Mit einem Wachstumspaket will die Ampel die Wirtschaft wieder in Gang bringen. Unter anderem sollen Investitionen erleichtert, steuerliche Abschreibungen verbessert und die Freibeträge in der Einkommensteuer erhöht werden. Der Dax reagiert am Freitag zunächst positiv.
Bis 6.00 Uhr am Freitagmorgen hatten der Bundeskanzler, der Wirtschaftsminister und der Finanzminister getagt. Nach der Beratung mit ihren Fraktionen traten Olaf Scholz, Robert Habeck und Christian Lindner mit dem Ergebnis ihres Kuhhandels vor die Presse: Neben einem Nachtragshaushalt für das laufende Jahr und einem Entlastungspaket für die Wirtschaft hat man sich darauf verständigt, wie das 481-Milliarden-Euro-Budget im Grundsatz zwischen den einzelnen Ressorts 2025 aufgeteilt werden soll. Vorausgegangen war der Nachtsitzung ein monatelanger Streit um die Aussetzung der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse, um die Wünsche der roten und grünen Kabinettsmitglieder nach höheren Ausgaben zu decken.
Hier hat sich Lindner mit seiner FDP schließlich durchgesetzt, was Reiner Holznagel, Chef des Bunds der Steuerzahler als wichtigstes Ergebnis der Nachtsitzung hervorhob. Allerdings will die Bundesregierung den grundgesetzlich durch die Schuldenbremse gesetzten Rahmen voll ausnutzen und neue Schulden in Höhe von 44 Milliarden Euro aufnehmen. Der Nachtragshaushalt für das laufende Jahr ermöglicht der Regierung darüber hinaus eine zusätzliche Verschuldung in Höhe von elf Milliarden Euro. Dabei ist die Einigung ein Taschenspielertrick; denn die Finanzplanung für das kommende Jahr sieht praktisch keines der von Verteidigungsminister Boris Pistorius eingebrachten Vorhaben mehr vor. So werden dem Verteidigungsministerium 2025 lediglich 1,2 Milliarden Euro mehr zugestanden – was noch nicht einmal die Steigerung der Sach- und Personalkosten ausgleicht. Für die Verteidigung wird Deutschland also im kommenden Jahr netto weniger ausgeben als 2024. Der Kurs der Merkel-Jahre wird damit fortgesetzt – da hilft auch das Versprechen nicht, den Wehretat von gut 55 Milliarden Euro bis 2028 auf rund 80 Milliarden ansteigen zu lassen. Die nächste Nachtsitzung kommt bestimmt.
Kosmetisch sind auch die Anpassungen im Sozialetat: Um seiner Partei die Zustimmung zum Haushalt zu erleichtern, hat Kanzler Scholz in den Verhandlungen an einigen Stellen höhere Sozialausgaben durchgesetzt. So sollen das Kindergeld und der Kindersofortzuschlag um fünf Euro je Monat steigen. Der Bund will außerdem seine Investitionen in eine bessere Kinderbetreuung erhöhen: Für die Jahre 2025 und 2026 ist dafür ein Budget von insgesamt vier Milliarden Euro vorgesehen. Zusätzlich sollen in den kommenden Jahren 20 Milliarden Euro in den sozialen Wohnungsbau gesteckt werden.
Ob diese Zugeständnisse allerdings reichen werden, um die SPD zur Zustimmung zum Haushalt zu bewegen, bleibt abzuwarten. Rolf Mützenich, Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion, lobte die Einigung am Freitagmorgen zwar zunächst. Er schloss aber auch nicht aus, im Verlauf der jetzt anstehenden Detailverhandlungen im Bundestag erneut auf einer Aufhebung der Schuldenbremse zu bestehen, berichtet die „Neue Zürcher Zeitung“. Die Ergebnisse der Nachtsitzung sollen am 17. Juli vom Kabinett beschlossen werden. Ab Mitte September befasst sich dann der Bundestag mit dem Haushaltsentwurf, der dann bis Weihnachten beschlossen werden könnte.
Für die Börse am wichtigsten: Mit einem Wachstumspaket, das laut Lindner 49 Einzelmaßnahmen umfassen soll, will die Ampel die Wirtschaft wieder in Gang bringen. Unter anderem sollen Investitionen erleichtert, steuerliche Abschreibungen verbessert und die Freibeträge in der Einkommensteuer erhöht werden. Konkret bezifferte der Finanzminister die steuerliche Entlastung der Bürger auf 23 Milliarden Euro im kommenden Jahr. Auch die Investitionsausgaben etwa in die digitale Infrastruktur, Straßen und Schienenwege sollen deutlich wachsen. Mit geplant 57 Milliarden Euro würden sie sogar ein neues Rekordniveau erreichen.
Der Dax reagiert am Freitag zunächst positiv, büßte die zwischenzeitlichen Gewinne von mehr als einem Prozent jedoch größtenteils wieder ein. Vor der zweiten Runde der Parlamentswahl in Frankreich am Sonntag machte sich unter den Anlegern Nervosität breit. Der deutsche Leitindex schloss gut 0,1 Prozent im Plus bei 18.475,45 Punkten. Auf Wochensicht ergibt sich ein Gewinn von 1,3 Prozent. Angesichts eines Kurssprungs bei den Aktien des Halbleiterindustrie-Ausrüsters Aixtron gewann der MDax 0,7 Prozent auf 25.728 Punkte. Auch den MDax, der schon 1,4 Prozent gewonnen hatte, belasteten im späten Handel Aussagen der französischen Politikerin Marine Le Pen. So hatte sie vor chaotischen Zuständen gewarnt, falls ihr Rassemblement National (RN) trotz eines Wahlsiegs kein Regierungsmandat erhalten sollte. Sollte der Rassemblement National eine absolute Mehrheit erringen, stünde Präsident Emmanuel Macron unter dem politischen Zwang, einen Premierminister aus den Reihen der Rechtsnationalen zu ernennen. Damit gäbe es in Frankreich erstmals seit 1997 wieder eine sogenannte Kohabitation, das bedeutet, dass Präsident und Premierminister unterschiedliche politische Richtungen vertreten.
Ein überraschend hoher Auftragseingang verlieh den zuletzt stark unter Druck geratenen Aixtron-Aktien wieder Schwung. Die Papiere zogen um knapp 18 Prozent an und hatten damit im MDax klar die Nase vorn. Der Aixtron-Vorstandsvorsitzende Felix Grawert hatte auf eine gute Nachfrage im Bereich der SiC- und GaN-Leistungselektronik verwiesen. Dies bestätige die anhaltende Dynamik in der Branche, das traditionelle Silizium durch die Hochleistungsmaterialien GaN und SiC zu ersetzen.
Unter den Einzelwerten standen ferner die Aktien von Porsche AG und Varta im Fokus. Der Sportwagenbauer will dem angeschlagenen Batteriehersteller das Geschäft für Elektroautobatterien abkaufen. Derzeit befinden sich beide Unternehmen in Verhandlungen über ein mögliches Mehrheitsinvestment in die Varta-Tochter V4Drive. Die Varta-Papiere schnellten um gut 19 Prozent in die Höhe und die Titel von Porsche AG gewannen zwei Prozent.
Im Nebenwerteindex SDax bescherte eine Kaufempfehlung den Papieren von Grenke ein Plus von fast drei Prozent. Analyst Simon Keller von Hauck & Aufhäuser sieht die Gewinnentwicklung des IT-Leasing-Anbieters an einem Wendepunkt.
Am Rentenmarkt verharrte die Umlaufrendite bei 2,61 Prozent.
In der neuen Woche sollte der Dax an seine jüngsten Gewinne anknüpfen. „Die Börsenampeln zeigen auf grün, die Anleger schalten in den Risk-on-Modus“, schrieb Analystin Claudia Windt von der Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba). Schwindende Inflationssorgen und damit verbunden neue Hoffnungen auf Zinssenkungen sowie nachlassende politische Unsicherheiten trügen dazu bei. Insofern könnte der deutsche Leitindex durchaus etwas näher an sein im Mai erreichtes Rekordhoch bei knapp 18.893 Punkten heranrücken und so seinen jüngsten Abwärtstrend verlassen. Allerdings wird ein Treiber der jüngsten Rally bereits am Sonntag auf eine Probe gestellt.
Sollte der RN von Marine Le Pen bei der zweiten Runde der französischen Parlamentswahl wider Erwarten doch eine absolute Mehrheit erringen, dürften die daraus folgenden, politischen Unwägbarkeiten für Turbulenzen an den Börsen sorgen. Erst 75 von 577 Sitzen in der Nationalversammlung sind nach der ersten Runde vergeben; der Rest entscheidet sich nun in der Stichwahl. Zwar hätten sowohl der Block von Präsident Emmanuel Macron als auch die Linken etliche Kandidaten zurückgezogen, um eine absolute Mehrheit des RN zu verhindern. Neuerliche Unsicherheiten an den Finanzmärkten dürfte es jedoch auch geben, wenn zur Überraschung der linke Block gewinnen würde.
Ein weiterer wesentlicher Treiber für die Aktienmärkte ist die Aussicht auf eher früher als später sinkenden Leitzinsen in den USA. Damit verbunden ist die Hoffnung auf konjunkturelle Impulse für die Weltwirtschaft durch sinkende Finanzierungskosten für Unternehmen und Verbraucher. Dafür aber dürfen die am Donnerstag anstehenden US-Inflationszahlen für Juni nicht deutlich negativ enttäuschen. Die Inflationsdaten aus den USA werden ein maßgeblicher Einflussfaktor für die Zinsentscheidung der US-Notenbank Fed sein, schrieb Edgar Walk, Chefvolkswirt des Vermögensverwalters Metzler Asset Management. Derzeit sei die Datenlage uneindeutig. Von Januar bis April habe die Inflation eher mit hohen Werten überrascht, was die Sorge vor einer hartnäckig hohen Teuerung ausgelöst habe. Im Mai jedoch habe sich der Preisanstieg erheblich verlangsamt.
Nach der Feiertagspause schwangen sich am späten Freitag die Börsen in den USA immerhin zu neuen Höchstmarken auf. Rückenwind erhielten sie vom Arbeitsmarktbericht der US-Regierung für den Monat Juni. Dieser gibt der Notenbank Fed Argumente für Zinssenkungen an die Hand. Daraufhin setzten Investoren erneut auf Aktien. Der marktbreite S&P 500 und der technologielastige Nasdaq 100 stiegen auf Rekordstände.
Der Nasdaq 100 legte um ein weiteres Prozent auf 20.392 Zähler zu und setzte sich weiter von der 20.000er Marke ab. Mit einem Aufschlag von 3,6 Prozent war es die stärkste Börsenwoche des Index seit Ende April ab. Um mehr als 20 Prozent ist der Index seit Jahresbeginn bereits gestiegen. Beim S&P 500 fiel der Aufschlag am Freitag mit 0,5 Prozent auf 5.567,19 Punkte allerdings geringer aus. Der Leitindex Dow Jones Industrial legte knapp 0,2 Prozent auf 39.376 Punkte zu. Im Dow sind die Tech-Aktien als Zugpferde der Börsen-Rally nicht so stark gewichtet wie im Nasdaq 100 und im S&P 500. Daher bringt es der Dow seit Jahresbeginn nur auf ein Plus von 4,5 Prozent. Auf Wochensicht stand am Freitag ein Gewinn von 0,7 Prozent zu Buche.
Etliche Tech-Schwergewichte erreichten am Freitag Höchstkurse, so Apple, Microsoft, die Google-Holding Alphabet, Amazon und die Papiere des Social-Media-Konzerns Meta Platforms. Die Aktien des Börsenlieblings 2024 Nvidia hingegen setzten ihre Konsolidierung mit einem Minus von 1,9 Prozent fort. Das Analysehaus New Street Research hatte die Aktien von „Buy“ auf „Neutral“ gesenkt und dies mit einer hohen Bewertung begründet.
Tesla knüpften an die in der vergangenen Woche begonnene Kursrally an. Sie gewannen 2,1 Prozent. Die Papiere des Elektroautoherstellers haben mittlerweile die bis Ende April erlittenen hohen Verluste wieder aufgeholt. Die kräftige Erholung der vergangenen Tage hat den Börsenwert des Unternehmens auf knapp 800 Milliarden Dollar steigen lassen.
Die Anteilscheine von Macy’s zogen um fast zehn Prozent an. Laut dem „Wall Street Journal“ haben die Finanzinvestoren Arkhouse Management und Brigade Capital Management ihre gemeinsame Kaufofferte für den Warenhausbetreiber auf rund 6,9 Milliarden Dollar erhöht.
Am US-Devisenmarkt belastete der schwache Arbeitsmarktbericht den US-Dollar. Der Euro stieg zuletzt auf 1,0840 Dollar. Am US-Anleihenmarkt legten Staatspapiere nach den Arbeitsmarktdaten zu. Die Rendite zehnjähriger Staatspapiere fiel im Gegenzug auf 4,28 Prozent.
Sie müssenangemeldet sein um einen Kommentar oder eine Antwort schreiben zu können
Bitte loggen Sie sich ein
„Außenhandel:
Exportindustrie mit unerwartetem Einbruch im MaiIm Mai haben deutsche Unternehmen Waren im Wert von knapp 132 Milliarden Euro exportiert. Der Rückgang zum Vormonat um 3,6 Prozent übertraf Erwartungen von Ökonomen.“ https://www.zeit.de/wirtschaft/2024-07/aussenhandel-exporte-mai-rueckgang
und das, obwohl der Export von Rüstungsgütern gestiegen ist.