Trump stellt Lösung im Handelskonflikt mit China auch für Huawei in Aussicht, Ifo-Geschäftsklima schwächelt, Theresa May kündigt Rücktritt für 7. Juni an, Deutsche Bank, Wirecard, Workhorse und General Motors.
Politik schafft Unsicherheit. Das ist derzeit der zentrale Faktor auf dem Börsenparkett. Die Unwägbarkeiten haben dabei viele Facetten: Die zu erwartenden Misserfolge für die etablierten Parteien bei den EU-Wahlen lässt die meisten Händler gelassen bleiben, Szenarien einer militärischen Eskalation im Nahen Osten beunruhigen hingegen. Der Zollkonflikt zwischen den USA und China ist und bleibt das zurzeit größte Risiko für die Weltwirtschaft. Nach dem Ausschluss des chinesischen Handyherstellers Huawei von wichtigen amerikanischen Technologien scheinen die Kontrahenten heillos zerstritten. Es schwelt und kokelt, und keiner scheint zum Löschen bereit. Wie schön, dass es bei der US-Zentralbank Leute gibt, die saubere Luft atmen und klare Gedanken haben. Die US-Zinsen bleiben auf absehbare Zeit da, wo sie sind, lassen die Protokolle der jüngsten Fed-Sitzung vermuten. Wer auf Anzeichen setzte, dass die Zinsen sinken, sah sich zwar getäuscht. Signale, dass die Schraube angezogen wird, gab es aber ebenfalls keine — das wenigstens war ein gute Nachricht für Aktienanleger.
Diese und versöhnlichere Worte des US-Präsidenten sorgten am Freitag nach einer turbulenten Woche für ein wenig mehr Zuversicht unter Anlegern. Präsident Donald Trump hatte in Aussicht gestellt, den Streit um den Telekomausrüster Huawei in den Handelsgesprächen mit China zu lösen. „Ich kann mir vorstellen, dass Huawei in irgendeine Form eines Handelsabkommens einbezogen wird“, sagte Trump. Der Dow Jones Industrial erholte sich um 0,4 Prozent auf 25.586 Punkte.
Zwischenzeitlich hatte er die Gewinne fast gänzlich wieder abgegeben. Beobachter sprachen von einem verhaltenen Aktiengeschäft vor dem Feiertag „Memorial Day“ am Montag. Dann bleiben die US-Börsen geschlossen. Auf Wochensicht verlor der Dow 0,7 Prozent. Der breit gefasste S&P 500 stieg am Freitag um 0,1 Prozent auf 2.826 Zähler. Der technologielastige NASDAQ 100 gab um 0,10Prozent auf 7.301 Punkte nach.
Auf dem falschen Fuß erwischt wurden am Freitag die Aktionäre von Foot Locker. Der Sportartikelhändler enttäuschte mit Quartalszahlen. Für die Aktien ging es um 16 Prozent abwärts auf den niedrigsten Stand seit einem Jahr. Analyst Matthew Boss von JPMorgan bemängelte das gesenkte Wachstumsziel für den Gewinn in diesem Jahr. Experte Michael Binetti von Credit Suisse äußerte sich zudem negativ zu den jüngsten Aktienrückkäufen von Foot Locker, die seine Erwartungen nicht erfüllt hätten.
Unter den Nebenwerten sorgten die Aktien der Workhorse Group für Aufsehen. Sie zogen um gut elf Prozent an. US-Präsident Trump lobte den Verkauf eines Werks des Autobauers General Motors im Bundesstaat Ohio an das Unternehmen. GM habe die Fabrik „an ein sehr gutes Unternehmen verkauft“, sagte Trump. Schon Anfang Mai hatten Kommentare Trumps zu diesem Verkauf den Workhorse-Kurs enorm nach oben getrieben.
Die Hoffnung auf ein versöhnliches Ende des Handelsstreits zwischen den USA und China Half am Freitag auch der deutschen Börse. Der DAX zeigte sich nach den jüngsten Kursverlusten von seiner freundlichen Seite und schloss 0,5 Prozent im Plus bei 12.011 Punkten. Auf Unternehmensseite stand Wirecard im Fokus der Anleger. Der Nachrichtenagentur Bloomberg zufolge führen die beiden US-Zahlungsabwickler Global Payments und Total System Services Gespräche über einen Zusammenschluss. Die Fusionsspekulationen beflügelten die gesamte Branche. Die Wirecard-Aktie stieg um rund ein Prozent.
Einen Tag nach der Hauptversammlung der notieren die Papiere der Deutschen Bank am Freitagmirgen (mit Dividendenabschlag von 0,11 Euro) auf einem historischen Tief von 6,31 Euro. Zur Erinnerung: Im Mai 2007 kostete eine Aktie der Deutschen Bank noch knapp 106 Euro. Damit hat der Titel in zwölf Jahren 93 Prozent an Wert verloren, beziehungsweise 7,8 Prozent pro Jahr.
An die DAX-Spitze kletterte dank einem Analystenlob nach dem Investorentag die Aktie der Deutschen Börse. Der Börsenbetreiber sei auf einem guten Weg, um die Ziele für 2020 zu erreichen, schrieb etwa Johannes Thormann von der britischen Investmentbank HSBC.
Die deutsche Wirtschaft verliert allerdings weiter an Schwung. Das zeigt der Ifo-Geschäftsklimaindex im Mai, der von 99,2 auf 97,9 Punkte weiter gefallen ist. Einziger Lichtblick waren die Erwartungen, die unverändert blieben, allerdings schon in den Monaten zuvor deutlich zurückgenommen worden waren. „Wir hatten mit einem unveränderten Geschäftsklima gerechnet und lagen damit ebenso falsch wie der Konsens der zuvor befragten Volkswirte“, erklärt Jens-Oliver Niklasch, Volkswirt bei der LBBW. Positiv sind Lage und Ausblick im Baugewerbe, in dem die Stimmung zum dritten Mal in Folge gestiegen ist. Der Bauboom halte weiter an, so das Ifo-Institut.
Der Rücktritt von Großbritanniens Premierministerin Theresa May überraschte die Börsen indes kaum. Zum 7. Juni will sie ihr Amt als Chefin der Konservativen Partei niederlegen. Als Favorit für ihre Nachfolge wird Brexit-Hardliner und Ex-Außenminister Boris Johnson gehandelt. „Mit May verschwinden auch alle Hoffnungen auf ein Brexit-Abkommen“, sagte Portfoliomanager Mark Dowding vom Vermögensverwalter BlueBay. Ein harter Brexit werde wahrscheinlicher, wobei es für den neuen Premierminister schwer werde, diesen durch das Parlament zu bekommen. „Konsequenterweise steigt das Risiko von Neuwahlen.“ Dowding rechnet damit, dass das Pfund auf die Tiefststände nach der Brexit-Volksabstimmung fallen könnte. In den beiden vergangenen Wochen verlor das Pfund bereits rund drei Prozent und fiel zeitweise auf ein Viereinhalb-Monats-Tief.
Vor den EU-Wahlen zeigte eine Untersuchung der Analystenzitate führender Wirtschaftsmedien wie „Wall Street Journal“ und „Financial Times“, dass die Lage für die EU (minus 34,8) und die Eurozone (minus 24,2) nicht wesentlich positiver gezeichnet wird als für das Brexit-geplagte Großbritannien (minus 31,1). Mit Blick auf Südeuropa sind die Analysten in puncto Spanien eher positiv gestimmt (plus 12,3), bei Italien sehr pessimistisch (minus 31). Für Deutschland liegt das Sentiment bei minus 8,5 und damit zwar besser als für Frankreich (minus 12,8), aber weit entfernt vom ausgeglichenen Wert des vergangenen Jahres oder dem Rekordplus von 25,6 im Jahr 2017. Die neue Regierung in Brasilien hat keinen positiven Schub gebracht, die negativen Analystenstimmen überwogen hier seit Januar deutlich (minus 25,7). „Die langjährige Wachstumslokomotive der Weltwirtschaft, China, wurde zuletzt mit minus 15,1 bewertet. Der ungelöste Handelskonflikt mit den USA, das schwächere Wachstum und die negative Polemisierung gegen chinesische Unternehmen wie Huawei schlagen sich hier nieder“, so Matthias Vollbracht, Leiter Research bei Media Tenor International in Zürich. Optimistische Einschätzungen überwiegen auch klar für Indonesien (plus 29,8) und den asiatischen Raum insgesamt. Und die USA selbst? Mit minus 4,7 sind die Belastungen aus dem Handelskonflikt erkennbar, aber Einzelwerte wie Amazon, Netflix, Walt Disney, aber auch der Bankensektor sorgen für anhaltend gute Stimmung bei den Finanzexperten. Insgesamt wurden 492.561 Aussagen zwischen Januar 2012 und Mai 2019 ausgewertet.
Die politische Stimmung in Österreich ist angesichts der Videoaffäre um den zurückgetretenen FPÖ-Chef Strache und dem Ende der Regierungskoalition am Boden. An den Finanzmärkten scheint sich allerdings niemand an dem Wiener Theater zu stören. So ist der österreichische Aktienmarkt vergangene Woche kaum stärker unter Druck geraten als andere europäische Indizes. Und auch die Investoren in österreichische Staatsanleihen zeigten sich vom Politchaos unbeeindruckt: Der Spread zu den deutschen Bundesanleihen weitete sich nur geringfügig aus. Begründung der Ersten Bank: Bis zu den Neuwahlen im September sei die Budgetkonsolidierung Österreichs nicht in Gefahr.
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