Was sollen Börsianer schon denken, wenn sie hören, dass sich die Maispreise in den USA binnen eines Jahres mehr als verdoppelt haben. Oder dass Weizen weitaus teurer geworden ist, Bauholz ebenso, die Kupferpreise auf dem höchsten Stand seit über 20 Jahren stehen.
Stahl zieht an, Chips sind heiß begehrt und knapp, in der Folge werden die Lieferfristen etwa für Autos, insbesondere für Elektromobile, länger und länger. Keine Frage, worauf das alles hinausläuft: Die Preise ziehen an, die Inflationsraten steigen. Eine EZB-Bankerin prophezeit in Deutschland für 2021 bereits eine Spitze bei der Preissteigerung von drei Prozent. Die Inflationserwartungen in den USA ziehen ebenfalls an. Und Börsianer denken unweigerlich an das, was ihrer Meinung nach am besten niemals stattfinden sollte: Zinserhöhungen. Noch hat kein Banker der US-Fed oder der EZB dieses Wort ernsthaft in den Mund genommen.
Die wichtigsten US-Aktienindizes haben die turbulente Woche immerhin mit einem deutlichen Tagesgewinn beendet. Der Dow Jones Industrial stieg am Freitag um 1,1 Prozent auf 34.382 Punkte. Zu Beginn der Woche war das wichtigste Wall-Street-Barometer erstmals über die Marke von 35.000 Punkten geklettert, um zur Wochenmitte dann unter dem Eindruck der unerwartet hohen Inflation deutlich unter 34.000 Punkte zu sacken. Am Donnerstag setzte dann eine Gegenbewegung an. Auf Wochensicht gab der Dow rund ein Prozent nach.
Der marktbreite S&P 500 gewann 1,5 Prozent auf 4.174 Zähler. Der technologielastige NASDAQ 100 zog um 2,2 Prozent auf 13.393 Punkte an. Abermals beruhigten Mitglieder der US-Notenbank die Anleger mit Aussagen, die vom Wirtschaftsaufschwung ausgelösten Preissteigerungen seien nur vorübergehend. Bei einigen der jüngst im Preis stark gestiegenen Rohstoffe ginge es nun bergab – auch das ließ nun die Furcht vor einer schärferen Geldpolitik etwas abebben.
Marktteilnehmer äußerten jüngst immer wieder die Sorge, die im Zuge einer florierenden Konjunktur steigende Inflation könnte die Fed dazu bewegen, von ihrer sehr expansiven Gangart zur Stützung der Wirtschaft etwas abzurücken. Die Analysten von Credit Suisse können aber auch steigenden Inflationserwartungen etwas abgewinnen: Dies sei normalerweise positiv für zyklische Branchen, die besonders von der Konjunktur abhängen. Sie erwähnten vor allem die Bankenbranche, werthaltige Aktien und Nebenwerte.
Der Entertainment-Riese Walt Disney ächzt derweil weiter unter der Corona-Krise, auch der Erfolg im Streaming-Geschäft ließ zu Jahresbeginn deutlich nach. Da die Pandemie den Rest von Disneys Unterhaltungsimperium weitgehend lahmlegt, ist der Konzern auf die Streaming-Services angewiesen. Anleger reagierten enttäuscht auf die Zahlen, die Aktien waren mit einem Minus von gut 2,5 Prozent größter Verlierer im Dow, wo von den 30 Werten 25 im Plus notierten.
Das Online-Portal für Unterkünfte, Airbnb, wusste mit den Buchungen für das erste Jahresviertel die Analysten ebenfalls zu überzeugen. Die Aktie gewann vier Prozent.
Zuvor schon hatte der DAX seinen jüngsten Rücksetzer wieder aufholen können. Der deutsche Leitindex verabschiedete sich 1,4 Prozent höher bei 15.417 Punkten ins Wochenende. Am Vortag war der deutsche Leitindex unter die Marke von 15.000 Punkten und zeitweise bis auf den tiefsten Stand seit Ende März gefallen. Christian Henke vom Broker IG erklärte, für die Börsen bestehe letztlich aber nur dann eine Gefahr, wenn die Preise nachhaltig stiegen. Im DAX sicherte sich MTU den Spitzenplatz zum Wochenende. Gefolgt wurde der Konzern von Siemens Energy und Infineon. Als DAX-Schlusslicht ging Covestro aus dem Handel.
Deutsche Privatanleger haben im Vorjahr so viel in Aktien investiert wie nie zuvor. Dies geht aus einer am Montag veröffentlichten Studie von ING Deutschland und der Finanzberatung Barkow Consulting hervor. „2020 war in Deutschland ganz klar das Jahr der Aktienanlage“, sagt Thomas Dwornitzak, Leiter Sparen & Anlegen bei der ING Deutschland. „Chancenorientierte Anlegerinnen und Anleger haben gezielt auf diese Anlageklasse als sinnvolle Ergänzung zum klassischen Sparen gesetzt.“ Immerhin investierten sie Mittel in Rekordhöhe von 49 Milliarden Euro neu in Aktien. Das Anlagevolumen hat sich dadurch mit einem Anstieg von 160 Prozent gegenüber 2019 deutlich mehr als verdoppelt. Damit sind Aktien beim Wachstum einsamer Spitzenreiter gegenüber anderen Anlageklassen. Auch die Zuflüsse in Fonds sind 2020 in Deutschland mit 41 Milliarden Euro oder 32 Prozent gegenüber dem Vorjahr deutlich gestiegen.
In Frankreich möchte das Musik-unternehmen Believe mit dem
Schritt an die Pariser Börse Euronext 500 Millionen Euro für mehr Wachstum einsammeln, in den USA will der schwedische Haferdrinkhersteller Oatly bei seinem Börsengang an der Nasdaq sogar rund zehn Milliarden Dollar erlösen. Nur zwei aktuelle Beispiele, die zeigen, dass der IPO-Markt stark wächst. Die neusten Zahlen des Datendienstleisters Dealogic in Bezug auf Börsengänge bestätigen diesen Trend eindrucksvoll. So sind in den ersten vier Monaten dieses Jahres schon insgesamt 873 Börsengänge im Gesamtwert von 270 Milliarden US-Dollar global über die Bühne gegangen. Zum Vergleich: Der letzte Höchststand mit 592 Deals und einer Gesamtsumme von 80 Milliarden US-Dollar stammt noch aus dem Jahr 2000. Ebenso eindrucksvoll: Die Zahl aller Deals 2021 liegt schon Ende April höher als in 21 der vergangenen 26 Jahre insgesamt. Eine besondere Rolle bei dieser Erfolgsgeschichte spielen die Special Purpose Acquisition Companies (SPACs), die beinahe die Hälfte des Gesamtvolumens aller IPOs ausmachen. Diese Börsenmäntel werden vor allem in den USA von Firmen genutzt, um schneller den Weg an die Börse zu finden, als es traditionell über einen normalen IPO möglich wäre. Ohnehin sind die Vereinigten Staaten das Zentrum des IPO-Booms:. Beinahe zwei Drittel aller Deals wurden dort umgesetzt, China und Hongkong folgen mit sehr weitem Abstand auf Platz 2 und 3.
Das Geschäftsmodell von Bergbau-firmen wirkt etwa im Vergleich zu innovativen Technologieunternehmen etwas aus der Zeit gefallen. Aber dank des raschen Comebacks der Weltwirtschaft zieht die Nachfrage vor allem nach Industriemetallen rasant an. Zudem treibt der Ausbau der erneuerbaren Energien, die ebenfalls nicht ohne Bodenschätze auskommen, den Bedarf an. Ergebnis: Eisenerz kletterte vergangene Woche ebenso wie Kupfer auf ein neues Allzeithoch, Nickel und Blei legen ebenfalls kräftig zu. Im Gleichschritt klettern auch die Kurse der Bergbaufirmen wie BHP Billiton und Rio Tinto nach oben. Am Ende zählen für Investoren dann eben doch mehr die Geschäftsaussichten als die Modelle.
Nach dem Einbruch der deutschen Wirtschaftsleistung im ersten Quartal um 1,7 Prozent stehen die Zeichen auf Erholung. Führende Volkswirte sind der Ansicht, dass die deutsche Wirtschaft die gravierendsten Auswirkungen der Corona-Krise überstanden hat. In der Mai-Umfrage zum Ökonomen-Barometer von €uro am Sonntag hat sich vor allem der Ausblick für die kommenden zwölf Monate deutlich aufgehellt. So klettern die Aussichten um 21 Prozent auf 54,1 Punkte und überschreiten damit erstmals seit Jahresbeginn 2019 die Stagnationsmarke von 50 Punkten. Der Barometer-Wert zur Einschätzung der aktuellen Lage legt um über zwölf Prozent auf 42 Punkte zu. Damit steigt auch die Differenz zwischen Stand und Prognose auf über zwölf Prozent. Zuletzt war dies im Boom-Jahr 2017 der Fall — mit einem deutschen Wirtschaftswachstum von 2,6 Prozent. Das Risiko einer Pleitewelle ist allerdings noch nicht gebannt. Zwei Drittel der Teilnehmer rechnen damit, dass eine Welle von Insolvenzen noch bevorsteht. Dass sich daraus eine Gefahr für das Bankensystem ergeben könnte, befürchten jedoch nur 15 Prozent der Teilnehmer.
In der Mai-Umfrage zum Ökonomen-Barometer von rückte erstmals die Bundestagswahl im September in den Blick. Die Erwartungen der Ökonomen, welche Parteienkonstellation dabei herauskommen wird, sind eindeutig: Keiner der Teilnehmer rechnet mit einer Wiederauflage der GroKo aus Union und SPD, aber 76 Prozent mit einer grün-schwarzen oder schwarz-grünen Koalition. 13 Prozent erwarten eine Ampelkoalition (Grüne, SPD, FDP) und vier Prozent eine linke Mehrheit (Grüne, SPD, Linke). Bezogen auf die einzelnen Kandidaten verteilen die Ökonomen ihre Gunst: 26 Prozent sehen in FDP-Chef Christian Lindner den Politiker, der die beste Wirtschaftspolitik für Deutschland machen könnte. 24 Prozent votieren für Unions-Kandidat Armin Laschet, 20 Prozent für Grünen-Kandidatin Annalena Baerbock. SPD-Kandidat Olaf Scholz kommt nur auf 17 Prozent. Die Frage, ob eine aus dem Wahlprogramm der Grünen abgeleitete grüne Wirtschaftspolitik den Wirtschaftsstandort Deutschland eher stärken oder eher schwächen würde, beantworteten zwei Drittel der Teilnehmer negativ. 26 Prozent glauben, das Programm werde den Standort „eindeutig schwächen“, weitere 39 Prozent, es werde ihn „eher schwächen“. Für „eher stärken“ entschieden sich 17, für „eindeutig stärken“ vier Prozent.
In den Diskussionsbeiträgen halten sich die Gegner und Befürworter einer grünen Wirtschaftspolitik die Waage: „Deutschland hat in den letzten Jahrzehnten den Anschluss an die Weltspitze in vielen Schlüsselsektoren verloren“, warnt Dirk Ehnts von der Uni Chemnitz. „Die Wirtschaft muss grüner werden. Wir stehen vor großen ökologischen und sozialen Herausforderungen, dem privaten Sektor fällt dabei eine Schlüsselrolle zu.“
Thomas Gries von der Uni -Paderborn verweist auf die Chancen verschärfter Umwelt-anforderungen für die deutsche Wirtschaft: „Deutschland ist -Technologieland. Wenn verschärfte globale Umweltanforderungen neue Technologien erfordern, kann es ganz vorn dabei sein.“
Juergen B. Donges von der Uni Köln sieht in der grünen Agenda dagegen eher die Risiken: „Zunehmende Staatsverschuldung, höhere Steuern, mehr Markt-regulierung, Aufweichung der Eurostabilitätskriterien sowie eine ungebremste moralische Bevormundung des Einzelnen werden in keinem Lehrbuch als positive Standortfaktoren geführt und haben eindeutig die empirische Evidenz gegen sich.“ Ähnlich sieht es Friedrich Breyer (Uni Konstanz), der zudem die „Vertreibung wichtiger Industrien“ befürchtet.
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„Bei einigen der jüngst im Preis stark gestiegenen Rohstoffe ginge es nun bergab – auch das ließ nun die Furcht vor einer schärferen Geldpolitik etwas abebben.“
Irgendwann ebbt die Furcht sowieso ab. Denn irgendwann realisiert auch der Markt, dass eine schärfere Geldpolitik nicht kommen wird. Das geht gar nicht. Was haben die Länder denn schon für einen Spielraum? China und die USA können die Zinsen vielleicht symbolisch um ein halbes Prozent anheben, viel mehr geht nicht. Die Eurozone kann es gar nicht, dann ist der Süden sofort bankrott.