Starke Woche an den Weltbörsen, Drama um die Signa-Gruppe

An der Börse spielt das Benko-Drama bislang keine Rolle. Unterstützt von US-Arbeitsmarktdaten verbuchte der deutsche Aktienmarkt am Freitag weitere Gewinne.

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Wiederholt sich Geschichte doch? Vor 40 Jahren musste Horst-Dieter Esch die Insolvenz des von ihm ab 1975 innerhalb weniger Jahre mit einem kleinen Startkapital aufgebauten drittgrößten Baumaschinenhersteller der Welt anmelden. Es waren die gleichen Ingredienzien wie bei der nun ums Überleben kämpfenden Signa-Holding von Rene Benko: Überambitionierter Aufsteiger mit einnehmenden Wesen, dem es gelingt, leichtsinnige Banker, prominente Unternehmer und geheimnisvolle arabische Scheichs zu umgarnen und Wolkenschlösser zu errichten, die er auf geschönte Bilanzen gründet. Esch war damals für die „Zeit“ der „Wunderknabe“, Benk gilt in der österreichischen Presse als „Wunderwuzzi“. Eschs IBH-Holding wurde abgewickelt, seine Ko-Investoren mussten bittere Abschreiber hinnehmen, die Araber tauchten ab, und die SMH-Bank, der Hauptkreditgeber, geriet in Turbulenzen und wurde schließlich zur UBS Deutschland. Graf Galen, ihr damaliger Haupteigner, musste wie Esch zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe verurteilt.

Bei Benkos Mitinvestoren in der Signa-Holding handelt es sich um bekannte Wirtschaftsgrössen aus dem deutschsprachigen Raum: den Lindt-&-Sprüngli-Verwaltungsratspräsidenten Ernst Tanner, den Thurgauer Kaffeemaschinen-Unternehmer Arthur Eugster, den deutschen Fressnapf-Gründer Torsten Toeller, den österreichischen Bauunternehmer Hans Peter Haselsteiner, die deutsche Berater-Legende Roland Berger – auch der frühere Porsche-Chef Wendelin Wiedeking war lange engagiert. Nun machen sie Druck, drängen Benko aus dem Unternehmen, um zu retten, was zu retten ist. Bei einigen Banken werden wohl Milliarden-Abschreiber abzusehen; schwarze Wolken verdunkeln den Horizont. Die ersten Baustellen sind stillgelegt, manche Baufirma wird wohl ebenfalls in Schwierigkeiten geraten, wenn ihre Forderungen von Signa nicht mehr bezahlt werden (können). Als grosser Projektentwickler braucht Signa für den Bau der Immobilien laufend frisches Geld. Mit den steigenden Zinsen verteuerte sich die Finanzierung, nun kommen von den Banken keine neuen Kredite mehr.

Die Konditionen von Benkos Rückzug scheinen allerdings noch nicht verhandelt. Da er offensichtlich immer noch eine knappe Mehrheit hält, ist es nicht so einfach wie seinerzeit bei Esch. Zwar sei Benko bereit, eine Verzichtserklärung bezüglich seiner Stimmrechte zu unterschreiben, berichtete Haselsteiner am Freitag. Aber Benko wolle im Gegenzug wissen, ob „die Gesellschafter mit einer solchen weitgehenden Lösung auch bereit wären, einen Beitrag zu leisten zur Sanierung der Gruppe“. Benko scheint zu verlangen, dass seine Mitinvestoren frisches Geld einschiessen. Von 400 Millionen Euro ist die Rede. Das würde die Chancen erhöhen, dass die Banken neue Kredite sprechen und die Signa-Gruppe gerettet werden kann – und dass auch Benko zumindest einen Teil seines Investments retten kann.

An der Börse spielt das Benko-Drama bislang keine Rolle. Unterstützt von US-Arbeitsmarktdaten verbuchte der deutsche Aktienmarkt am Freitag weitere Gewinne. Der Dax legte an jedem Tag der Handelswoche zu, was zuletzt im Frühjahr der Fall gewesen war. Der deutsche Leitindex bleibe in Fahrt, „aber nimmt Tempo raus“, kommentierte Marktanalyst Konstantin Oldenburger vom Broker CMC Markets. Endlich kühle sich der Arbeitsmarkt in der weltgrößten Volkswirtschaft ab, was die erwartete geldpolitische Trendwende realistisch erscheinen lasse. Mit einem Plus von 0,3 Prozent auf 15.189 Punkte ging das deutsche Börsenbarometer aus dem Handel und hat damit die Woche mit einem Gewinn von fast 3,5 Prozent beendet. Der MDax der mittelgroßen Unternehmen stieg am Freitag um 1,7 Prozent auf 25.137 Zähler. Europaweit wurden ebenfalls überwiegend Gewinne verbucht.

Aus dem Dax standen am Freitag der Immobilienkonzern Vonovia und der Autobauer BMW mit Quartalszahlen im Blick. Bei BMW stiegen Umsatz und Gewinn im Tagesgeschäft deutlicher als erwartet, was die Erholung der Aktie weiter vorantrieb. Sie stieg um zwei Prozent. Vonovia legten um 7,8 Prozent zu und setzten so ebenfalls den positiven Trend der vergangenen Tage fort. Hoffnungen auf nachlassende Zinsbelastungen trieben hier weiter an. Mit Blick auf den Geschäftsbericht wurde am Markt vor allem positiv gewertet, dass der Abbau der Verbindlichkeiten gut vorankomme.

Siemens Energy beschleunigten ihre Erholung nochmals und zogen um 8,7 Prozent an. Seit ihrem in der vergangenen Woche erreichten Rekordtief haben sie inzwischen um etwa die Hälfte zugelegt.

Am Rentenmarkt stieg die Umlaufrendite von 2,70 Prozent am Vortag auf 2,72 Prozent.

Der starke November-Auftakt setzte sich auch an den US-Börsen fort. Als Treiber fungierten die monatlichen Arbeitsmarktdaten, die den Gedanken stützten, dass die US-Notenbank Fed mit ihren Zinserhöhungen durch ist. Ein enttäuschender Ausblick von Apple belastete zwar die Aktie des iPhone-Konzerns, aber nicht den Gesamtmarkt. Der Dow Jones Industrial legte um 0,7 Prozent auf 34.061 Punkte zu und verbuchte so den fünften Gewinntag in Folge. Zwischenzeitlich hatte er mit fast 34.164 Zählern den höchsten Stand seit gut sechs Wochen erreicht. Für den marktbreiten S&P 500 ging es am Freitag um 0,9 Prozent auf 4.358 Zähler nach oben, während der von Technologiewerten dominierte Nasdaq 100 um 1,2 Prozent auf 15.099 Zähler stieg. Die drei Indizes verbuchten Wochengewinne von bis zu 6,5 Prozent.

Ein starker Rückgang des Beschäftigungsaufbaus in den USA ließ die Anleger weiter auf ein Ende der Zinsspirale hoffen. Die steigende Arbeitslosenquote und eine sich abschwächende Lohnentwicklung bestärkten diese Ansicht. Analyst Bernd Krampen von der NordLB geht davon aus, dass Mitte 2024 konjunkturbedingt eine erste Zinssenkung nötig werden wird. Am Markt gilt ein Schritt im Juni nun als eingepreist.

Als größte Profiteure der weiterhin guten Marktstimmung galten am Freitag die Aktien aus dem Bankensektor, die in ihren Indizes eine Spitzenrolle einnahmen. Goldman Sachs war im Dow mit 4,4 Prozent der größte Gewinner. Am breiten Markt verbuchten die Titel von Morgan Stanley , US Bancorp und Bank of America Gewinne von bis zu 3,8 Prozent.

Der Technologieriese Apple enttäuschte dagegen mit seiner Umsatzprognose für das Weihnachtsgeschäft sowie der Umsatzentwicklung in China. Die Papiere zollten mit einem Abschlag von einem halben Prozent ihrer jüngsten Erholung Tribut.
Mit einer größeren Kursbewegung fielen die Aktien von Expedia auf. Das Online-Reiseportal begeisterte seine Anleger mit einem Kurssprung um fast 19 Prozent. Im vergangenen Quartal wurden die Gewinnerwartungen übertroffen. Außerdem kündigte das Unternehmen ein milliardenschweres Aktienrückkaufprogramm an.

An der Nasdaq gerieten die Aktien von Fortinet mit einem Kursrutsch um gut zwölf Prozent besonders stark unter Druck. Der Anbieter von IT-Sicherheitslösungen enttäuschte nicht nur mit einem etwas schwächeren Umsatz im dritten Quartal, sondern auch mit einem entsprechenden Ausblick auf das Schlussquartal. Ein Unternehmen mit starker Kursreaktion auf vorgelegte Zahlen war dagegen der Online-Wettanbieter Draftkings , dessen Aktien um 16,5 Prozent hoch schnellten. Im dritten Quartal überboten nicht nur die Umsätze die Erwartungen, sondern auch die Nutzerzahlen der Fantasysport- und Wett-Plattform.

Der Euro notierte nach den Jobdaten über 1,07 US-Dollar. Die Kurse von US-Staatsanleihen stiegen. Die Rendite zehnjähriger Staatspapiere fiel auf 4,57 Prozent.

Mit dem Start in den November hat sich die Stimmung am deutschen Aktienmarkt spürbar aufgehellt. Die neue Woche könnte dies untermauern, sofern die zahlreichen Quartalsberichte großer deutscher Konzerne die Erwartungen erfüllen oder gar übertreffen. Wenig Hoffnung ruht indes auf den Konjunkturdaten, die vor allem die Industrie- und Einzelhandelstrends in Europa in den Fokus rücken werden. Auch geopolitische Risiken dürften wieder stärkere Beachtung finden. Sie waren angesichts der zuletzt fast euphorischen Hoffnung an den Märkten, dass der Zinsgipfel erreicht sein könnte, in den Hintergrund gerückt.

Nach den deutlichen Kursverlusten von Anfang August bis Ende Oktober habe „der stark überverkaufte Dax in der ersten Novemberwoche eine Erholung gestartet, die sich in den kommenden Wochen fortsetzen dürfte“, erwartet nicht nur Commerzbank-Analyst Andreas Hürkamp. Claudia Windt, Analystin bei Helaba, verweist darauf, mit welcher Leichtigkeit der deutsche Leitindex die Hürde von 15 000 Punkten wieder zurückerobert hat. „Das könnte der Beginn der Jahresendrally werden, da die nach wie vor niedrige Bewertung die Investoren lockt“, konstatiert sie.

Nachdem der Dax am letzten Tag im Juli bei knapp unter 16.530 Punkten auf ein Rekordhoch geklettert war, ging es in den darauf folgenden drei Monaten um bald 2000 Punkte wieder abwärts. Inflations- und Zinssorgen samt steigender Renditen am Anleihemarkt verschreckten die Anleger. Schließlich kamen noch die Sorgen angesichts des Gaza-Kriegs in Nahost hinzu. Erst als die US-Notenbank Fed und die Bank of England – wie zuvor bereits die Europäische Zentralbank – die Leitzinsen nicht erneut anhoben, sondern stillhielten, setzte die Erholungsrally ein.

Nun müssen die anstehenden Quartalszahlen den zurückgewonnenen Optimismus der Anleger rechtfertigen. Allein 17 Unternehmen aus dem Dax werden in der neuen Woche vorläufige oder endgültige Zahlen vorlegen und Ausblicke geben. Die wichtigsten Berichtstage sind Mittwoch und Donnerstag.

Zu den Unternehmen, denen besondere Aufmerksamkeit zuteilwerden dürfte, zählen der Agarchemie- und Pharmakonzern Bayer , der Sportartikelhersteller Adidas und der Rüstungskonzern und Autozulieferer Rheinmetall .

Konjunkturseitig stehen in der neuen Woche aus der weltgrößten Volkswirtschaft USA wenige wichtige Daten auf der Agenda. Aus Europa – und im Speziellen aus Deutschland – stehen dagegen „vor allem harte Daten im Fokus“, schreibt Chefstratege Robert Greil von der Privatbank Merck Finck. „owohl die Industrie- als auch die Einzelhandelstrends dürften unterstreichen, dass Europa in einer milden Rezession steckt.“ Die September-Daten für die Auftragseingänge und Produktion der hiesigen Industrie stehen am Montag und Dienstag an. Die Einzelhandelsumsätze für den Euroraum werden zur Wochenmitte publiziert.

Ob die anstehenden Unternehmenszahlen und Konjunkturdaten das Zeug haben, den Dax weiter nach oben zu treiben oder auch eine womöglich andauernde Zinseuphorie, bleibt abzuwarten. „Es wird mit Sicherheit keine einfache Handelswoche werden. Die Investoren müssen mit einer hohen Schwankungsfreudigkeit des Gesamtmarkts rechnen“, erwartet Marktexperte Andreas Lipkow.

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Kommentare ( 1 )

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Unglaeubiger
1 Jahr her

Die Hütchenspieler mit ihrem Einfluss (gekauft?) in der Politk, Benko guter Spezl von Kurz, schieben in ständig neu gegründete Gesellschaften, Holdingsetc. ihre nicht vorhandenen Gelder hin und her, bis keine S.. mehr durchblickt. Die Finanzbeamten sowieso nicht und die Wirtschaftsprüfer tun als ob, unterstützen dabei auch noch für saftigen Mandatshonorare. Steuerprüfer sorgen im Auftrag des Staates (Monopolstellung – Hilfe unter Freunden auf privater Ebene zu EkSt ist verboten und strafbar) dafür, dass die Kleinen und die Mittelschicht die erpressten Gelder bezahlen. Die Großen dürfen mit Hilfe der Politik Steuern hinterziehen und lachen sich über die Deppen, die brav ihre Steuern… Mehr