Scheitern des Brexit-Deals ein non-event

Die neue Schlappe für die britische Premierministerin Theresa May und ihren Brexit-Deal im Unterhaus nahmen die Investoren gelassen auf.

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Die Wall Street hat den größten Quartalsgewinn seit 2009 erzielt. Dazu trugen, dank neuer Hoffnungen auf eine gütliche Lösung im Zollstreit zwischen den USA und China, auch die Gewinne an diesem Handelstag bei.Der Leitindex Dow Jones Industrial beendete den Tag mit einem Plus von 0,8 Prozent auf 25.929 Punkte und einem Wochengewinn von 1,7 Prozent. Für das erste Jahresviertel summiert sich damit das Plus auf 11,2 Prozent, womit es das stärkste erste Quartal seit 2013 ist.

Der S&P 500 stieg um 0,7 Prozent auf 2.834 Punkte und heimste im ersten Quartal ein Plus von 13,1 Prozent ein. Solch einen satten Gewinn hatte es in diesem Zeitraum des Jahres seit 21 Jahren nicht mehr gegeben. Der technologielastige Auswahlindex Nasdaq 100 beendete den Handel mit einem Plus von 0,8 Prozent auf 7.379 Zähler und fuhr im ersten Quartal damit sogar einen Gewinn von 16,6 Prozent ein.

Stützend wirkten aktuell die von den USA und China beidseitig als positiv gelobten Handelsgespräche. Sie sollen in der neuen Woche fortgesetzt werden. Zudem lieferten überwiegend positiv bewertete Wirtschaftsdaten weiteren Schub. Diese deuteten die im Februar wieder deutlich gestiegenen Neubauverkäufe eine Belebung des Immobiliensektors an, wie es seitens der Helaba hieß. Zudem verwies Analyst Ulrich Wortberg auf den nach oben revidierten Michigan-Index, der als wichtiges Barometer für die Wirtschaftsstimmung gilt.

Dagegen hatte sich das Stimmungsbarometer der wichtigen Wirtschaftsregion Chicago im März deutlicher als erwartet abgeschwächt, so dass laut dem Helaba-Kollegen Patrick Boldt die momentanen Wirtschaftssorgen weiterhin nicht abklingen dürften. Zugleich müsse sich damit aber auch niemand Sorgen um rasche weitere Zinsanhebungen in den USA machen, hieß es.

Ein Damoklesschwert schwebt allerdings über der Wall Street: Die Zinsstrukturkurve sieht seit Kurzem aus, wie sie nicht aussehen sollte: invers. Das bedeutet, dass lang laufende Anleihen niedriger rentieren als kurz laufende. In den USA war das kurzzeitig beim Vergleich der Drei-Monats-Staatsanleihen mit den Zehn-Jahres-Treasuries der Fall. Das Problem: Eine solche Konstellation ergibt sich, wenn die Inflationserwartungen sehr niedrig sind, was meist daher kommt, dass Marktteilnehmer eine Rezession erwarten. Deshalb gilt die inverse Zinsstruktur auch als böses Omen für Aktienkurse. Sie ist sogar einer der verlässlichsten Frühindikatoren einer Baisse. Doch bevor Anleger jetzt in Panik ausbrechen: Es gibt auch hier Fehlsignale, womöglich war dies eines. Meist dauert es zudem eine geraume Weile vom Zinsumsturz bis zum Wendepunkt an den Aktienmärkten. Überdies weisen Ökonomen darauf hin, dass es vor allem auf den Vergleich der zwei- und dreijährigen Papiere mit den zehnjährigen ankomme. Und hier ist alles noch im grünen Bereich.​

Die deutsche Börse ist ebenfalls mit einem deutlichen Plus ins Wochenende gegangen. Der DAX stieg um 0,9 Prozent auf 11.526 Punkte. Für den Aufwärtstrend sorgte vor allem die Hoffnung auf das schon erwähnte baldige Ende des Zollstreits zwischen den USA und China. Der amerikanische Finanzminister Steven Mnuchin hatte erklärt, die Gespräche zur Beilegung des Handelsstreits mit China verliefen konstruktiv. Experten wie die Analysten der Bank UBS rechnen mit einer teilweisen Senkung der US-Strafzölle im Gegenzug für chinesische Zugeständnisse bei Importen, Marktzugängen und beim Schutz geistigen Eigentums.

Die neue Schlappe für die britische Premierministerin Theresa May und ihren Brexit-Deal im Unterhaus nahmen die Investoren dagegen gelassen auf. Größter Gewinner im DAX war die Aktie von ThyssenKrupp mit einem Plus von 3,8 Prozent. Das Unternehmen sicherte sich einen Großauftrag aus Brasilien. Dagegen verloren Wirecard-Aktien 8,7 Prozent an Wert.

Erstmals seit Herbst 2016 hat Deutschland wieder eine zehnjährige Bundesanleihe mit negativer Rendite platziert. Investoren zahlten dem Staat in Form einer Rendite von minus 0,05 Prozent Geld dafür, dass sie der Bundesrepublik Geld leihen dürfen. Dies wird als Zeichen dafür gewertet, dass Anleger angesichts trüber Konjunkturaussichten bei ihren Investments auf Sicherheit setzen. Im Börsenhandel war die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen schon zuvor wieder in den negativen Bereich gefallen. Im Gegenzug stieg der Bund Future, der den Kurs einer zehnjährigen Bundesanleihe abbildet, deutlich über 166 Prozent. Auch die Rendite zehnjähriger US-Staatsanleihen gab im Wochenverlauf weiter nach.

Mit den Fahrdiensten Lyft und Uber, der Fotoplattform Pinterest, dem Ferienwohnungsvermittler Airbnb und dem Messenger-Dienst Slack streben in diesem Frühjahr so viele US-Techunternehmen wie schon lange nicht mehr an die Börse. Einhörner heißen diese Firmen im Fachjargon, die in Finanzierungsrunden Bewertungen von mehr als einer Milliarde Dollar erzielen — in Anlehnung an das gehörnte, pferdeähnliche Fabelwesen.

Eine ganze Herde solcher Einhörner steht derzeit am Start. Fabelhaft sind dabei vor allem die Bewertungen. Den Vorreiter macht die Taxi-App Lyft, die am Freitag ihr Debüt an der Technologiebörse Nasdaq gab. Die Aktien waren zuvor am oberen Ende der Preisspanne platziert worden. Mit einer Bewertung von 24 Milliarden Euro ist es das bislang größte Initial Public Offering (IPO) des Jahres.

Die Nachfrage der Investoren war enorm, trotz eines Verlusts von 911 Millionen Dollar im vergangenen Jahr. Eine Perspektive, wann das 2012 gegründete Unternehmen aus den roten Zahlen kommen wird, ist allerdings ebenso wenig erkennbar wie bei den meisten anderen US-Tech-Börsenkandidaten.

Bei Weitem übertroffen wird Lyft noch vom Konkurrenten Uber, der zehn Jahre nach seiner Gründung voraussichtlich im April sein Börsendebüt geben könnte und dessen Unternehmenswert auf bis zu 120 Milliarden Dollar veranschlagt wird. Uber könnte damit eine der größten Tech-Aktienplatzierungen überhaupt werden.

Der derzeitige Boom bei den Börsengängen von US-Techfirmen überdeckt, dass der weltweite IPO-Markt im ersten Quartal stark zurückgegangen ist: Die Zahl der Börsengänge lag mit 199 um 41 Prozent unter der Zahl des Vorjahreszeitraums, das Emissionsvolumen ging sogar um 74 Prozent auf 13 Milliarden Dollar zurück. Konjunktursorgen, Handelskonflikte und politische Krisen wie der Brexit gelten als Ursache. Noch am besten lief es in China. In Europa reduzierte sich die Zahl der Neuemissionen um die Hälfte auf 23. Das Emissionsvolumen schrumpfte sogar um 98 Prozent auf 350 Millionen Dollar.

In Deutschland gab es im ersten Quartal überhaupt keinen Börsengang. Nach dem Rückzieher der VW-Lastersparte Traton, die ursprünglich bis zu sechs Milliarden Euro einsammeln wollte, mehren sich inzwischen auch die Fragezeichen bei der zweiten geplanten Großemission des Jahres, der Antriebssparte von Conti, die eigentlich im Herbst an den Start gehen sollte.

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