Korrekur bei Techwerten, starke Zahlen vom US-Arbeitsmarkt

In diesen Tagen werden die Abschlüsse für das vergangene Jahr vorgelegt. Bei einigen Unternehmen stellt sich danach die Frage, ob die Kursrally des Januars nicht ein wenig übertrieben war. Insbesondere für Amerikas Technologiekonzerne, die allerdings im vergangenen Jahr an der Börse unter die Räder gekommen waren, hatte 2022 kein gutes Ende.

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Das Exportgeschäft kam durch den starken Dollar unter Druck, im Heimmarkt drosselte die drohende Rezession die Laune der Verbraucher, und die Werbekunden standen in diesem Umfeld auch auf der Bremse. Meta, Apple, Amazon und Alphabet gaben sämtlich düstere Quartalszahlen bekannt.

Selbst Apple, sonst der Streber unter den Techkonzernen, musste zum ersten Mal seit mehr als drei Jahren einen Umsatzrückgang auf 117 Milliarden Dollar verzeichnen. Ein Minus von fünf Prozent. Der Konzern litt vor allem darunter, dass er die Nachfrage nach dem neuen iPhone 14 nicht bedienen konnte – dabei ist das Smartphone das Zugpferd des Konzerns mit einem Umsatzanteil von mehr als 50 Prozent. Erst die Lockdownpolitik in China, dann die Proteste dagegen hätten dazu geführt, dass signifikant weniger iPhones als erwartet produziert und ausgeliefert werden konnten, begründete Apple-Chef Tim Cook den Erlösrückgang. Unter dem Strich fiel Apples Quartalsgewinn zum ersten Mal seit fast vier Jahren, nämlich um 13 Prozent auf 30 Milliarden Dollar.

Von derartigen Gewinnzahlen können die Kollegen bei den übrigen Highflyern des vergangenen Jahrzehnts nur träumen. Amazon durchlebt gerade eine der schwierigsten Phasen der Firmengeschichte und verzeichnete im vergangenen Quartal nahezu keinen Gewinn (278 Millionen Dollar). Der Einbruch wirkte besonders drastisch, weil der Konzern im Vorjahresquartal noch den grössten Gewinn seit der Gründung verzeichnet hatte (14,3 Milliarden Dollar). Ähnlich wie die anderen Big-Tech-Konzerne spürt Amazon als weltgrösster Versandhändler, dass die hohe Inflation die Konsumfreude drosselt. Zusätzlich belasten enorme Personalausgaben. Während der Pandemie hatte Jeff Bezos, der Gründer des Unternehmens und damals noch Vorstandsvorsitzender vor allem in den neu geschaffenen Logistikzentren zur Befriedigung der explodierenden Nachfrage im Online-Shopping die Belegschaft enorm aufgebläht. Der neue CEO Andy Jassy fährt nun seit einem guten Jahr einen harten Sparkurs und Personal reduziert. Nach wie vor arbeiten jedoch mehr als anderthalb Millionen Menschen für den Konzern. Selbst das Cloud-Geschäft AWS, das bei Amazon das Zugpferd des Konzerns ist, wuchs mit 20 Prozent so langsam wie seit Jahren nicht mehr. Amazon verweist darauf, dass Firmenkunden angesichts des sich abkühlenden Wirtschaftsumfelds sehr zurückhaltend bei Ausgaben für die Datenwolke seien.

Ähnlich geht es der Konkurrenz: Microsoft und Google, nach Amazon die größten Anbieter von Cloud-Diensten, vermeldeten ebenfalls eine deutlich schwächere Nachfrage in dem Segment. Googles Mutterkonzern Alphabet leidet aber nicht nur unter dem sich abschwächenden Cloud-Geschäft. Der Konzern aus Mountain View vermeldete am Donnerstag auch einen Rückgang im Werbegeschäft, und das erst zum zweiten Mal, seitdem Google 2004 an die Börse ging. Der Gewinn fiel um rund 30 Prozent auf 13 Milliarden Dollar. Alphabet steht zurzeit unter enormem Wettbewerbsdruck, da Fortschritte von Mitbewerbern in der künstlichen Intelligenz sein Suchmaschinenmonopol bedrohen. Dieses wiederum ist das Herz von Googles Werbegeschäft, was rund 80 Prozent zum Konzernumsatz beisteuert. Insbesondere Microsoft dürfte aus der Zusammenarbeit mit der Firma Open AI (ChatGPT) schon in Kürze Innovationen bei Suchfunktionen vorstellen. Mit der Suchmaschine Bing hatte Microsoft auf diesem Feld nie geschafft, Google richtig herauszufordern.

Auch Meta (Facebook, Instagram) will in diesem Segment nicht abseits stehen. Gründer und Chef Mark Zuckerberg verspricht Aktionären, dass KI bald ein „game changer“ für den Konzern werde. Metas Ziel sei es, führend in dem Bereich zu werden – auch mit Blick auf die Werkzeuge, die man Werbekunden bieten könne. Das scheint auch dringend nötig, denn Digitalwerbung macht zum Beispiel bei Facebook 97 Prozent des Umsatzes aus. Fast drei Milliarden Menschen weltweit nutzen täglich eines der sozialen Netzwerke des Konzerns. Die Investoren scheinen Zuckerbergs Versprechungen zu glauben: Metas Aktien stiegen am Donnerstag um 23 Prozent, der größte Tagesgewinn seit zehn Jahren. Mit Blick auf die harten Geschäftszahlen erstaunten die Kursgewinne: Der Konzernumsatz schrumpfte das dritte Quartal in Folge auf 32 Milliarden Dollar, der Gewinn brach gar um 55 Prozent auf vier Milliarden Dollar ein.

Kein Wunder, dass die Ernüchterung im Zuge der enttäuschenden Quartalsberichte zu Gewinnmitnahmen nach der jüngsten Rally führte. Hinzu kam, dass der Arbeitsmarkt im Januar eine überraschende Stärke gezeigt hatte – und damit der zuletzt diskutierten These, dass in puncto Geldpolitik bald wieder Lockerungen wahrscheinlich würden, einen Dämpfer erhielt. Für den technologielastigen Nasdaq 100 ging es um 1,8 Prozent auf 12.573 Punkte nach unten. Das Börsenbarometer hat seit Jahresbeginn gleichwohlrund 15 Prozent gewonnen. Der marktbreite S&P 500 fiel um gut ein Prozent auf 4.136 Punkte. Der Leitindex Dow Jones Industrial gab um 0,4 Prozent auf 33.926 Punkte nach. Auf Wochensicht ergibt sich damit ein Minus knapp 0,2 Prozent, während der Nasdaq 100 in dieser Betrachtung immer noch ein Plus von gut drei Prozent aufweist.

„Nach dem Arbeitsmarktbericht dürfte endgültig klar sein, warum die Fed weiterhin von anstehenden Zinserhöhungen im Plural spricht“, fasste Thomas Altmann von QC Partners die Lage am Freitag zusammen. Außerhalb der Landwirtschaft waren im Januar 517.000 Stellen hinzugekommen, während Analysten im Schnitt nur mit 188 000 neuen Stellen gerechnet hatten. „Der Bullenmarkt könnte noch etwas auf sich warten lassen“, gab sich angesichts dieser Zahlen auch Analyst Jim Reid von der Deutschen Bank vorsichtiger. Abseits der Tech-Werte stand insbesondere der Autosektor unter Beobachtung der Anleger. Unter den schwächsten Werten im S&P 500 büßten die Anteilsscheine von Ford fast acht Prozent ein. Der zweitgrößte US-Autobauer hatte sich zum Jahresende unerwartet schwergetan.

Der Euro litt deutlich unter den starken Konjunkturdaten aus den USA und notierte zuletzt bei 1,0793 US-Dollar. Die Europäische Zentralbank hatte den Referenzkurs zuvor noch auf 1,0937 Dollar festgesetzt. Auch US-Staatsanleihen verzeichneten vor diesen Hintergrund merkliche Verluste: Die Rendite zehnjähriger Staatspapiere stieg auf 3,53 Prozent.

Der überraschend starke US-Arbeitsmarktbericht hatte zuvor schon den Druck auf den deutschen Aktienmarkt erhöht. Nach seiner Kursrally am Vortag bis auf den höchsten Stand seit fast einem Jahr verlor der DAX zeitweise gut ein Prozent, letztlich schloss der Leitindex aber nur 0,2 Prozent tiefer bei 15.476 Punkten. Damit rettete er trotz aufkeimender Zinssorgen noch ein Wochenplus von mehr als zwei Prozent ins Ziel. Der MDAX der mittelgroßen Unternehmen sank am letzten Handelstag der Woche um 0,1 Prozent auf 29.779 Zähler.

Für die am Vortag stark gestiegenen Aktien der Immobilienkonzerne ging es in der Folge wieder bergab. Der zinssensible europäische Immobiliensektor büßte als schwächster der Stoxx-600-Übersicht 2,3 Prozent ein. Im DAX fiel Vonovia um 2,8 Prozent, im MDAX gerieten Aroundtown , LEG und TAG Immobilien noch deutlicher unter Druck.

Zu den Gewinnern gehörten die Vorzugsaktien des Konsumgüterherstellers Henkel gehörten mit einem Plus von knapp einem Prozent ebenfalls zu den Gewinnern im Leitindex. Händler verwiesen als Stütze auf überraschend gute Quartalszahlen und einen erhöhten Gewinnausblick vom US-Konkurrenten Clorox. Eine positive Analysteneinschätzung zu SGL gab den Aktien des Kohlefaserspezialisten mächtig Auftrieb. Sie gewannen an der SDAX-Spitze 12,5 Prozent. Experte Andreas Heine vom Investmenthaus Stifel hob das Kursziel von neun auf 13 Euro an und sieht damit noch immer fast 50 Prozent Kurspotenzial. Sein Optimismus basiert vor allem auf dem Markt für Siliziumkarbid-Halbleiter, der den Geschäftsbereich Graphite Solutions antreiben sollte.

Außerhalb der großen Börsenindizes brachen Leoni um 43,8 Prozent auf 3,39 Euro ein, zeitweise markierten sie ein Rekordtief von 3,15 Euro. Der in finanzielle Nöte geratene Autozulieferer zieht einen Kapitalschnitt zur Sanierung in Betracht. Für Leoni war ein bereits sicher geglaubter Teilverkauf geplatzt, der 400 Millionen Euro in die Kassen spülen sollte. Ein Kapitalschnitt wird in der Regel bei hohen Verlusten vorgenommen. Den Aktionären droht nun eine hohe Gewinnverwässerung.

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