Neuer Realisimus dominiert Jahresstart – Rekorddividenden im DAX erwartet

Wer sich von den täglichen Zuckungen der Kurse nicht kirremachen lässt, kann auch nach einem eher enttäuschenden Start ins neue Jahr optimistisch auf sein Aktienportfolio schauen. Denn zumindest die Dividenden werden ihm auch 2024 Freude machen.

IMAGO / STPP

Aktionäre deutscher Konzerne dürfen nach Berechnungen der Dekabank bei den anstehenden Ausschüttungen für das Geschäftsjahr 2023 mit einer Rekordsumme an Dividenden rechnen. 54,6 Milliarden Euro werden die 40 Unternehmen im Deutschen Aktienindex zusammen ausschütten, so die Bank. Damit würde der Vorjahreswert im Dax um 1,6 Milliarden Euro übertroffen (wobei die Sonderdividende, die der Autobauer Volkswagen für den erfolgreichen Börsengang der Tochter Porsche zahlte, nicht berücksichtigt worden ist).

Den Unternehmen sei es gelungen, „trotz schleppender Konjunktur und belastenden geopolitischen Krisenherden“ ihre Gewinne auf hohem Niveau zu halten, ordnete Deka-Kapitalmarktexperte Joachim Schallmayer die aktuellen Zahlen in einer Mitteilung ein. Nach derzeitigem Stand dürften für das abgelaufene Geschäftsjahr 26 der 40 Unternehmen die Ausschüttung je Aktie im Vergleich zum Vorjahr erhöhen. Bei elf Dax-Konzernen werde eine unveränderte Dividende erwartet, eine geringere wird es zufolge der Dekabank voraussichtlich bei Bayer, BMW und Fresenius geben.

Auch für 2025 rechnet die Dekabank mit einer weiteren Steigerung der Dividenden: „Es wird den Unternehmen 2024 gelingen, sich dank ihrer internationalen Ausrichtung von den herausfordernden heimischen Perspektiven abzukoppeln und vom globalen Wachstumsausblick zu profitieren und den Gewinn erneut zu steigern“, prognostizierte Schallmayer.

Am Freitag konnte die deutsche Börse mit dem Start der US-Börsen seine Tagesverluste weitgehend abschütteln. Jenseits des Atlantiks gab eine unerwartet deutliche Stimmungseintrübung im Dienstleistungssektor den Hoffnungen auf bald sinkende Zinsen neue Nahrung – trotz eines starken US-Arbeitsmarktberichts für den Monat Dezember. Die Kurse erholten sich daraufhin auch hierzulande. Der Dax verlor letztlich 0,1 Prozent auf 16.594 Punkte. Sein Wochenverlust beträgt damit fast ein Prozent. Der MDax erholte sich ebenfalls im Handelsverlauf am Freitag. Für den Index der mittelgroßen Werte stand am Ende ein Minus von 0,2 Prozent auf 26.058 Punkte zu Buche.

Inflationsdaten aus dem Euroraum bewegten kaum, obwohl sich die Teuerung Ende des vergangenen Jahres erstmals seit September wieder beschleunigt hatte. Das war jedoch erwartet worden. Laut Devisenexpertin Antje Praefcke von der Commerzbank sind die Januar-Daten für die Europäische Zentralbank (EZB) deutlich wichtiger.

Zu den größten Verlierern im Dax zählten die Aktien von Siemens mit minus 1,2 Prozent. Die Bank of America strich ihre Kaufempfehlung nach den Kursgewinnen der vergangenen Monate. Noch stärker schwächelten die Papiere des Online-Modehändlers Zalando, dem größten Dax-Verlierer des vergangenen Jahres, die sich mit einem Minus von 1,6 Prozent auf 19,06 Euro ihrem Rekordtief von 17 Euro näherten. Das hatten sie kurz nach dem Börsengang im Oktober 2014 erreicht.

Die Aktien der Commerzbank blieben im Leitindex dagegen weiter gefragt. Erneut waren sie bester Wert, dieses Mal mit einem Plus von 2,4 Prozent. Seit Jahresende beträgt ihr Gewinn inzwischen 9 Prozent.

Die Aktien von Redcare Pharmacy wurden im MDax von einer Kaufempfehlung der Privatbank Berenberg angetrieben. Sie sieht mittelfristig deutlich Luft nach oben und nennt ein Kursziel von 190 Euro. Dabei glaubt sie an kräftigen Rückenwind für die Online-Apotheke durch das E-Rezept. Die Redcare-Papiere legten um sieben Prozent auf 137 Euro zu. Getrieben von der Aussicht auf bessere Geschäfte nach einer flächendeckenden Einführung des E-Rezepts war ihr Kurs 2023 um fast 200 Prozent gestiegen, was den ersten Platz im MDax bedeutet hatte.

Im Nebenwerteindex SDax gewannen die Papiere des Anlagenbauers Dürr nach einer optimistischen Studie der Bank of America 4,3 Prozent. Aktuell sei im Aktienkurs keinerlei Geschäftserholung eingepreist, schrieb Analyst Elliott Robinson und stufte den Anteilschein auf „Buy“ hoch.

Am Rentenmarkt stieg die Umlaufrendite von 2,08 Prozent am Tag zuvor auf 2,18 Prozent.

Am US-Aktienmarkt taten sich am Freitag die Indizes nach Wirtschaftsdaten mit einer klaren Richtung schwer. Nach leichtem Auf und Ab setzte sich letztlich eine leicht positive Tendenz durch. So schloss der Dow Jones Industrial mit plus 0,1 Prozent auf 37.466 Punkte. Damit verbuchte der US-Leitindex in der ersten Woche des neuen Jahres gleichwohl einen Verlust von 0,6 Prozent. Der technologielastige Nasdaq 100 stieg am Freitag um 0,2 Prozent auf 16.306 Punkte. Der im Vorjahr mit plus 54 Prozent besonders stark gelaufene Index ließ in dieser Woche deutlicher Federn, die Wochenbilanz zeigt ein Minus von 3,1 Prozent. Für den marktbreiten S&P 500 ging es zum Freitagsschluss um 0,2 Prozent auf 4.697 Zähler nach oben.

Eine unerwartet starke Stimmungseintrübung im US-Dienstleistungssektor hatte den Kursen im frühen Handel zunächst Auftrieb gegeben, weil dadurch die in den vergangenen Tagen noch gedämpfte Hoffnung auf bald sinkende Zinsen wieder genährt wurde. Zuvor hatte selbst ein robuster US-Arbeitsmarktbericht für Dezember die Kurse nicht unter Druck setzen können.

Es scheint nach dem schwachen Jahresstart an den Börsen derzeit etwas mehr Realismus in den Kursen eingepreist zu sein. Die Euphorie bezüglich möglicher Zinssenkungen sei nun auf ein normales Maß gesenkt worden, betonte Analyst Konstantin Oldenburger vom Broker CMC Markets.

Ein Bericht über eine voraussichtlich bevorstehende Kartellklage gegen Apple durch das US-Justizministerium setzte die seit Jahresanfang schwachen Aktien des Technologiekonzerns weiter unter Druck. Wie die „New York Times“ berichtete, geht es darum, wie der iPhone-Hersteller andere Produkte und Dienstleistungen genutzt haben könnte, um sich gegen Bedrohungen für das Kerngeschäft zu schützen. Aus dem Handel gingen Apple am Freitag mit minus 0,4 Prozent.

Der Elektroautobauer Tesla muss bei mehr als 1,6 Millionen seiner Fahrzeuge in China nachjustieren. Grund sind Probleme mit der automatischen Lenkfunktion, wie es hieß. Die Papiere gaben um 0,2 Prozent nach. Sie hatten bereits in dieser Woche ihren Aufwärtstrend seit Ende Oktober gebrochen.

Die Aktien von Peloton bauten ihren hohen Kursgewinn vom Vortag nochmals deutlich aus, indem sie um 9,6 Prozent zulegten. Auslöser des Kurssprungs war die verkündete Partnerschaft des Herstellers vernetzter Fitnessgeräte mit der vor allem unter jungen Menschen weltweit sehr populären Social-Media-App Tiktok.

Für den Euro wurden nach Wall-Street-Schluss 1,0939 US-Dollar bezahlt. Am US-Rentenmarkt stieg die Rendite für zehnjährige Staatspapiere auf knapp über vier Prozent.

Ausblick: Am deutschen Aktienmarkt sind mit Beginn des neuen Jahres Zweifel und Unsicherheit zurückgekehrt. Die hochgesteckten Erwartungen, dass die US-Notenbank Fed 2024 und auch die Europäische Zentralbank (EZB) die Zinsen bald senken werden, sind seit Jahresbeginn gedämpft. Es stellt sich daher für viele die Frage, ob es in der zweiten Handelswoche 2024 weiter abwärts geht oder eine Erholung einsetzt.

Die Blicke der vermehrt aus den Weihnachtsferien zurückkehrenden Marktteilnehmer dürften sich daher auf die zahlreichen, anstehenden Wirtschaftsdaten richten. Zudem legen die ersten Großbanken aus den USA am Ende der zweiten Handelswoche ihre Berichte zum Schlussquartal 2023 vor, was in der Regel auch hierzulande bewegt.

„Die neue Handelswoche hat das Potenzial, das aktuelle Handelsbild noch einmal vollends umzukehren“, gibt sich Marktexperte Andreas Lipkow optimistisch. „Die Chancen für ein Soft-Landing der US-Konjunktur stehen gut und auch die Konjunktur in Asien dürfte sich zunehmend aufhellen. Positive Überraschungen von den US-Banken könnten ebenfalls dazu beitragen.“

Analystin Claudia Windt von der Helaba ist ebenfalls nicht grundsätzlich negativ. Zumindest sei es noch „viel zu früh“, jetzt schon an einem positiven Gesamtjahr für Aktien zu zweifeln, schreibt sie. Denn: „Das, was derzeit zu beobachten ist, entspricht vielmehr einer gesunden Konsolidierung.“ Dabei verweist sie darauf, dass Anleger zum Jahresende gern zu Übertreibungen neigten, was dann unter dem Namen „Jahresendrally“ laufe. „Nun beginnt 2024 mit etwas Ernüchterung, beziehungsweise mehr Realitätssinn“, überzogene Erwartungen an Leitzinssenkungen schwänden.
Die US-Verbraucherpreise werden am Donnerstag veröffentlicht. Zudem werden an den ersten beiden Tagen der neuen Woche November-Daten zu Industrieaufträgen und zur Industrieproduktion aus Deutschland bekannt gegeben.

Auf Unternehmensseite rücken vor allem die ersten bedeutenden Quartalsbilanzen aus den USA in den Fokus. So berichten am Freitagnachmittag (MEZ) JPMorgan, die Bank of America und die Citigroup über ihr abgelaufenes Jahresviertel und könnten womöglich auch erste Einschätzungen zum neuen Jahr mitliefern. Analystin Anke Reingen von der kanadischen Bank RBC erwartet, dass sich die gute Geschäftsentwicklung der vorangegangenen Quartale bei den globalen Investmentbanken fortgesetzt hat. Zudem hält sie die Rahmenbedingungen für 2024 für günstig.

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Kendra1958
10 Monate her

Nach bergauf wird es in 2024 ganz auch schnell bergab gehen.