Stagflationsgefahr wächst, Märkte zum Maiauftakt nervös

Die Wall Street kam zum Ende der ersten Maiwoche erneut nicht zur Ruhe.

shutterstock/Dmitry Demidovich

Nach dem sehr gut ausgefallenen US-Jobbericht blieben die Anleger in Erwartung weiterer Zinserhöhungen nervös. Der Dow Jones Industrial fuhr dabei auf der Achterbahn. In der Spitze verlor er 1,5 Prozent, schaffte zwischendrin aber auch einen kurzen Ausflug ins Plus. Am Ende gab er um 0,3 Prozent nach. Der NASDAQ 100 schwankte zwischen einem Minus von 2,5 und einem Plus von 0,5 Prozent. Am Ende blieben mit einem Abschlag von 1,2 Prozent auf 12.694 Punkte deutlichere Verluste übrig als im Dow. Der S&P 500 fiel um 0,6 Prozent auf 4.123 Punkte.

Die Anleger müssten sich derzeit drei Problemen gleichzeitig stellen, hieß es von der Investmentbank Jefferies: Nachlassendem Wachstum, höheren Kosten und steigenden Zinsen. Zwar schuf die US-Wirtschaft im April mehr Arbeitsplätze als erwartet, dies hat aber für Anleger eine Kehrseite: „Bei ihren Maßnahmen müssen die Zentralbanken in der jetzigen Situation auch schädliche Nebenwirkungen auf die Konjunktur in Kauf nehmen. Die Inflationsbekämpfung hat jetzt Vorrang“, sagte Chefvolkswirt Ulrich Kater von der Dekabank.

Mit Blick auf Einzelwerte waren Ölkonzerne mal wieder eine positive Ausnahme. Während die Debatte über ein europäisches Öl-Embargo gegen Russland weiter geht, sorgte die Ankündigung der USA für Preisauftrieb, dass ab diesem Herbst mit der Wiederbefüllung der strategischen Ölreserven begonnen werden soll. Chevron standen mit einem Tagesgewinn auf 2,7 Prozent an der Spitze des Dow.
Ein düsterer Tag war es dagegen für Anleger im US-Sportartikelsektor. Während die Aktien von Under Armour nach schwachen Quartalszahlen um mehr als ein Viertel abrutschten, wurden Nike mit einem Abschlag von 3,5 Prozent gleich mit abgestraft.

An der Nasdaq kommen derweil die inzwischen auf ein Rekordtief abgestürzten Peloton nicht mehr auf die Beine. Die Papiere des einst als großer Corona-Gewinner gehandelten Fitness-Spezialisten sackten am Freitag nochmals um 7,7 Prozent ab. Wie die Nachrichtenagentur Bloomberg berichtete, sucht das Unternehmen derzeit nach einem großen Investor, der mit 20 Prozent der Anteile einsteigen könnte.

Vor dem Hintergrund des robusten US-Arbeitsmarktberichts hatte zuvor schon der Dax die Talfahrt der vergangenen beiden Handelstage fortgesetzt. Mit einem Abschlag von 1,6 Prozent auf 13.674 Punkte ging der Leitindex aus dem Handel. In der ersten Maiwoche hat er damit rund drei Prozent eingebüßt. Der MDAX der mittelgroßen Börsentitel rutschte am Freitag um 2,1 Prozent auf 28.766 Punkte ab.
Unter den Einzelwerten im Dax ging es für die Papiere von Adidas nach einem eingetrübten Jahresausblick um 3,6 Prozent abwärts. Dem Sportartikelhersteller machen die Corona-Lockdowns in China zu schaffen. Freenet brachen im MDax um 17,4 Prozent ein, und damit deutlich stärker als wegen des Dividendenabschlags von 1,57 Euro pro Aktie zu erwarten gewesen war. Die schweizerische Bank UBS hatte den Titel auf „Sell“ abgestuft und sich skeptisch über das Geschäftsmodell von Freenet als Serviceprovider und Mobilfunk-Reseller geäußert.

Was am Donnerstag geschehen war, liess manchem Börsianer den Schrecken in die Glieder fahren. „Worst Day Since 2020“, schrieb das „Wall Street Journal“, nachdem die NASDAQ um mehr als fünf Prozent eingebrochen war und der Dow mehr als 1000 Punkte liegengelassen hatte – und dies nach einem heftigen Plus am Mittwoch. Swing-Börse mit einer Spanne von acht Prozentpunkten drückte es die „Financial Times“ etwas weniger dramatisch aus. Stagflation ist das Szenario der Stunde: Stagnierende oder rezessive Wirtschaft gepaart mit hoher Inflation. Diese schiesst derzeit tatsächlich durch die Decke: über acht Prozent stiegen die Preise in den USA im Jahresvergleich, die Euro-Zone liegt kaum darunter. Da die Ukraine-Krise mit den explodierenden Rohstoffpreisen in diesen Werten erst schwach enthalten ist, drohen noch deutlich höhere Preissteigerungsraten. Die aktuellen Preiserhöhungen liegen teilweise bereits über jenen der 1970er. Jetzt sind die Zentralbanken gefordert. Die Rückschlagrisiken an den Aktienmärkten überwiegen derzeit die Chancen auf Kurssteigerungen jedenfalls bei weitem. Der Cash-Anteil im Portefeuille sollte deshalb eher erhöht werden.

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Kommentare ( 1 )

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Wolfgang Schuckmann
2 Jahre her

Die Nacht der langen Messer wird fleißig geübt. Wir werden am Anfang Salamitaktik erfahren, währendessen die Verursacher der Entwicklung im Hintergrund versuchen zu retten was zu retten ist. Das monetäre Märchen des sich stetig steigernden Geldvermehrungswunders hat bald ausgedient. Und wenn die EZB den Schuß zum Schluss auch noch hört, werden die Realitäten andere sein. All die ungedeckten Schecks, Kreditausreichungen, kurz die phantastischen Illusionen in Sachen Geld “ verdienen“ ohne echte Wertschöpfung werden auf dem Müllplatz der falschen Versprechungen entsorgt. Eine riesige Umverteilung hat so ein Ende erreicht. Diese Entwicklung aber wurde schon in Pretton Woods gelegt, wo sich die… Mehr