Schon wieder neue Rekorde

Börsianer erleben gerade extreme Zeiten. Die Notenbanken versorgen die Märkte wegen der Pandemie mit Unmengen von Geld, Anlagen wie Aktien und Kryptowährungen erklimmen neue Rekord-Kursniveaus.

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Was die Fantasie der Aktienanleger derzeit besonders beflügelt, ist die Gewinnentwicklung der Unternehmen. Die Bilanzsaison für das Quartal bis Ende März steht an, Analysten rechnen etwa für die Konzerne im breiten US-Index S&P 500 im Schnitt mit einem Gewinnzuwachs (gegenüber dem Vorjahreszeitraum) von 25 Prozent. Für den Stoxx 600, der sowohl Werte aus der Eurozone als auch aus Nicht-Euroländern wie Großbritannien und der Schweiz umfasst, wird sogar ein Ergebniszuwachs von gut 55 Prozent erwartet. Zwar könnte sich täuschen, wer aus dem hohen Plus auf weitere Kurszuwächse schließt. In der Regel treiben erst positive Überraschungen die Börsen. Beispiel Goldman Sachs: Die Wall Street reagierte positiv auf den Rekordgewinn der US-Investmentbank, der die Schätzungen des Analysten bei Weitem übertraf. Dass es auch im DAX noch weiter aufwärts gehen kann, haben soeben SAP oder Covestro gezeigt. Rekordniveaus an den Börsen bedeuten schließlich keineswegs, dass nicht noch weitere Rekorde folgen können.

​Auch am letzten Handelstag der Woche setzten die Investoren jedenfalls auf Aktien. Der Dow Jones Industrial kletterte bereits in den ersten Handelsminuten auf einen neuen Höchststand, ebenso der marktbreite S&P 500. Der technologielastige NASDAQ 100 blieb am Ende mit einem Plus von 0,1 Prozent auf 14.042 Zähler etwas zurück, markierte aber ebenfalls ein Rekordhoch.

Der Dow baute die Gewinnserie der vergangenen Wochen um weitere 0,5 Prozent auf 34.201 Punkte aus. Auf Wochensicht steht für den Leitindex ein Aufschlag von gut einem Prozent zu Buche. Seit Jahresbeginn kann der Dow ein Plus von fast zwölf Prozent vorweisen. Der marktbreite S&P 500 rückte am Freitag um 0,4 Prozent auf 4.185 Zähler vor. Die immer mehr Fahrt aufnehmende Konjunktur und die Fortschritte bei den Corona-Impfungen in den USA treiben die Börsen weiter voran.

Trotz der Kursrally der vergangenen Wochen und Monate sehen Experten noch immer Aufwärtspotenzial: Die Schweizer Bank UBS erhöhte an diesem Freitag das Kursziel für den S&P 500 Index bis zum Jahresende von 4.200 auf 4.400 Punkte. „Da sich die Wiedereröffnung der Wirtschaft in den kommenden Monaten beschleunigen sollte, glauben wir, dass der Bullenmarkt weiterhin auf einem soliden Fundament steht“, schrieb Investment-Chef Mark Haefele.

Nach zuletzt zwei Stimulus-Runden von Seiten der US-Regierung und dank anhaltender Fortschritte bei den Impfungen gegen das Coronavirus mehren sich dem Experten zufolge die Belege, dass die wirtschaftlichen Aktivitäten in den USA wieder Fahrt aufnehmen. Zudem sei der Kostendruck der Unternehmen weitgehend nur vorübergehender Natur und könne durch Umsatzwachstum ausgeglichen werden.

Mit Blick auf die Einzeltitel sorgten die Quartalsberichte für Bewegung. So gerieten die Aktien der Banken Morgan Stanley und Bank of New York Mellon unter Druck mit Verlusten von 2,8 beziehungsweise vier Prozent. Der Quartalsbericht von Morgan Stanley hatte trotz starker Zahlen auch einen Makel. So gingen durch den Zahlungsausfall eines einzigen Kunden über 900 Millionen Dollar verloren. Bei der Bank of New York Mellon monierten Analysten die Profitabilität im Geschäft mit Anleihen. Der Kurs des Vermögensverwalters State Street sackte gar um sieben Prozent ab. Die Prognose weniger stark steigender Gebühren im laufenden zweiten Quartal enttäuschte die Investoren.

Die Papiere von Alcoa zogen dagegen um 8,5 Prozent auf den höchsten Stand seit Ende 2018 an. Der Konzern profitierte zum Jahresauftakt von steigenden Aluminiumpreisen im Zuge der erwarteten Konjunkturerholung.

An die Spitze des Dow Jones Index setzten sich Cisco mit einem Gewinn von 2,3 Prozent.

Nachdem sich der DAX die vergangenen Tage eher von seiner zurückhaltenden Seite gezeigt hatte, erreichte er am Freitag ein neues Rekordhoch. Der deutsche Leitindex ging 1,3 Prozent fester bei 15.460 Punkten ins Wochenende. Das derzeitige Umfeld scheine wie gemacht für Aktien, erklärte Analyst Markus Reinwand von der Helaba. „Die Konjunkturstimmung erreicht Spitzenwerte, die Geldpolitik bleibt ultralocker.“ Nach ihrer beispiellosen Rally seit dem Frühjahr 2020 seien Aktien nun aber anfällig für eine Korrektur. Am Nachmittag erreichte der DAX in der Spitze 15.431 Punkte.

Auf Unternehmensseite machte insbesondere Daimler auf sich aufmerksam. Der Automobilkonzern profitierte im ersten Quartal von einem starken China-Geschäft. Die Aktien legten um bis zu 3,3 Prozent zu und kosteten zeitweise 77,88 Euro – so viel wie seit mehr als fünf Jahren nicht mehr. Einen kleinen Teil der Gewinne mussten die Stuttgarter allerdings wieder abgeben.

Auch wenn das Corona-Impftempo hierzulande zu wünschen übrig lässt, bei der Herstellung von Impfstoffen spielt Deutschland eine Vorreiterrolle. Das zeigte sich, nachdem auch das Vakzin von Johnson & Johnson Nebenwirkungen aufweist und Lieferungen gestoppt wurden. Zum Ausgleich orderte die EU zusätzlich 50 Millionen Dosen Impfstoff der Hersteller Biontech und Pfizer. „Ich will Biontech/-Pfizer danken“, sagte EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen am Mittwoch. „Sie haben sich als verlässlicher Partner bewährt. Sie haben ihre Zusagen eingehalten und sie gehen auf unsere Bedürfnisse ein.“ Brüssel verhandelt nun mit beiden Unternehmen über die Lieferung von zusätzlichen 1,8 Milliarden Impfdosen für die Zeit von 2021 bis 2023. Die EU betonte außerdem, man wolle sich auf mRNA-Impfstoffe konzentrieren wie sie Biontech/Pfizer, aber auch Curevac aus Tübingen produzieren. Die Kurse der deutschen Biotech-Hoffnungsträger zogen vergangene Woche um über zehn Prozent an.

Die Geldprofis weltweit setzen stark auf die Zeit nach der Pandemie. Dies zeigt die jüngste Monatsumfrage der amerikanischen Bank ofAmerica Merrill Lynch (BofA). Demnach werden die globalen Fondsmanager in Hoffnung auf ein Comeback der Weltwirtschaft immer optimistischer: Inzwischen geben 62 Prozent der Portfoliomanager an, im Aktienmarkt übergewichtet zu sein. Das ist der zweithöchste jemals in der Umfrage gemessene Wert. Die 200 befragten Profis, die gemeinsam 530 Milliarden US-Dollar verwalten, haben Bank-, Pharma- und Industriewerte am stärksten übergewichtet. Unbeliebt sind dagegen Versorger, Basiskonsumgüterhersteller und Kommunikationsdienstleiser. Zudem setzen die Manager vermehrt auf europäische Aktien. Bei den Investments werden Value-Werten mehr Chancen eingeräumt als Wachstumstiteln. Doch bei einigen Fondsmanagern wachsen die Zweifel am Börsenboom. So ist der Portfolio-Bargeldbestand im Schnitt leicht gestiegen. Als größte Gefahrenquellen für den Kursaufschwung haben die Profis einen Anleihecrash, die Inflation und höhere Steuern ausgemacht.

Die Aktienkurse weltweit zeigen seit dem Crash im Zuge des ersten Lockdowns vor rund einem Jahr steil nach oben. Die Verluste aus der Anfangsphase der Corona-Krise wurden in vielen Regionen längst wettgemacht. Doch es gibt Ausnahmen. Die Börsen in Lateinamerika hinken der positiven Entwicklung hinterher. Auf der einen Seite sind die lateinamerikanischen Staaten schwerer als andere von Corona getroffen. Auf der anderen Seite sind die wachstumsstärkeren asiatischen Schwellenländer zu großen Konkurrenten im Kampf ums Geld der Schwellenländerinvestoren geworden. Eine Hoffnung bleibt aber für die Verlierer: Sollten die Preise für Öl, Kupfer und Sojabohnenweiter steigen, dürften auch die Börsen rohstoffreicher Länder wie Brasilien anziehen.


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badmoon
3 Jahre her

Und wieder so ein “ Experte „. Schon vor der sogenannten “ Pandemie“ versorgten die Notenbanken-EZB -die Märkte mit frisch gedrucktem Geld. Und wie schnell sich die Börse dreht, sieht man an den heutigen Kursen. -300 gegenüber Freitag.

USE
3 Jahre her

: Ich habe einen Vorschlag. Bitte verwenden Sie das Wort „Pandemie“ im Zusammenhang mit Corona nicht mehr. Es herrschte und herrscht nie eine Pandemie. Es sind letztendlich nur ganz Wenige von Corona betroffen. Hunderttausende jedoch von den Coronamaßnahmen.

Elli M
3 Jahre her

„Notenbanken versorgen die Märkte wegen der Pandemie mit Unmengen von Geld“. Oh nein, nicht „wegen“ sondern „unter dem Vorwand“ eines völlig zufällig erschienenen und zur Pandemie erklärten Virus.