Wer die Kursentwicklungen an den Märkten seit Jahresbeginn verfolgt, hat den Eindruck, die Aktienkurse wären gegen negative Corona-Folgen geimpft worden — lange bevor die Menschen es sind.
Noch während des offiziellen Handels war der deutsche Leitindex DAX nahe an sein Rekordhoch herangerückt und hatte gegenüber Donnerstag 0,9 Prozent im Plus bei 14.749 Punkten geschlossen. Gewinner im DAX war die Covestro-Aktie mit einem Plus von fast vier Prozent. Schlusslicht im Börsenbarometer war die BASF-Aktie mit einem Verlust von rund 0,8 Prozent. Damit setzte das Papier den jüngsten Rückschlag mit leichten Verlusten fort. Vom Kapitalmarkttag kamen für Anleger aber vorsichtig optimistische Signale.
Beachtung fand auch, dass der Volkswagen-Konzern nun die Ex-Chefs Winterkorn und Stadler im Dieselskandal belangen will. Mit dem Beschluss des Aufsichtsrats in Wolfsburg enden jahrelange Untersuchungen, die neben der Aufarbeitung der Abgasaffäre vor vielen Straf- und Zivilgerichten auch intern angeschoben worden waren. Welche konkreten Summen von den zwei Managern verlangt werden könnten, steht bisher noch nicht fest.
Der Gabelstaplerhersteller Jungheinrich hat das abgelaufene Geschäftsjahr dank Sparmaßnahmen und einem starken Schlussquartal besser abgeschlossen als zu Beginn der Pandemie erwartet. Trotz des coronabedingten Konjunktureinbruchs hat der SDax-Konzern überall mindestens das obere Ende der Prognosespanne erreicht, wie die Hamburger am Freitag mitteilten. Auch für 2021 ist Jungheinrich optimistisch.
Die Blockade des Suezkanals trifft auch die deutsche Chemie- und Pharmabranche. „In der Chemieindustrie und bei ihren industriellen Kunden sind momentan die Lieferketten aus Asien unterbrochen“, sagte Henrik Meincke, Chefvolkswirt des Verbands der Chemischen Industrie (VCI), am Freitag in Frankfurt. Dadurch komme es zu Engpässen bei wichtigen Vorprodukten. „Auch die Chemienachfrage in Europa wird negativ beeinflusst. Sollte es am Wochenende nicht gelingen, den Suezkanal wieder frei zu bekommen, wird sich die Lage deutlich verschlechtern“, sagte Meincke. Die Blockade des Suezkanals bedeutet für den Welthandel nach Schätzung der Allianz Einbußen von 6 bis 10 Milliarden Dollar pro Woche. 2019 seien durch den Kanal 1,25 Millionen Tonnen Fracht befördert worden, 13 Prozent des gesamten Welthandelsvolumens, schreiben die Volkswirte der Allianz in einer am Freitag veröffentlichten Analyse. „Insbesondere wird dieser Zwischenfall zu Lieferverspätungen von Alltagsprodukten für Verbraucher weltweit führen“, prophezeit Deutschlands größter Versicherer.
Die New Yorker Aktienbörsen haben am Freitag auf den letzten Metern noch einmal Vollgas gegeben. Damit endete eine durchwachsene Woche mit einem positiven Schlussakkord. Als Kurstreiber machten Marktbeobachter erfreuliche Konjunkturdaten, positive Nachrichten für den Bankensektor und die rasant verlaufende Corona-Impfkampagne in den Vereinigten Staaten aus.
Der Leitindex Dow Jones Industrial behauptete sich den gesamten Handelstag in positivem Terrain, bevor er in den letzten Minuten noch einmal einen kräftigen Schub bekam. Am Ende stand ein Kursplus von 1,4 Prozent auf 33.073 Punkte zu Buche, womit er sein nur wenige Tage altes Rekordhoch von 33.227 Punkten wieder ins Visier nahm. Auf Wochensicht verbuchte das Börsenbarometer einen Wertzuwachs in einer ähnlichen Größenordnung. Auch die anderen Indizes brannten kurz vor Schluss noch ein Kursfeuerwerk ab: Für den marktbreiten S&P 500 ging es letztlich um 1,7 Prozent auf 3.975 Punkte hoch, womit er nur knapp eine neue Bestmarke verpasste. Beide Standardwerte-Indizes hatten am Donnerstag letztlich einer Schwächephase getrotzt. Der technologielastige NASDAQ 100 rückte nach den moderaten Vortagsverlusten letztlich um 1,6 Prozent auf 12.979 Zähler vor.
Wie die von der Universität Michigan erhobene Verbraucherstimmung belegte, hellte sich das Konsumklima in den USA im März deutlich auf und erreichte den höchsten Stand seit einem Jahr. Sowohl die Erwartungen als auch die Lagebewertung der Verbraucher verbesserten sich deutlich. Die Universität führte die Zuwächse auf die Fortschritte in der Corona-Impfkampagne und staatliche Unterstützungszahlungen zurück.
Gleichzeitig stützte der etwas geringer als erwartet ausgefallene Anstieg der persönlichen Konsumausgaben (PCE) für den Februar die Einschätzung der Notenbank Fed, dass der Inflationsdruck sich bisher in Grenzen hält. Damit stehen die Währungshüter auch nicht unter Druck, schon bald die Zinsen anheben zu müssen, was die Attraktivität der Anlageklasse Aktien gegenüber festverzinslichen Wertpapieren schmälern würde.
Am Donnerstag nach Börsenschluss hatte die Fed zudem mitgeteilt, dass sie Ende Juni ihre Corona-bedingten Restriktionen für Dividenden und Aktienrückkäufe der Banken aufheben werde. Bei den Branchentiteln ließ die anfängliche Euphorie allerdings etwas nach.
Hinzu kamen Aussagen von US-Präsident Joe Biden, der am Vortag das Impfziel für seine Kampagne verdoppelt hatte. Statt 100 sollen nun 200 Millionen Dosen in den ersten 100 Tagen seiner Amtszeit gespritzt werden. Dass dies bei den Marktteilnehmern gut ankommt, liegt vor allem an deren Hoffnung auf eine schnelle Rückkehr zu einer pandemiefreien und sich erholenden Konjunktur.
Die Aktien der Ölkonzerne Chevron und Exxon Mobil profitierten mit Gewinnen von 2,3 beziehungsweise 2,7 Prozent davon, dass die anhaltende Blockade des Suez-Kanals nach der Havarie eines Frachters zuletzt die Ölpreise steigen ließ. Trotz fortlaufender Bemühungen von Schlepperbooten und anderem Gerät gibt es bei den Bergungsarbeiten noch immer keine Fortschritte. Der japanische Eigentümer hofft, den Frachter an diesem Wochenende freizubekommen.
Die Papiere des Tabakkonzerns Altria profitierten mit über 4,5 Prozent Plus von einer positiven Studie: Das Analysehaus Jefferies stufte sie hoch und rät nun zum Kauf.
Doch nicht alle Werte überzeugen derzeit die Experten. Das zeigt die Untersuchung des Analysten-Meinungsklimas in internationalen Leitmedien wie dem „Wall Street Journal“ und der „Financial Times“ durch das Züricher Medienanalyseinstitut Media Tenor International. „Mit einem Sentiment-Saldo von +71 liegen Netflix und Siemens im ersten Quartal bis jetzt ganz vorn“, so Matthias Vollbracht, Leiter Research bei Media Tenor. Infineon, Salesforce und Apple kommen ebenso wie die Deutsche Telekom auf einen Sentiment Saldo von +50 und mehr. Adidas überraschte Märkte und Öffentlichkeit vor knapp einem Jahr mit seinem Corona-Finanzkrisenmanagement. In den ersten Wochen dieses Jahres sehen die Analysten das Unternehmen dagegen auf der Spur (+42). Am unteren Rand der Sentiment-Tabelle unter den 30 am ausführlichsten diskutierten Aktien stehen BP (-62,5), Petrobras (-21,4) und die Commerzbank (-20). Bemerkenswert ist noch das schlechte Abschneiden von Facebook (-4) trotz vorgelegter Rekordzahlen. Analysten haben offenbar Bedenken, dass ein wachsender Bürgerwunsch nach Datenschutz Löcher in die Planken des Werbetankers bohren könnte. Insgesamt wurden 10 533 Aussagen ausgewertet.
Die Verzögerungen bei der Impfkampagne sorgen dafür, dass Volkswirte bei ihren Konjunkturprognosen für Deutschland den Rotstift ansetzen. Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) kürzt seine Erwartungen von vier auf drei Prozent BIP-Wachstum für 2021. Das Ifo-Institut senkt seine Prognose von 4,2 auf 3,7 Prozent. Die zu Beginn des Jahres noch äußerst optimistischen Ökonomen klingen inzwischen erheblich vorsichtiger. Timo Wollmershäuser, Ifo-Konjunkturchef, stellt quasi gleich die nächste Korrektur in Aussicht: „Die Prognose hängt entscheidend vom weiteren Pandemieverlauf ab. Sollten die Umsätze in den von der Corona-Krise unmittelbar betroffenen Dienstleistungsbranchen um weitere drei Monate auf dem niedrigen Niveau des ersten Quartals verharren, so würde der Anstieg der Wirtschaftsleistung in diesem Jahr um 0,3 Punkte niedriger ausfallen und nur bei 3,4 Prozent liegen.“
In eine ganz andere Richtung weisen die Signale in den USA. Dort erwartet die Notenbank im laufenden Jahr ein Wirtschaftswachstum von 6,5 Prozent, Finanzministerin Janet Yellen prophezeit für 2022 die Rückkehr zur Vollbeschäftigung. Fed-Mitglied Robert Kaplan geht sogar von einer Zinserhöhung bereits im kommenden Jahr aus — bisher vertritt er damit unter seinen Kollegen aber noch eine Einzelmeinung.
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