Stagflation in Sicht, Streit um Twitter, Kurioses von Ankerkraut

Die These breitet sich aus und verbreitet zunehmend Furcht: Eine globale Energiekrise und Zentralbanken, die auf einen restriktiven Kurs umschwenken, lösen in der Welt eine Stagflation im Stil der 1970er aus. Noch ist das zwar weit hergeholt, aber unter den Vermögensverwaltern wächst die Sorge, dass dieses Marktszenario - ausser Kontrolle geratene Inflation bei gleichzeitigem Wachstumseinbruch - tatsächlich eintreten könnte.

shutterstock/Dmitry Demidovich

Der globale Wachstumsoptimismus ist laut der von der Bank of America monatlich durchgeführten Umfrage unter Fondsmanagern auf ein Allzeittief gesunken. Die Stagflationserwartungen stiegen auf 66 Prozent, den höchsten Stand seit 2008.
Es muss allerdings noch viel Schlimmes passieren, bevor sich ein Investitionsklima einstellt, das die Merkmale einer Stagflation trägt, glaubt die Präsidentin der Europäischen Zentralbank, Christine Lagarde. Sie scheint die Gefahr immer noch nicht ernst zu nehmen. Dabei müsste Europa aufgrund seiner Nähe zum Krieg in der Ukraine und der schwächeren inländischen Wachstumsimpulse ein Epizentrum der Besorgnis sein.

An den Märkten stellt sich diese Besorgnis inzwischen zunehmend ein. Vor dem verlängerten Osterwochenende gerieten an den US-Börsen die wachstumsstarken Technologieaktien jedenfalls ziemlich unter Druck. Der NASDAQ 100 büßte am Donnerstag 2,3 Prozent auf 13.893 Punkte ein. Händler begründeten die Verluste vor allem mit den wieder kräftig steigenden Zinsen am US-Anleihemarkt. Auch überraschend gute Konjunkturdaten zur Stimmung der Verbraucher in den USA konnten die Kurse nicht antreiben. Der Dow Jones hielt sich derweil mit einem Minus von 0,3 Prozent auf 34.451 Punkte noch vergleichsweise wacker. Auf Wochensicht steht ein Verlust des Dow um 0,8 Prozent zu Buche. Der marktbreite S&P 500 verlor 1,2 Prozent auf 4.393 Zähler.

Über Jahre hinweg haben die Zentralbanken viel billiges Geld in Umlauf gebracht und die Zinsen auf Rekordtiefs gedrückt. Anleihen warfen kaum noch Rendite ab. Auf der Suche nach Ertrag investierten Anleger das Geld in Aktien. Doch nun ist die Zeit des billigen Geldes vorbei, die Fed dürfte die Zinsen in diesem Jahr kräftig anziehen. Daher verabschieden sich immer mehr Anleger nun von Aktien.

Im Fokus der Anleger stand am Donnerstag der Bankensektor. Gut kamen die Zahlen von Citigroup und Morgan Stanley an. Die Kurse stiegen um 1,6 beziehungsweise 0,9 Prozent. Anders Wells Fargo – deren Aktienkurs sackte um 4,5 Prozent ab. Hier monierten Experten hohe Ausgaben.

An die Spitze des Dow setzten sich die Aktien von Nike mit einem Plus von fast fünf Prozent. Analyst Matthew Boss von JPMorgan sagte nach einem Gespräch mit dem Management des Sportartikelherstellers, die Geschäfte auf dem wichtigen Absatzmarkt China seien auf einem guten Weg. Eine positive Studie der Deutschen Bank zu Caterpillar trieb den Kurs des Baumaschinenherstellers um mehr als vier Prozent nach oben.

Keine Euphorie löste ein Übernahmeangebot des Tesla-Chefs Elon Musk für Twitter aus. Musk bietet 54,20 Dollar in bar je Twitter-Aktie. Das sind 54 Prozent mehr als die Papiere am 28. Januar gekostet hatten – dem Tag bevor Musk begonnen hatte, in Twitter zu investieren. Twitter-Aktien verloren dennoch 1,7 Prozent auf gut 45 Dollar, sie blieben damit weit unter dem von Musk gebotenen Preis. Analysten vermuteten denn auch, dass viele Twitter-Aktionäre das Angebot wohl nicht annehmen dürften.

Zum Ende der verkürzten Handelswoche hatte sich der Dax dagegen am Gründonnerstag mit leichten Gewinnen in die Osterpause verabschiedet. Der deutsche Leitindex stieg um 0,6 Prozent auf 14.164 Punkte. Damit konnte er einen Wochenverlust von zeitweise fast drei Prozent auf unter ein Prozent eindämmen. Der MDAX kletterte um 0,9 Prozent auf 30.669 Punkte.

Kursgewinne gab es auch bei anderen wichtigen europäischen Indizes: Der EuroStoxx 50 stieg um 0,6 Prozent auf knapp 3.849 Punkte. Der CAC 40 in Paris legte um 0,7 Prozent zu und der FTSE in London gewann 0,5 Prozent.

Europaweit deutlich erholt zeigten sich insbesondere Aktien aus dem Bereich Tourismus und Freizeit. Im Dax gehörten Papiere von Airbus und des Triebwerkherstellers MTU zu den besten Werten. Im MDax waren die Anteilscheine des Autovermieters Sixt, des Flughafenbetreibers Fraport und der Lufthansa besonders gefragt. Fluggesellschaften profitierten von positiven Signalen des Billigfliegers Wizz Air für das erste Quartal.

Erneut deutlich abwärts ging es im Dax indes für die Papiere von Delivery Hero, bei denen die Anleger 2022 inzwischen einen Verlust von 63 Prozent hinnehmen müssen. Analyst Adrien de Saint Hilaire von der Bank of America äußerte sich skeptisch zu Essenslieferanten. Er begründete dies mit einer immer trüberen Verbraucherstimmung und angespannten Bilanzen. Gerade bei Delivery Hero signalisierte er weiteres Rückschlagrisiko. Auch VW-Aktien gaben trotz hoher Konzerngewinne nach. Im ersten Quartal halfen den Wolfsburgern Sondereffekte aus Rohstoffsicherungsgeschäften. Problematisch bleibt nach wie vor der Verkauf von Fahrzeugen, der wegen fehlender Halbleiter stockt. Zudem betonte das Management die Unsicherheiten rund um den Krieg in der Ukraine.

Kurios ist derzeit die Auseinandersetzung um das Startup Ankerkraut in den sozialen Medien nach der Nestle-Übernahme. „Da eine Kooperation mit Nestle für uns nicht in Frage kommt, sehen wir keine andere Option, als die Zusammenarbeit mit Ankerkraut schnellstmöglich zu beenden“, schreibt der deutsche Youtuber LeFloid auf Twitter. Nestlé hatte am Mittwoch mitgeteilt, man habe die Anteile der bisherigen Ankerkraut-Investoren – EMZ Partners, Freigeist Capital und Knälmann Ventures – sowie Teile der Management-Anteile übernommen und werde damit zum Mehrheitseigentümer. Bekannt wurde Ankerkraut 2016 vor allem durch den Auftritt in der Fernsehsendung „Die Höhle der Löwen“. Hinter dem bisherigen Investor Freigeist Capital steht der Investor Frank Thelen, der sich nach der Sendung an Ankerkraut beteiligte und für 300.000 Euro 20 Prozent an der Firma erwarb. LeFloid unterhält mehrere Youtube-Kanäle und erreicht mit seinem Kanal DoktorFloid fast 700.000 Abonnenten.

Ankerkraut ist ein 2013 in Hamburg gegründetes Start-up. Die Gewürzmischungen, Saucen oder Tees des Unternehmens haben bei Köchen inzwischen Kultstatus erlangt. Auf Youtube-Kochkanälen werden Ankerkraut-Gewürze reichlich eingesetzt. LeFloid selbst verwendet in seiner Youtube-Koch-Format „Copy & Taste“ eine eigens von Ankerkraut für ihn zusammengemixte Gewürzmischung. Selbstredend wurde dieses bisher auch als Merchandise für seine Fans vertrieben.

In den Sozialen Medien mehren sich nun die Aufrufe, Ankerkraut zu boykottieren. Die Gründer Anne und Stefan Lemcke riefen Kritiker unterdessen zur Mässigung auf. „Wir stehen als Marke von Beginn an für eine ganz besondere Kundennähe und einen engen Austausch mit unseren Fans“, sagten die Gründer der dpa. Deshalb verschliesse sich Ankerkraut auch jetzt nicht der Debatte. „Was wir nicht akzeptieren, sind Hass im Netz und Beleidigungen der Menschen, die bei Ankerkraut arbeiten“, betonten beide. Sie räumten ein, dass die vor allem über die sozialen Medien verbreitete Kritik nicht spurlos an ihnen und den Beschäftigten vorbeigehe.

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Kommentare ( 2 )

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Iso
2 Jahre her

Wenn man alle Firmen aus dem DAX rausrechnet, die kein Geld verdienen, überschuldet sind und keine Dividende ausschütten, dann fällt der Index unter 10.000 Punkte. Würde die EZB anschließend ihre Zinsen auch nur in der Nähe der aktuellen Teuerungsrate bringen, würde sich der Dax sofort halbieren und anfangen seinen Boden zu suchen. Die fundamentalen Daten der DAX Konzerne sehen wirklich schlecht aus und ich wundere mich sehr, dass dort noch keine großen Entlassungswellen stattfinden. Da werden Coronahilfen und Eigenkapital verbrannt, dass es nur so kracht. So ähnlich muss es wohl in der damaligen Ostzone ausgesehen haben, als man die Betriebe… Mehr

89-erlebt
2 Jahre her

Nicht zu vergessen – die aktuelle Öko Sau die durchs Investoren Dorf getrieben wird heißt – H2, anteilig auch NH3. Rendite schaut nicht auf physikalische Probleme oder gar Wirkungsgrade. Nach Wind, Solar und Gas Mais geht es jetzt noch weiter runter beim Wirkungsgrad.