Für Börsianer sind es extrem spannende Zeiten. Selten standen so unterschiedliche Szenarien im Raum, wie die Reise an den Aktienmärkten weitergeht. Die Inflation ist hoch, nicht nur in Deutschland, wo der Preisauftrieb im November mit 5,2 Prozent den höchsten Stand seit 30 Jahren erreichte.
In den USA zogen die Konsumentenpreise zuletzt so stark an wie seit fast 40 Jahren nicht. Und der Index der Erzeugerpreise, ein wichtiger Indikator für den künftigen Preisauftrieb, stieg auf einen Rekordwert. Der Druck auf die US-Notenbank war also riesig vor der jüngsten Sitzung. Fed-Präsident Jerome Powell musste dabei eine Gratwanderung meistern: Powell darf den Preisauftrieb nicht aus dem Ruder laufen lassen. Zugleich gilt es für ihn insbesondere, die Investoren an der Wall Street nicht durch allzu straffe Inflationsbekämpfung zu verschrecken. Denn ein Absturz des Aktienmarkts würde Konsum und Investitionen und damit die US-Konjunktur stark belasten. Die Reaktion der Börse auf die Fed zeigt, dass Powell fürs Erste die richtige Balance gefunden hat. Die Wall Street zog trotz schärferer Gangart am Mittwoch und Donnerstag an, bevor der Übermut am Freitag bestraft wurde.
Der Dow Jones Industrial beendete jedenfalls eine von der Geldpolitik dominierte Woche im Minus und büßte 1,5 Prozent auf 35.365 Punkte ein. Auch auf Wochensicht ergibt sich damit ein Minus (von 1,7) Prozent. Der marktbreite S&P 500 fiel am Freitag um ein Prozent auf 4.621 Zähler. Für den technologieorientierten NASDAQ 100 ging es um 0,4 Prozent auf 15.801 Punkte nach unten.
Die US-Börsen wurden zudem durch den großen Verfall an den Terminbörsen belastet. Es liefen Optionen und Futures auf einzelnen Aktien und auf Indizes aus. Diese Tage sind bekannt für spürbar schwankende Kurse.
Mit Blick auf die Einzelwerte gab es eine ganze Reihe kursbewegender Nachrichten. So steht der SAP-Rivale Oracle laut einem Bericht des „Wall Street Journal“ vor der größten Übernahme seiner Geschichte. Er soll nach dem Gesundheitssoftware-Spezialisten Cerner greifen, dessen Aktien an der S&P-500-Spitze um rund 13 Prozent in die Höhe schnellten. Analyst Karl Keirstead von der UBS zog dagegen für die Oracle-Anleger ein negatives Fazit. Unter anderem befürchtet er durch eine so große Übernahme einen gravierenden Schwenk des Konzerns weg von seinem Fokus auf schulden- und barmittelfinanzierte Aktienrückkaufprogramme. Die Papiere von Oracle büßten mehr als sechs Prozent ein.
Die Anteilsscheine des Logistikers Fedex zogen um rund fünf Prozent an. Die Anleger honorierten damit einen überraschend starken Quartalsbericht und den erhöhten Gewinnausblick. Die Aktien des Tesla-Rivalen Rivian wiederum waren im Handelsverlauf auf den tiefsten Stand seit dem Börsengang im November gefallen und sackten am Ende um gut zehn Prozent ab. Das Unternehmen musste bei seiner ersten Zahlenvorlage zugeben, dass das diesjährige Produktionsziel von 1200 Elektro-Pick-ups wohl um einige Hundert Autos verfehlt wird. Die Produktion hochzufahren sei schwieriger als gedacht, sagte Unternehmenschef Robert Scaringe.
Zuvor hatte sich schon der DAX im Rückwärtsgang befunden. Zwar der deutsche Leitindex seine Tagesverluste im späten Handelsverlauf deutlich, doch derbes Heiden ausgefallene Ifo-Geschäftsklimaindex lastete bleischwer auf der Stimmung der Anleger. Mit minus 0,7 Prozent auf 15.532 Punkte schloss der Leitindex letztlich aber über der wichtigen 200-Tage-Linie, die charttechnisch interessierten Anlegern den den längerfristigen Trend signalisiert. Der MDAX, der Index der mittelgroßen Börsentitel, schloss nach einer Berg- und Talfahrt mit 34.461 Punkten sogar fast unverändert. Der Eurozonen-Leitindex EuroStoxx 50 verlor dagegen ein Prozent auf 4.161 Zähler. Ähnlich schwach schloss der Pariser Leitindex, während in London geringe Gewinne verbucht wurden.
Wie das Ifo-Geschäftsklima für Dezember sichtbar gemacht hat, belastet die aktuelle Corona-Welle die Stimmung in der deutschen Wirtschaft erheblich. Der wichtigste deutsche Konjunktur-Index gab den sechsten Monat in Folge nach und fiel auf den tiefsten Stand seit Februar. „Viel Schatten, wenig Licht“, kommentierte Volkswirt Jörg Zeuner von der Fondsgesellschaft Union Investment. Eine schnelle Besserung sieht er angesichts der sich rasant ausbreitenden Omikron-Variante des Coronavirus vorerst nicht.
Auf dem Dax lasteten vor allem die verschlechterten Aussichten der Autobranche. Daimler sackten als Schlusslicht um 4,2 Prozent ab. Volkswagen und Porsche büßten jeweils mehr als dreieinhalb Prozent ein und BMW gaben um drei Prozent nach. Die zu Anfang der Woche noch freundliche Stimmung sei dem Pessimismus gewichen, da neue virusbedingte Beschränkungen und steigende Infektionszahlen die Risikofreude der Anleger ausgebremst hätten, begründete Marktanalyst Michael Hewson von CMC Markets UK die Verluste des Sektors. Zudem hatte die britische Bank HSBC ihre Kaufempfehlung für die Daimler-Aktie gestrichen.
Das Geschäft mit Übernahmen und Fusionen in Europa boomt. Laut Datenanbieter Bloomberg wird 2021 mit einem Gesamtumsatz von 1,3 Billionen US-Dollar das beste M & A-Jahr seit 2007 sein. Zum Vergleich. 2020 und 2019 ging nur rund die Hälfte dieser Summe über den Tisch. Und die Aussichten bleiben gut, glaubt man Analysten der Citigroup. Sie schätzen, dass das Volumen an Übernahmen und Fusionen 2022 noch einmal um 15 Prozent nach oben gehen dürfte. Denn Geld ist in den Kassen vieler Konzerne genug vorhanden, die Kredite sind weltweit billig und die Unternehmen trotz der Aktienmarktrally zum Teil noch sehr attraktiv bewertet. „Es gibt noch so viele börsennotierte Titel, die extrem günstig sind“, sagt etwa Toby Clothier, Investment-Stratege bei der Schweizer Bankengruppe Mirabaud. Value-Werte auf dem gesamten Kontinent dürften daher besonders im Fokus der Käufer stehen. Die französische Bank Société Générale hat hier unter anderem die Titel von Nokia, ITV und Worldline als heiße Kandidaten identifiziert. Regional gesehen steht Großbritannien im Fokus, da viele britische Werte aufgrund von Sorgen über die Auswirkungen des Brexits mit einem Abschlag aufs Kurs-Gewinn-Verhältnis von bis zu 40 Prozent gegenüber globalen Rivalen gehandelt werden. Schon in diesem Jahr gingen 32 Prozent aller westeuropäischen M & A-Deals auf der Insel über die Bühne.
Der globale Schuldenberg wächst rasant. So stiegen laut dem Internationalen Währungsfonds (IWF) die weltweiten Verbindlichkeiten privater und öffentlicher Haushalte sowie der Unternehmen im vergangenen Jahr um 28 Billionen Dollar auf insgesamt 226 Billionen US-Dollar. Somit hat sich der Schuldenstand im Verhältnis zum weltweiten Bruttoinlandsprodukt von 227 auf 256 Prozent erhöht. Angesichts dieser Entwicklung fürchtet der IWF bei einem starken Zinsanstieg um die Stabilität des globalen Finanzsystems.
Die Stimmung der globalen Fondsmanager-Gilde hat sich wieder etwas eingetrübt. Das unterstreicht die neue Monatsumfrage der Bank of America (BofA) unter 330 Geldprofis weltweit, die zusammen rund 968 Milliarden US-Dollar verwalten. Demnach ist der durchschnittliche Bargeldanteil in den Portfolios von 4,4 auf 5,1 Prozent gestiegen, das ist der höchste Stand seit März 2020. Grund für diese defensivere Ausrichtung ist die Befürchtung, dass die US-Währungshüter die Geldpolitik rascher als erwartet straffen könnten. Interessant ist, dass 55 Prozent der Befragten (Vormonat: 61 Prozent) die Inflation als vorübergehendes Phänomen einschätzen, das 2022 an Bedeutung verliert. Gleichzeitig setzen die Fondsmanager mehrheitlich auf eine positive Entwicklung bei den Unternehmensgewinnen und bei den Kurschancen für Aktien. Favorisiert werden Papiere von Healthcare-Unternehmen, die deutlich übergewichtet werden. Technologie-Aktien bleiben zwar weiterhin sehr populär, haben aber zum Vormonat wegen einer möglichen Überbewertung der Titel bei den Geldverwaltern an Beliebtheit eingebüßt.
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Alles Schnee von Gestern, wie man an dem heutigen Kurssturz sieht.
Es wird alles möglich abstürzen, nur nicht die Heilsgewissheit der Klimasektierer (sorry, Klimasektierende*innen und -außen)