Börse: Frühlingslüfterl für DAX und DOW

Aktionäre gewinnen, Zins-Anleger schauen in die Leere: Wegen schlechter Wirtschaftsdaten vor allem in Europa werden die Zentralbanken ihre Doping-Programme mit der Geld-Droge fortsetzen.

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Die Geldpolitik der Fed wird lockerer. Laut Protokollen der jüngsten Sitzung war die Mehrzahl der US-Notenbanker Ende Januar der Meinung, die Bilanzsumme der Fed solle nicht weiter gesenkt werden. Durch den Verzicht auf Ersatzkäufe bei fällig werdenden Anleihen haben die Zentralbanker den Wert der Assets in der Bilanz von in der Spitze 4,5 Billionen Dollar auf zuletzt rund vier Billionen gesenkt. Gegen Ende des Jahres könnte damit Schluss ein, sprich: die Fed wieder aktiver als Käufer am Anleihemarkt auftreten.

Ende Dezember hatte Präsident Jerome Powell angedeutet, dass der ursprünglich straffe Plan weiterer Zinserhöhungen nicht mehr in Stein gemeißelt sei. Jetzt wollen die Mitglieder hier so lange pausieren, bis es mehr Gewissheit über die wachsenden Risiken für die US-Konjunktur gebe. Die Wall Street hat hierauf jedoch kaum reagiert, die Kehrtwende der Fed ist wohl bereits in den Kursen drin. Hoffnungen auf eine Lösung im Handelsstreit führten indes zu einem kräftigen Anstieg des DAX. Wieder einmal spekulierten Anleger auf ein baldiges Ende des Handelsstreits zwischen den USA und China. Ein Gipfeltreffen zwischen US-Präsident Donald Trump und seinem chinesischen Amtskollegen Xi Jinping soll es wahrscheinlich im April geben. Außerdem plant China eine Senkung der Mehrwertsteuer, was den Konsum beleben dürfte. Dadurch liessen die Konjunktursorgen etwas nach. Zusätzlichen Rückenwind generierte die mögliche Verschiebung des Brexits sowie der „Hexensabbat“, der große Verfalltermin an den Terminbörsen.

Auf Unternehmensseite waren am Freitag vor allem die Aktien von Infineon (plus 4,0 Prozent) und SAP (plus 2,4 Prozent) stark gefragt. Der Chiphersteller profitierte von positiven Vorgaben aus den USA. Dort überzeugte nämlich der von Broadcom kommunizierte Ausblick die Investoren. In der Branche scheinen die Geschäfte derzeit überraschend gut zu laufen. Die Quartalszahlen von Infineon stehen Anfang Mai zur Bekanntgabe an

Steil bergab ging es am Freitag jedoch mit den Aktien von Wirecard, die sich um 8,8 Prozent verbilligten. Zeitweise belief sich das Minus sogar auf über zehn Prozent. Die psychologisch und charttechnisch wichtige Marke von 100 Euro blieb allerdings unverletzt. Medienberichte, dass Strafverfolger aus Singapur das Indien-Geschäft von Wirecard ins Visier nehmen, sorgten für erheblichen Verkaufsdruck.

BMW will angesichts der Schwäche auf den Automärkten die Sparbemühungen verschärfen. „Die Herausforderungen für die gesamte Industrie nehmen in den nächsten Monaten nicht ab“, sagte Vorstandschef Harald Krüger am Freitag in München. „Deswegen werden große Kraftanstrengungen in allen Bereichen des Unternehmens erforderlich sein.“ Im vergangenen Jahr sorgten schwächere Geschäfte in China und Europa für einen Gewinneinbruch, die Dividende soll empfindlich gekürzt werden.

Die US-Börsenaufsicht SEC hat Volkswagen und den ehemaligen Konzernchef Martin Winterkorn im Dieselskandal wegen angeblicher Verstöße gegen amerikanische Wertpapiergesetze verklagt. Tochterfirmen von VW sollen bei der Ausgabe von Anleihen und anderen besicherten Wertpapieren gegen Informationsvorschriften verstoßen haben. VW kündigte am Freitag jedoch an, sich mit „Nachdruck“ zur Wehr zu setzen. Die Klage weise „erhebliche juristische und inhaltliche Mängel auf“. Die Vorwürfe der Behörde stehen im Zusammenhang mit der im September 2015 in den USA aufgeflogenen Software-Manipulation von Abgastests.

Gute Nachrichten aus China haben am Freitag auch der Wall Street wieder neuen Schwung verliehen. Für Zuversicht sorgte der Plan Pekings, die Mehrwertsteuer ab dem 1. April zu senken. Zudem geht das Land angesichts der Handelsstreitigkeiten mit einem Investitionsgesetz auf ausländische Unternehmen und Investoren zu. Es soll für mehr fairen Wettbewerb sorgen. Der Dow Jones Industrial stieg jedenfalls nach einem verhaltenen Handelsstart am Ende um 0,5 Prozent auf 25.849 Punkte. Auf Wochensicht gewann der US-Leitindex damit 1,6 Prozent. Der marktbreite S&P 500 legte nach seiner Verschnaufpause am Donnerstag nun um 0,5 Prozent auf 2.822 Punkte zu. Der technologielastige NASDAQ 100 zog um 0,9 Prozent auf 7.307 Punkte an.

Unter den Favoriten im Dow machten die Aktien von Boeing anfängliche Verluste wett und stiegen um 1,5 Prozent. Nach dem jüngsten Absturz einer Maschine sind die Flieger vom Typ 737 Max rund um den Globus derzeit zwar am Boden. Die Anleger hoffen jedoch, dass der Luft- und Raumfahrtkonzern für diese Flotte bald ein Software-Update zur Verfügung stellt.

Ferner standen Oracle nach Zahlen im Blick. Beim Umsatz und Gewinn hatte der Softwarekonzern in etwa die Erwartungen der Aktionäre erfüllt. Oracle stellte seinen Anteilseignern zudem eine erhöhte Dividende in Aussicht. Die Anteilsscheine des Softwarekonzerns Adobe sackten nach einer enttäuschenden Unternehmensprognose um fast vier Prozent ab.

Tesla rückte mit seinem neuen Model Y in den Fokus. Der SUV auf Basis des aktuellen Hoffnungsträgers Model 3 soll der nächste und entscheidende Schritt zur Eroberung des Massenmarkts sein und dem Unternehmen von Tech-Milliardär Elon Musk endgültig den Ausbruch aus der Luxus-Nische ermöglichen. Doch es ist wie so oft bei Tesla: Was vielversprechend klingt, ist mit hohen Risiken und Fragezeichen verbunden. Fest steht: Tesla ist schon mit seiner bestehenden Produktpalette immens im Stress und steht massiv unter Druck. Die Vorstellung des Model Y sei etwas unspektakulärer gewesen als vom Elektroautobauer gewohnt, schrieb der Experte Joseph Spak vom Analysehaus RBC. Kollege Colin Langan von der Schweizer Großbank UBS ergänzte, angesichts harter Konkurrenz könnte der Verkaufsstart zur Herausforderung werden. Für die Tesla-Anteilsscheine ging es als Schlusslicht im Nasdaq 100 um rund fünf Prozent nach unten.

Viele Finanzexperten rätseln, ob die aktuellen Apple-Kurse nun eine günstige Kaufgelegenheit oder der berühmte Griff in ein fallendes Messer sind. Das von Media Tenor International untersuchte Analystenklima in führenden Finanzmedien wie dem „Wall Street Journal“ für die großen Technologiewerte zeigt: Amazon und Alphabet werden nach dem Tiefpunkt im vierten Quartal wieder deutlich positiv gesehen, bei Apple ist der Abwärtstrend dagegen ungebrochen, Facebook kämpft nach wie vor mit dem Vertrauensverlust aufgrund der Datenskandale. „Bei Apple hat sich das Analystenklima von minus 21 in Q4 auf minus 42 in Q1 verschlechtert. Apple braucht jetzt mehr an vertrauensbildenden Maßnahmen als ein weiteres Feature beim iPhone XS“, so Matthias Vollbracht, Leiter Research bei Media Tenor. Facebook hat mit den jüngsten Zahlen die Märkte positiv überrascht, im Analystenecho halten sich seit Jahresbeginn aber negative und positive Kommentare gerade die Waage. „Das Vertrauen in Facebook ist aufgrund der Datenskandale offenbar nachhaltig erschüttert, auch weil unklar ist, wie sich künftige Regulierung auf das Geschäftsmodell auswirken wird“, so Vollbracht. Dagegen ist die Stimmung der zitierten Analysten zur Google-Mutter Alphabet (plus 28) und Amazon (plus 42) klar positiv. Das Privatleben von Amazon-Gründer Jeff Bezos wird offenbar nicht als nachhaltige Gefahr für die Aktie verstanden. Insgesamt wurden 58 154 Aussagen zwischen Januar 2018 und Februar 2019 ausgewertet.

Die Konjunktur kühlt sich weltweit ab. Damit kann die EZB ihren Plan wohl begraben, im Herbst 2019 die Zinsen anzuheben. Die niedrige Inflation, in Deutschland lag sie im Januar bei 1,4 Prozent, sowie sich verschlechternde Wirtschaftsdaten sprechen dagegen. „Wenn man in der EZB allen Mut zusammennimmt, könnte man trotzt der schwindenden Wachstums- und Inflationserwartungen den derzeit negativen Einlagesatz etwas anheben und damit die unnötige Belastung für Unternehmen und Banken verringern“, meint Stefan Bielmeier, Chefvolkswirt der DZ Bank. Eine solche Entscheidung sei jedoch erst vom Nachfolger von EZB-Präsident Mario Draghi ab November zu erwarten. Bis dahin dürften die Kurse deutscher Anleihen weiter historisch hoch, die Renditen spiegelbildlich niedrig bleiben. So rechnet die Rabobank damit, dass deutsche Anleihen mit zehnjähriger Laufzeit bis Ende 2019 statt Zinsen minus zehn Basispunkte abwerfen werden. Soll heißen: Investoren müssten dann Geld dafür bezahlen, Deutschland leihen zu dürfen.

Dass Druck von Anlegern selbst die härtesten Unternehmensbosse weichkochen kann, zeigt Ivan Gasenberg. Der Boss des nicht gerade als grüner Engel bekannten Schweizer Rohstoffgiganten Glencore will nun nach Forderungen von Großinvestoren wie DWS und UBS die Kohleförderung begrenzen, um der Zunahme von Treibhausgasen zu begegnen. Allerdings kann Glencore den Trend hin zu weniger CO2-Austoß durchaus gelassen sehen. Der Konzern zählt zu den wichtigsten Förderern von Kobalt, das in Batterien für Elektrofahrzeugen eingesetzt wird. ​


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Kommentare ( 2 )

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IJ
5 Jahre her

Die Gelddruckerei der EZB produziert immer mehr Zombie-Banken. Zombie-Unternehmen und Zombie-Staaten innerhalb der EU, die bei der geringsten Zinserhöhung stehenden Fußes pleite sind. Die Frage, wie weit sich dieses Spiel treiben lässt, ist identisch mit der Frage, wie weit sich eine (verdeckte) Geldentwertung treiben lässt. Die Antwort ist ganz einfach: Solange, bis der Euro weder international noch innerhalb der EU als Zahlungsmittel akzeptiert wird. Nach der aktuellen Flucht in die Sachwerte (siehe Verteuerung von Aktien und Immobilien) kommt dann die Flucht in andere Währungen, ein ausgewachsener Bank-Run sowie letztlich die Flucht aller Investoren und Unternehmen ins Ausland. Es wird dann… Mehr

Tizian
5 Jahre her
Antworten an  IJ

Natürlich wird und muß es über Nacht kommen. Nichts fürchten die Banken und z. B. auch die dt. Regierung so sehr wie einen Bankenrun. Dann wäre ganz schnell die Luft aus diesem Ballon raus. Und das vor allem unkontrolliert und unreguliert. Die Banken und die von ihnen schuldentechnisch abhängigen Staaten wollen dieses Szenario verständlicherweise unbedingt vermeiden bzw. die Kontrolle darüber nicht aus der Hand geben. Und nu dann kann man es natürlich steuern. Am besten, wenn der Bürger nichtsahnend schläft. 😉