Bitcoin und Gold als alternative Währungen gelten beide als Profiteure eines Inflationsschubs. Bisher ist es allerdings nur der Kryptowährung gelungen, aus den steigenden Preisen Profit zu ziehen. So ist der Bitcoin-Kurs allein in den vergangenen zwölf Monaten um 320 Prozent in die Höhe geschossen. Geholfen haben auch Sonderfaktoren wie die Zulassung des ersten Bitcoins-ETFs in den USA, der weltweit für Käufe gesorgt hat. Dagegen scheint das gelbe Edelmetallmit einem Minus von vier Prozent im gleichen Zeitraum nicht besonders hell. Vor allem die gestiegenen Zinsen und der stärker gewordene US-Dollar waren Gift für den Goldpreis. Das Ergebnis ist, dass die Bitcoin-Gold-Ratio mit 37 so hoch ist wie noch nie. Anfang 2021 benötigte man nur rund 20 Unzen Gold, um einen Bitcoin zu kaufen. Aber es gibt einen Hoffnungsschimmer. Die Krisenwährung hat in der Vergangenheit besonders in Zeiten einer Stagflation sehr stark performt, das heißt, wenn die Preise steigen, die Wirtschaft aber stagniert. Ob es wirklich so weit kommt, ist noch unklar. Dass die Prognosen für die Konjunktur sich derzeit aber eher abschwächen und die Inflation eher zunimmt, lässt viele Goldfans an ihrem Investment festhalten.

Die Rangliste der reichsten Chinesen ist in diesem Jahr gehörig durcheinandergewirbelt worden. Denn viele der Milliardäre mussten erhebliche Verluste einstecken. Vorneweg Evergrande-Besitzer Hui Ka Yan, dessen Vermögen in den vergangenen zwölf Monaten parallel zum Kollaps seines Immobiliengiganten um 70 Prozent oder umgerechnet 25 Milliarden US-Dollar gesunken ist. Und Jack Ma musste aufgrund der Kursschwäche von Alibaba Einbußen von 36 Prozent hinnehmen und besitzt „nur“ noch knapp 40 Milliarden US-Dollar. An der Spitze steht mit einem Vermögen von 60 Milliarden US-Dollar Zhong Shanshan, Chef von Nongfu Spring, dem größten Getränkekonzerns Chinas.

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Kommentare ( 4 )

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Kuno.2
3 Jahre her

Man sollte sich vielleicht abgewöhnen, hinter den überwiegenden Aktienkauf- und Verkäufen Privatanleger zu vermuten. Natürlich sind es immer Privatanleger. Aber diese tragen, zumal in den USA gern ihr Geld zu den Fonds und deren Manager entscheiden dann. Solange die Zinsen unten bleiben (zu erkennen am Bund Future in Deutschland) wird die Stimmung an den Börsen positiv bleiben. Allerdings ist der Bund Future bereits von der Spitze 177 Punkte auf jetzt 168 Punkte gefallen, welches einen Zinsanstieg in gleicher Höhe markiert. Das halte ich deshalb für bemerkenswert, weil dies trotz der viele Milliarden Euro betragenden Anleihekäufe der Notenbanken in Europa geschieht.… Mehr

Alexis de Tocqueville
3 Jahre her
Antworten an  Kuno.2

Ist halt ein kleines Dilemma. Wenn die Zinsen nicht steigen und die Geldflut nicht gestoppt wird, dann gibt es Inflation. So weit, so gut, und von den Staaten freilich erwünscht…. wäre da nicht der Ketchupflascheneffekt. Dagegen müssen die Zinsen signifikant steigen, bloß können sie es nicht. Nicht, ohne unmittelbar zu Staatspleiten zu führen. Und dem Markt jetzt plötzlich Liquidität entziehen geht auch nicht, das hat man 1929 schon mal probiert… Ups. Das Gewäsch von wegen „transiory“ Inflation ist nur ein frommes Gebet, nicht mehr. Das wissen die Notenbanker auch. Man hofft, dass man sich durchwurschteln kann, ein paar Jahre Inflation… Mehr

Rosalinde
3 Jahre her

Ganz genau.

Last edited 3 Jahre her by Rosalinde
Iso
3 Jahre her

Sehr schön, nun hat die FED Billionen Dollar neues Geld aus dem Nichts geschöpft, aber dafür wurde nicht eine neue Fabrik gebaut. Die Arbeitslosigkeit ist durch Corona auf Rekordniveau, hunderte Schiffen liegen vor den Häfen, und können nicht entladen werden, während die vielen neuen Dollars in sinnlose Unternehmen wie Facebook gesteckt wurden, die mit viel Energieaufwand nur Datenmüll produzieren. Ein Grund zu feiern!