Spätestens seit dem Rückzug von Joe Biden steht es nicht schlecht für einen Sieg von Donald Trump bei den US-Präsidentschaftswahlen im November. Das andere große Thema der vergangenen Tage: Eine globale IT-Panne hatte am Freitag weltweit für IT-Ausfälle gesorgt. Die US-Börsen gaben am Freitag weiter nach.
Vor drei Jahren – nach den unglückseligen Ereignissen um die Amtsübergabe an Joe Biden galt Trump als klinisch tot. Doch Trump besitzt die Fähigkeit, aus einer K.-o.-Lage heraus die Oberhand zu gewinnen. Es sei an der Zeit, „die politischen Künste zu honorieren – ohne seine dunklen Seiten zu vergessen“, kommentiert die „Neue Zürcher Zeitung“ zu Recht. Auch wenn man nicht mit allem übereinstimmen mag, ist das Stück lesenswert. Der Rücktritt von Joe Biden von der Kandidatur ist ein weiterer Booster für die Trump-Kampagne.
Manchmal läuft man jedoch Gefahr sich zu früh zu freuen. Die Republikaner gaben sich in der vergangenen Woche an ihrem Parteitag in Milwaukee so, als säße Donald Trump bereits wieder im Weißen Haus und er persönlich bejubelte Bidens Rücktritt; doch noch ist nicht einmal endgültig klar, gegen wen er in vier Monaten antreten wird. Wie die Umfragen zeigen, liegt Trump zwar in allen entscheidenden „Swing States“ in Führung, aber da die Parteipräferenzen etwa hälftig verteilt sind, bleibt die Wahl ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Bis zu den Wahlen im November kann noch viel geschehen; auch wenn man sich an den Börsen bereits auf eine erneute Präsidentschaft Trumps einstellt. Interessant: Die Attacken der republikanischen Wahlkampagne zielen immer häufiger auf Deutschland. Berlin zwinge dem Rest des Kontinents seine «liberal-imperialistischen Vorstellungen» auf, ist beispielsweise die These von Trumps Vize-Kandidat J. D. Vance: Während Deutschland seine eigenen energiepolitischen Träume mit viel Geld vorantreibe, verlasse es sich bei der Landesverteidigung auf seine Nato-Verbündeten. Bei den Demokraten ist es bei weitem nicht ausgemacht, dass Kamala Harris Kandidatin für das Amt des Präsidenten wird; es drohen Kämpfe um die Nachfolge. Auch das könnte Trump stärken. Die „überragende Person“, die Ex-Präsident Barrack Obama fordert ist Harris jedenfalls nicht. Die US-Börsen werden also mit Trump und seinen Unterstützern gut leben können.
Das andere große Thema der vergangenen Tage: Eine globale IT-Panne hat am Freitag weltweit den Flugbetrieb gehörig durchgeschüttelt. Über 2400 Flüge wurden alleine in den USA gemäss dem Informationsdienst Flightaware.com gestrichen – fast jeder zehnte. Zahlreiche weitere Flüge wiesen zum Teil große Verspätungen auf. Die Ausfälle waren für die Fluggäste enorm ärgerlich, die wirtschaftlichen Schäden dürften sich jedoch in Grenzen halten. Ursache des IT-Chaos war ein missglücktes Update beim globalen Cybersicherheitsunternehmen Crowdstrike. Die amerikanische Firma spielt eine zentrale Rolle beim Schutz gegen IT-Bedrohungen und sichert unter anderem Websites ab. Eines ihrer Produkte mit dem Namen Falcon dient dazu, bösartige Aktivitäten im Datenverkehr zu entdecken. Ein fehlerhaftes Falcon-Update hat wohl die Störungen ausgelöst. Der Aktienkurs fiel kurzfristig um 20 Prozent. Aus dem Handel ging die Aktie mit einem Minus von knapp elf Prozent gegenüber dem Donnerstagschluss. Crowdstrike hat das Problem inzwischen behoben.
Die US-Börsen gaben am Freitag weiter nach. Zum Handelsende stand der Dow Jones Industrial ein knappes Prozent im Minus bei 40.288 Punkten. Damit zollte der Leitindex der jüngsten Rekordjagd weiter Tribut, behauptete aber immerhin einen Wochengewinn von 0,7 Prozent. Der marktbreite S&P 500 verabschiedete sich am Freitag 0,7 Prozent tiefer mit 5.505,00 Zählern. Der technologielastige Auswahlindex Nasdaq 100 sank um 0,9 Prozent auf 19.522,62 Punkte. Angesichts von drei schwachen Handelstagen in Folge büßte er auf Wochensicht knapp vier Prozent ein.
Im Fokus der Anleger standen neben der Crowdstrike-Panne insbesondere Geschäftszahlen Größter Verlierer im Dow war Travelers mit einem Kursrutsch von 7,8 Prozent. Der Versicherer hatte zwar im abgelaufenen Quartal dank deutlich geringerer Kosten für Naturkatastrophen und gestiegener Prämieneinnahmen deutlich mehr verdient als vor einem Jahr und übertraf die Erwartungen. Doch die Aktien waren die vergangenen Tagen schon stark gelaufen – nun realisierten einige Anleger offenbar ihre Kursgewinne.
Bei den Papieren von Indexnachbar American Express stand ein Minus von 2,7 Prozent zu Buche. Weil die abgerechneten Transaktionen im zweiten Quartal nicht so stark stiegen wie von Analysten geschätzt, will der Kreditkartenkonzern rund 15 Prozent mehr Geld als vergangenes Jahr ins Marketing stecken.
Die im bisherigen Jahresverlauf starken Aktien von Netflix entwickelten sich nach Zahlen mit minus 1,5 Prozent letztlich schwächer als der Nasdaq 100. Der Streaminganbieter wächst weiter ungebremst und will dem klassischen Fernsehen verstärkt Zuschauer abjagen. Im vergangenen Quartal konnte er seine Kundenzahl steigern. Bei Umsatz und Gewinn gab es deutliche Zuwächse. Seit 2023 geht Netflix gegen das Teilen von Passwörtern vor, was der Geschäftsentwicklung zugute kommt. Allerdings blieb das Umsatzziel des Unternehmens für das laufende Quartal knapp hinter den Erwartungen zurück.
Dagegen sprangen die Aktien von Starbucks um 6,9 Prozent hoch. Sie profitierten von einem Bericht des „Wall Street Journal“. Dort hieß es unter Berufung auf mit der Angelegenheit vertraute Personen, dass die Anlagegesellschaft Elliott Management des aktivistischen Investors Paul Singer mit einer beträchtlichen Beteiligung bei der Kaffeehauskette eingestiegen sei.
Der Euro knüpfte an die deutlichen Vortagsverluste an und sank im New Yorker Handel auf 1,0880 US-Dollar. Am US-Anleihenmarkt ging es mit den Kursen nach unten. Die Rendite zehnjähriger Staatspapiere stieg auf 4,24 Prozent.
Zum Ende einer bislang schwachen Woche war zuvor schon der deutsche Aktienmarkt verstärkt unter Druck geraten. Zu den anhaltenden wirtschaftlichen und politischen Risiken gesellten sich am Freitag noch die oben erwähnten weltweiten IT-Probleme. Am deutschen Aktienmarkt trafen die Störungen unter anderem die Aktien des Flughafenbetreibers Fraport und der Fluggesellschaft Lufthansa . Sie verloren im MDax 1,5 beziehungsweise 1,9 Prozent. Die Papiere von Tui büßten 3,1 Prozent ein. Das lag jedoch in erster Linie daran, dass der Reisekonzern mit dem Erlös neuer Wandelschuldverschreibungen alte Papiere zurückkaufen will. Die Transaktion stellt den letzten Schritt zur Refinanzierung der von der staatlichen Förderbank KfW erhaltenen Kreditlinie dar.
„Die Marktteilnehmer befinden sich aktuell in einem immer unsichereren Gesamtmarktumfeld“, sagte Finanzmarktexperte Andreas Lipkow. Sowohl die Gefahr einer merklichen Konjunkturabkühlung als auch die politischen Risiken hätten wieder zugenommen. Der Dax schloss nahe seines Tagestiefs mit einem Minus von ein Prozent bei 18.172 Punkten. Der Wochenverlust des deutschen Leitindex summierte sich damit auf gut drei Prozent. Für den MDax der mittelgroßen Werte ging es ebenfalls um knapp ein Prozent auf 25.343 Punkte abwärts.
Am Dax-Ende brachen die Vorzugsaktien von Sartorius um mehr als 15 Prozent ein. Der Laborzulieferer stutzte nach einem schwachen ersten Halbjahr seine Ziele für 2024. Der Schnitt fiel deutlicher aus als befürchtet. Zudem mehren sich die Zweifel an den mittelfristigen Zielen des Unternehmens.
Im Nebenwerteindex SDax hatten die Anteilscheine von Süss Microtec mit einem Plus von 7,8 Prozent klar die Nase vorn. Der Halbleiterzulieferer hatte nach dem ersten Halbjahr seinen Ausblick für das Gesamtjahr erhöht.
Der Stahlkonzern Salzgitter verzeichnete im zweiten Quartal einen Verlust vor Steuern. Der Umsatz fiel von 2,9 Milliarden auf 2,6 Milliarden Euro. Für das Halbjahr steht nun ein Vorsteuergewinn von 11,5 Millionen Euro zu Buche. Die Aktie verlor 3,1 Prozent..
Am Anleihenmarkt fiel die Umlaufrendite von 2,46 Prozent am Vortag auf 2,44 Prozent.
Ausblick: „Die Fußball-EM ist zu Ende gegangen, Taylor Swift ist da, und Donald Trump wird kommen“, stellt die Hessische Landesbank in ihrem Wochenausblick fest. Von diesen drei Großereignissen ist für den deutschen Aktienmarkt nur eines von Bedeutung, nämlich die zunehmende Wahrscheinlichkeit einer erneuten US-Präsidentschaft von Donald Trump. Ihre Folgen dürften die Börse nicht nur in der kommenden Woche, sondern auch in den nächsten Monaten beschäftigen. Vorerst wird aber auch die Quartalsberichtssaison der Unternehmen die Richtung vorgeben.
Experten sind sich mehr oder minder einig, dass das Attentat auf den Präsidentschaftskandidaten der Republikaner dessen Chancen auf den Einzug ins Weiße Haus gesteigert haben dürfte – zumal der gesundheitliche Zustand seines Konkurrenten Joe Biden zunehmend Fragen nach einer erneuten Amtszeit aufwirft. „Grundsätzlich positionieren sich Investoren bereits für eine zweite Amtszeit von Donald Trump“, so Robert Halver, Kapitalmarktstratege der Baader Bank.
Dabei sind die Folgen für die USA und Europa und damit Deutschland durchaus unterschiedlich. „Unter anderem könnten die Republikaner massive Konjunkturprogramme lostreten und scharfe Zölle auf alles, was nach Amerika geht, verhängen“, betont Halver. Das aber würde die europäische Exportindustrie belasten und damit auch die exportorientierten Dax -Werte empfindlich treffen. Zudem droht laut Halver nach der Wahl in Frankreich auch Gegenwind aus diesem Land, etwa mit Blick auf eine denkbare Schuldenpolitik.
Das gilt um so mehr, als die deutsche Wirtschaft sich in einem alles andere als sturmfesten Zustand befindet. Dies dürfte der Ifo-Geschäftsklimaindex am Donnerstag einmal mehr zeigen. Der Index werde wohl auf eine weiterhin schwächelnde deutsche Wirtschaft hindeuten, so Chefvolkswirt Ulrich Kater von der DekaBank.
Der Blick gilt aber auch der Lage in Übersee, wo das US-Bruttoinlandsprodukt zum zweiten Quartal ebenfalls am Donnerstag auf dem Programm steht. „Es wird das Bild vom ‚halbvollen/halbleeren Glas‘ der US-Konjunktur wohl nicht merklich verändern“, prognostizieren die Volkswirte der Helaba. Damit dürften die Sorgen über die weitere konjunkturelle Entwicklung erhalten bleiben. „Es wird immer lauter diskutiert, ob die Notenbanken zu spät mit den Zinssenkungenszyklen begonnen und dadurch die Wirtschaft in Europa und den USA abgewürgt haben“, stellt Marktexperte Andreas Lipkow in diesem Zusammenhang fest.
Damit kommt den zahlreichen Quartalszahlen und vor allem den Ausblicken der Unternehmen in der neuen Woche noch mehr Bedeutung zu als sonst. Sollten sich hier stärkere Bremsspuren bemerkbar machen, könnten gerade gut gelaufene Werte unter Druck kommen und die Indizes nach unten ziehen.
Das Dax-Schwergewicht SAP , das am Montagabend mit den Zahlen zum zweiten Quartal aufwartet, dürfte daher einen ersten wichtigen Akzent setzen.
Dass die Aussichten für den Dax eher mäßig sind, überrascht angesichts der Rahmenbedingungen nicht. „Der Ausbruch am Montag war ein klares Fehlsignal und der Trend zeigt aus charttechnischer Sicht jetzt ganz klar nach Süden“, stellt Kapitalmarktstratege Jürgen Molnar vom Broker RoboMarkets fest. Charttechnisch hat der Index zwar noch etwas Luft, allzu groß sei der Spielraum jedoch nicht.
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