Die Frage über den Zeitpunkt einer ersten Leitzinssenkung in den USA bleibt auch in der kommenden Woche spannend. Sie steht ganz im Zeichen wichtiger Konjunkturdaten aus der weltgrößten Volkswirtschaft, allen voran jenen zur Verbraucherpreisentwicklung.
Die Grundstimmung am US-Aktienmarkt ist weiter positiv. Der US-Leitindex Dow Jones Industrial schloss am Freitag mit 38.672 Punkten und damit 0,1 Prozent tiefer, blieb damit aber nahe am Rekordhoch und beendete die Woche in Summe fast unverändert. Der breit gefasste S&P 500 schaffte derweil eine weitere Bestmarke, zum Handelsende stieg er noch um 0,6 Prozent auf 5.027 Punkte. Tags zuvor war der Index das erste Mal über die Marke von 5.000 Punkten gestiegen, hatte aber noch darunter geschlossen.
Auch technologiewertelastige Nasdaq 100 erreichte einen weiteren Rekord. Für ihn ging es am Freitag um ein Prozent auf 17.962 Punkte nach oben. Sowohl der Nasdaq 100 als auch der S&P 500 haben nun schon die fünfte Woche in Folge zugelegt, dieses Mal um 1,8 Prozent beziehungsweise um 1,4 Prozent.
Wesentlicher Treiber der Rally bleiben schwergewichtete Technologiewerte, die vom Hype um Künstliche Intelligenz profitieren. Die Hoffnungen auf rasche Leitzinssenkungen, die die Börsen gegen Ende des vergangenen Jahres angetrieben hatten, sind unterdessen mittlerweile deutlich gedämpft; denn die US-Notenbank will den Zins nicht zu früh senken und damit ein Wiederanziehen der Inflation riskieren. So hatte sich zuletzt unter anderem der Arbeitsmarkt stark gezeigt – und dies kann zu höheren Löhnen führen und damit auch die Inflation anfachen. Gleichzeitig nährten die zuletzt insgesamt durchaus guten Konjunkturdaten die Hoffnung, dass die starken Leitzinserhöhungen durch die Fed die Inflation unter Kontrolle bringen, ohne die Wirtschaft abzuwürgen.
Mit Blick auf Einzelwerte belegten mit Intel, Microsoft und IBM drei Technologiekonzerne die ersten Plätze im Dow Jones – mit Gewinnen von bis zu knapp zwei Prozent. Im Nasdaq 100 setzten die Aktien des Spezialisten für Grafikarten- und KI-Chips Nvidia ihre Rally mit einem Plus von 3,6 Prozent fort.
Einer der größten Dow-Verlierer waren die Aktien des Unterhaltungskonzerns Walt Disney mit einem Minus von fast 1,9 Prozent. Hier dürften allerdings vor allem kurzfristig orientierte Anleger Kasse gemacht haben, nachdem der Aktienkurs tags zuvor nach einem überraschend guten Gewinnausblick um 11,5 Prozent hochgeschnellt war.
Auch am Freitag sorgte die laufende Berichtssaison für Gesprächsstoff. Der Getränke- und Snackkonzern Pepsico geht zwar optimistisch ins neue Jahr und erwartet 2024 weitere Zuwächse, allerdings dürfte der Schwung nachlassen. Der Aktienkurs fiel um 3,6 Prozent.
Das Online-Reisebüro Expedia verunsicherte Anleger mit einem überraschenden Wechsel an der Unternehmensspitze. Zudem fielen die Quartalszahlen zum Teil schlechter aus als erwartet. Die Papiere verloren fast 18 Prozent. Laut Experten könnte der Führungswechsel ein Zeichen für ein fortgesetztes Ringen im Kampf um die strategische Ausrichtung der Reisebuchungswebsite sein. Die Analysten des Investmenthauses Jefferies glauben, dass die aktuellen Nachrichten das Vertrauen in die Trendwende des Unternehmens schmälern könnten. In den Sog von Expedia gerieten auch Aktien einiger Wettbewerber. Die Anteilscheine von Airbnb , Booking Holdings und Tripadvisor büßten bis zu 3,7 Prozent ein.
Die jüngst arg gebeutelten Papiere der New York Community Bancorp legten nach Bekanntwerden von Aktienkäufen durch Vorstands- und Verwaltungsratsmitglieder des Geldhauses um knapp 17 Prozent zu. Mit Blick auf den Chart ist das allerdings erst einmal nicht mehr als ein weiterer Stabilisierungsversuch, nachdem der Aktienkurs seit der vergangenen Woche um bis zu rund 65 Prozent eingebrochen war. Hintergrund der schlechten Stimmung war vor allem die Aufstockung der Risikovorsorge für ausfallgefährdete Gewerbeimmobilienkredite gewesen.
Der Euro wurde zum Börsenschluss an der Wall Street zu 1,0786 Dollar gehandelt und damit leicht höher als am Vortag. Am US-Rentenmarkt stieg die Rendite für zehnjährige Staatspapiere auf 4,18 Prozent.
Zuvor hatte der Dax bei einem erneuten Anlauf den Sprung über die psychologisch wichtige Marke von 17.000 Punkten nicht geschafft. Nach einer Annäherung an diese Hürde bis auf wenige Punkte schreckten die Anleger wieder zurück. „Es fehlt einfach an Katalysatoren oder positiven Nachrichten, die den Ausbruch begünstigen“, kommentierte Konstantin Oldenburger vom Broker CMC Markets. Die Zeit für eine Pause scheine gekommen. Generell bleibe die Stimmung am Markt aber gut: Sorgen über vorerst weiter hohe Leitzinsen in den USA würden von der Hoffnung auf eine robuste Wirtschaftsentwicklung abgefedert.
Der deutsche Leitindex beendete den Handel mit einem Minus von 0,2 Prozent auf 16.927 Zählern, womit er sich im Wochenverlauf stabil zeigte. Der MDax der 50 mittelgroßen Werte fiel am Freitag ebenfalls um 0,2 Prozent und schloss bei 25 729 Punkten.
Siemens büßte als Dax-Schlusslicht 2,5 Prozent ein. Die Aktie litt unter Gewinnmitnahmen nach dem tags zuvor im Zuge der Quartalsbilanz erreichten Rekordhoch. Beiersdorf gerieten in den Sog enttäuschender Zahlen des Kosmetik-Konzerns L’Oreal und gaben um 1,4 Prozent nach. Die Energiebranche wurde von einer Gewinnwarnung des österreichischen Versorgers Verbund überschattet. RWE gaben um 1,5 Prozent nach und Eon verloren 0,5 Prozent.
An der Dax-Spitze setzte Infineon seine Erholung vom Vortag mit einem Plus von 1,5 Prozent fort. Generell bleibt die Stimmung für Halbleiterwerte dies- und jenseits des Atlantiks blendend, sodass in den hinteren Börsenreihen Werte wie Siltronic, Aixtron, PVA Tepla und Süss Microtec teils deutlich zulegten. Elmos profitierten zudem von einer Kaufempfehlung des Analysehauses Stifel und rückten um 3,8 Prozent vor. Nicht zuletzt ist es das Thema Künstliche Intelligenz, das viele Werte aus dem Tech-Bereich weiter antreibt.
Im MDax katapultierten besser als befürchtet ausgefallene Quartalszahlen die Aktien von Carl Zeiss Meditec auf den höchsten Stand seit neun Monaten. Zuletzt blieb ein Plus von 4,5 Prozent. Erstmals seit mehr als einem Jahr habe der Medizintechnikkonzern die Erwartungen übertroffen und bleibe auf Kurs zu seinen von Investoren bislang skeptisch gesehenen Jahreszielen, lobte Analyst Graham Doyle von der Schweizer Großbank UBS.
Am Rentenmarkt stieg die Umlaufrendite deutscher Bundesanleihen von 2,32 Prozent am Vortag auf 2,37 Prozent am Freitag.
Die Frage über den Zeitpunkt einer ersten Leitzinssenkung in den USA bleibt auch in der kommenden Woche spannend. Sie steht ganz im Zeichen wichtiger Konjunkturdaten aus der weltgrößten Volkswirtschaft, allen voran jenen zur Verbraucherpreisentwicklung. Daneben dürfte der weltgrößte Reisekonzern Tui wegen seiner Aktionärsabstimmung über einen Rückzug von der Londoner Börse Aufmerksamkeit auf sich ziehen und außerdem geht die Berichtssaison in die nächste Runde.
Auslöser für die unverändert optimistische Grundstimmung an den Aktienmärkten sind die mehr oder weniger solide US-Konjunktur, der nachlassende Teuerungsdruck und die unverminderte Hoffnung auf eine Zinswende dies- und jenseits des Atlantiks in absehbarer Zeit. Dennoch haben sich laut Analystin Claudia Windt von der Landesbank Helaba die geldpolitischen Spekulationen in den USA angesichts des starken Arbeitsmarktes etwas verschoben. So rechnen Experten nun eher später als früher mit einer Leitzinssenkung, da ein starker Arbeitsmarkt auch zu Inflationsdruck führen kann. Die Frage werde lauter, ob es womöglich erst im kommenden Jahr die erhoffte Zinswende geben könnte, schreibt Windt denn auch. Sollten die am Dienstag anstehenden US-Verbraucherpreise für Januar zeigen, dass die Verringerung des Inflationstempos (Disinflation) nicht mehr so deutlich ausfällt, berge dies Enttäuschungspotenzial.
Untermauern könnten diese Annahmen auch die Daten zu den US-Einzelhandelsumsätzen und der Industrieproduktion, die am Donnerstag veröffentlicht werden. Sie sollten laut der Claudia Windt belegen, dass es für die Fed keinen Handlungsdruck gibt, die Zinsen rasch zu senken. In Deutschland, so erwartet sie außerdem, könnte eine Stimmungsaufhellung beim ZEW-Index, der am Dienstag ansteht, zeigen, dass es auch hierzulande „ganz allmählich aufwärts geht“.
Auf Unternehmensseite werden unter den großen Konzernen der Flugzeugbauer Airbus und die Commerzbank, die beide am Donnerstag Quartalszahlen und Ausblicke vorlegen, Aufmerksamkeit erfahren. Wie die Analysten der Deutschen Bank und des Investmenthauses Jefferies erwarten, dürfte der freie Barmittelzufluss von Airbus angesichts starker Auslieferungen und Aufträge am Jahresende 2023 „deutlich über der Unternehmensprognose“ liegen.
Für die Commerzbank rechnet Goldman-Analyst Chris Hallam mit einem Gewinnrückgang im Schlussviertel 2023 im Vergleich zum Vorquartal. Für Krishnendra Dubey von Barclays sind die Prognosen für 2024 noch wichtiger, doch seien eigentlich „keine positiven Überraschungen“ zu erwarten, schrieb er.
Spannend dürfte noch die Hauptversammlung von Tui am Dienstag werden, denn dann stimmen die Aktionäre über den Abschied von der Börse in London ab. Sollte sich eine Mehrheit von drei Viertel der Stimmen dafür aussprechen, würde die Hauptnotierung wieder in Frankfurt sein. Damit hätte die Aktie eine gute Chance, im Juni in den MDax zurückzukehren.
Außerhalb der Börse beschäftigt die Beobachter der Wirtschaft nach wie vor der Zusammenbruch des Immobilien- und Handelskonzerns Signa. Inzwischen ist es auch zu den ersten Strafanzeigen gegen Gründer René Benko gekommen, weil wohl kurz vor dem Insolvenzantrag noch hohe Millionenbeträge verschoben wurden. Gläubiger und Investoren des Immobilienkonzerns wollen mit den Anzeigen genauere Aufklärung über den Verbleib signifikanter Geldmittel erreichen. In einem 22 Seiten umfassenden Dokument machen sie laut der österreichischen Zeitung „Die Presse“ geltend, dass sie bei der Projektgesellschaft Signa Development „einen beträchtlichen Abfluss von Vermögenswerten in der Höhe von mehr als 662 Millionen Euro an (indirekte) Anteilseigner und Schwestergesellschaften» festgestellt hätten. Dafür gebe es keine wirtschaftliche oder operative Rechtfertigung. Die „Financial Times“ hatte schon vor einigen Tagen berichtet, dass die Signa Development kurz vor dem Insolvenzantrag vom 29. Dezember 300 Millionen Euro an zwei Unternehmen verschoben habe, die unter der Kontrolle der Benko selbst zugerechneten und nach seiner Tochter benannten Laura-Privatstiftung stehen sollen. Die Sanierungsverwalterin sagte gegenüber der «Presse», es würden derzeit alle Zahlungen an nahestehende Gesellschaften überprüft. Damit gerät nun Benko selbst ins Visier. Einer der wichtigsten Mitinvestoren der Gruppe, der Bauunternehmer Hans Peter Haselsteiner, erklärte kürzlich in einem ORF-Interview. Benko – obwohl ohne offizielle Funktion – habe stets die Zügel in der Hand gehabt. Würden sich Staatsanwaltschaft und Gerichte dieser Sichtweise anschließen, stünde Benko als „faktischer Geschäftsführer“ auch persönlich in der Verantwortung.
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