Globale Lieferengpässe hinterlassen weltweit Bremsspuren in der Konjunktur. Dabei lösen isolierte Ereignisse — wie etwa die coronabedingte partielle Schließung des weltgrößten Hafens Ningbo-Zhoushan in China — eine Kettenreaktion rund um den Globus aus.
In China ist der Caixin-Einkaufsmanagerindex für das produzierende Gewerbe im August auf 49,2 gefallen und liegt damit jetzt unterhalb der Marke von 50, die Wachstum signalisiert. Und auch in Indonesien, Vietnam, Thailand, den Philippinen und Malaysia meldet der Datenlieferant IHS Markit aktuell Werte unter 50. Die Folgen sind auch bei uns zu spüren: In Europa ist der Auftragsbestand auf ein nie zuvor erreichtes Niveau gestiegen. „Die Lieferengpässe und der damit verbundene Preisdruck der Produzenten könnten länger andauern als zunächst erwartet“, sagt Mateusz Urban, Ökonom bei der Analysefirma Oxford Economics. Immerhin ist ein Auftragsrückstand immer noch eine deutlich luxuriösere Situation als eine Auftragsflaute. Und: Der Chipmangel soll laut Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier bald ein Ende haben. Die Störungen in den Lieferketten dürften in den nächsten Monaten abnehmen und dann gänzlich verschwinden, betete der CDU-Politiker in Berlin die Lage gesund.
Die Börsen schwingen sich gleichwohl von einem Rekordstand zum nächsten. Axel Botte, Marktstratege des französischen Investmenthauses Ostrum Asset Management, macht vor diesem Hintergrund auf Zeichen für eine gestiegene Nervosität der Investoren aufmerksam. So hätten typische risikoaffine Anlagestrategien wie zum Beispiel stark zyklische Value-Werte, die noch im ersten Quartal 2021 glänzten, im zweiten Quartal fast keine Rendite erzielt. Seit Anfang Juli würden sie sogar eine negative Performance aufweisen. Dagegen seien risikoärmere Investmentstile wie wenig schwankende Aktien oder Qualitätswerte gefragt und entwickelten sich positiv. Und während die erwartete Volatilität, gemessen am VIX-Index, relativ niedrig sei, notiere der SKEW, ein Gradmesser für Absicherungen der Marktteilnehmer gegen völlig unvorhergesehene Ereignisse seit Juni ungewöhnlich hoch.
Der Hurrikan Ida hat insbesondere im US-Bundesstaat Louisiana eine Spur der Verwüstung hinterlassen. Die Dämme zum Schutz der Metropole New Orleans haben zwar diesmal gehalten, im Gegensatz zum Hurrikan Katrina vor exakt 16 Jahren. Trotzdem werden große Regionen am Mississippi wohl über Wochen ohne Strom bleiben, auch die zahlreichen Ölraffinerien in dieser Gegend. Überregionale Auswirkungen, etwa auf die Benzinpreise, erwarten Branchenexperten bislang nicht. Die Urlaubssaison in Nordamerika ist fast zu Ende, die Lagerbestände hoch. Zudem hat die OPEC+ wie erwartet beschlossen, die Ölproduktion moderat zu erhöhen. Der Ölpreis zeigte sich daher stabil. Gestört werden könnte dagegen in den kommenden Wochen der Export von Mais und Sojabohnen aus den USA. Der Wirbelsturm hat Lager- und Verladeeinrichtungen an der Golfküste beschädigt.
Trotzdem jagte an der Wall Street bis zum Freitag ein Rekord den anderen. Nachdem Fed-Chef Jerome Powell beim jüngsten Zentralbankertreffen in Ja Jackson Hole den Ball flachgehalten hatte, waren die Marktteilnehmer wieder entspannt. Getapert wird zwar noch 2021 – die Fed fährt also die US-Anleihenkäufe zurück -, der US-Leitzins aber bleibt, so Powell sinngemäß, bei null, die Zinskurve damit flach. Eher enttäuschende Daten vom Arbeitsmarkt stoppten die Rekordjagd an der Wall Street erst einmal. Die US-Wirtschaft hatte im August mit einem schwachen Arbeitsplatzaufbau die Erwartungen verfehlt. Besonders negativ werteten Experten die stagnierende Entwicklung im Freizeitbereich und im Gastgewerbe. Die Arbeitslosenquote fiel unterdessen auf den tiefsten Stand seit der Anfangsphase der Corona-Krise und die Löhne stiegen im August deutlich stärker als erwartet.
Der Leitindex Dow Jones Industrial gab um 0,2 Prozent auf 35.369 Punkte nach. Auf Wochensicht bedeutet dies ein Minus von 0,2 Prozent. Der S&P 500 schloss am Freitag kaum verändert mit 4.535 Punkten, nachdem er am Vortag noch ein Rekordhoch erreicht hatte. Der technologielastige Nasdaq 100 hingegen legte um 0,3 Prozent auf 15.653 Punkte zu.
„Dieser Arbeitsmarktbericht wird der US-Notenbank (Fed) Kopfzerbrechen bereiten“, schrieb Thomas Altmann vom Vermögensverwalter QC Partners. Mit einem Stellenzuwachs weit hinter den Erwartungen und einer gleichzeitig niedrigen Arbeitslosenquote sei es schwierig, eine klare Linie mit Blick auf die im Raum stehende Reduzierung der konjunkturstützenden Anleihekäufe herauszuarbeiten. Durch weiterhin schneller als erwartet steigende Löhne bleibe die Inflation ein großes Thema. Bislang zumindest treibe die ultralockere Geldpolitik der Fed noch die Aktienmärkte an.
Dass in den USA im August angesichts der Ausbreitung der Delta-Variante des Coronavirus keine neuen Jobs im Freizeitbereich entstanden sind, und die Sorgen vor Einschränkungen im Zuge der Ausbreitung der Delta-Variante trafen einige Aktien des Sektors hart. So sackten die Anteilsscheine der Kreuzfahrtunternehmen Royal Caribbean Group und Carnival am S&P-500-Ende um jeweils mehr als vier Prozent ab.
Die Anteilsscheine der Freizeitparkbetreiber Six Flags und Seaworld Entertainment fielen um jeweils etwa dreieinhalb Prozent. Ferner standen frische Quartalszahlen von zwei Technologiefirmen im Fokus. Die Aktien des Server- und Netzwerkdienstleisters Hewlett Packard büßten anfängliche Gewinne von mehr als drei Prozent fast komplett ein und lagen am Ende 0,6 Prozent im Plus. Analyst Tim Long von der britischen Investmentbank Barclays schrieb in einer Studie von einem durchwachsenen Quartal. Die operative Marge sei schlechter gewesen als erwartet, Fortschritte mache das Unternehmen aber in puncto Umsatz. Die Papiere des zweiten Unternehmens, des Chipkonzerns Broadcom stiegen um gut ein Prozent. Hier sprach Stacy Rasgon von Bernstein Research von einem soliden Quartal und einem starken Ausblick auf das letzte Viertel des Geschäftsjahres.
Die schwachen US-Arbeitsmarktdaten hatten zuvor schon die deutsche Börse zum Wochenausklang gebremst. Der deutsche Leitindex schloss mit 0,4 Prozent im Minus bei 15.781 Punkten.
Auf Unternehmensseite stand das Papier von Delivery Hero im Vordergrund. Der Essenslieferant hatte 1,25 Milliarden Euro mit einer Wandelschuldverschreibung eingenommen. Dies sei nicht die letzte Kapitalmaßnahme, prognostizierte ein Börsianer. Delivery Hero war deshalb Schlusslicht im DAX.
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