Jetzt kommt die verfehlte deutsche Energiepolitik auch auf dem deutschen Arbeitsmarkt an. Der weltgrößte Chemiekonzern, BASF, schließt einige Anlagen im Stammwerk Ludwigshafen.
Der Vorstandsvorsitzende von BASF, Martin Brudermüller, begründete dies auf der Bilanzkonferenz des Unternehmens mit hohen Energiekosten und der überbordenden Regulierung in Europa. Insgesamt soll es zu einem Abbau von 4200 Stellen kommen. Zur Einordnung: Ende 2022 beschäftigte BASF in Ludwigshafen rund 39 000 von weltweit 110.000 Arbeitnehmern.
Der Personalabbau ist die Reaktion auf die miesen Zahlen für 2022. Konzernweit sank das operative Ergebnis (also ohne Berücksichtigung von Steuern, Zinsen und Sondereinflüssen) im vergangenen Jahr um 11,5 Prozent auf 6,9 Milliarden Euro, obwohl der Umsatz um 11,1 Prozent auf 87,3 Milliarden Euro stieg. Unter dem Strich resultierte gar ein Konzernverlust nach Steuern von 627 Millionen Euro. Im Minus spiegelt sich vorallem die Wertberichtigung auf die Mehrheitsbeteiligung am Öl- und Gaskonzern Wintershall Dea in Höhe von 6,3 Milliarden Euro wider, die aus deren Rückzug aus Russland resultiert. Ob BASF diese Beteiligung wie beabsichtigt verkaufen kann, steht derweil in den Sternen.
BASF benötigt Erdgas in rauen Mengen, nicht nur als Energieträger, sondern auch als Rohstoff. Allein auf das Stammwerk Ludwigshafen entfallen knapp fünf Prozent des gesamten deutschen Gasverbrauchs. Für 2022 weist der Konzern nun Mehrkosten von zwei Milliarden Euro für Erdgas in Europa aus, obwohl er den Verbrauch vor allem durch geringere Produktionsmengen, aber auch Prozessoptimierungen und Substitution um rund 33 Prozent senken konnte. Zwar seien die Gaspreise seit dem Höchststand im August wieder gesunken, doch erwartet Brudermüller, dass sie auf Dauer höher bleiben werden als in früheren Jahren, vor allem aber höher gegenüber dem Preisniveau in anderen Regionen, insbesondere den USA, wo die Hauptwettbewerber produzieren. In Ludwigshafen betreibt der Konzern seinen größten sogenannten Verbundstandort – das bedeutet, dass in einem komplexen System die Nebenprodukte der einen Anlage zu Rohstoffen der anderen Anlage werden. Hier plant BASF nun strukturelle Anpassungen. Eingestellt werden soll in Ludwigshafen unter anderem die Produktion von Caprolactam, einem Ausgangsstoff etwa für Polyamid 6 und Stickstoffdünger. Dies wiederum ermöglicht laut Brudermüller die Schließung einer der beiden Ammoniakanlagen sowie von damit verbundenen Düngemittelanlagen. Ammoniak ist ein wichtiger Ausgangsstoff für Caprolactam, seine Produktion benötigt große Mengen an Erdgas. Zur Deckung des Eigenbedarfs und der europäischen Nachfrage reicht laut Brudermüller künftig die Anlage im belgischen Antwerpen aus.
Damit kommt es zu einer Verlagerung der geographischen Gewichte im Konzern; denn gleichzeitig zu den Schließungen in Ludwigshafen setzt BASF ein gewaltiges Investitionsprojekt in China um: In Zhanjiang wird derzeit für rund neun Milliarden Euro eine neue Verbundproduktion hochgezogen. Sie soll zur drittgrößten Produktionsstätte des Konzerns nach Ludwigshafen und Antwerpen werden. Die erste Ausbaustufe wurde im vergangenen Herbst bereit in Betrieb genommen.
Das Projekt ist unter Verweis auf die geopolitischen Spannungen zwischen China und Taiwan beziehungsweise den USA immer wieder kritisiert worden. Erst vor zwei Tagen erregte ein überraschender Wechsel im sechsköpfigen Konzernvorstand Aufsehen: Saori Dubourg, über die immer wieder kolportiert wurde, dass sie dem Ausbau in China kritisch gegenüberstehe, soll per 1. März von Stephan Kothrade abgelöst werden.
Brudermüller sagte dazu an der Bilanzpressekonferenz nur, es sei normal, dass man solche Projekte im Vorstand diskutiere. Man habe das China-Vorhaben immer wieder überprüft, sei aber stets zum Schluss gekommen, dass die Chancen grösser seien als die Risiken, die es tatsächlich gebe. Der Konzernchef wies abermals darauf hin, dass China einen Anteil von rund 50 Prozent am Weltmarkt für Chemie habe und BASF gemessen daran noch zu wenig präsent sei.
Der BASF-Aktienkurs knickte nach der Bilanzpressekonferenz um fast acht Prozent ein. Der Chemieriese war damit das Schlusslicht im DAX. Ein wenig trösten sich Anleger mit der Dividende auf Vorjahreshöhe. Unter Rendite-Gesichtspunkten ist die Aktie derzeit ein klarer Kauf. Neben den BASF-Zahlen beschäftigten wieder aufgeflammte Inflations- und Zinssorgen die deutschen Börsianer und lösten am Freitag einen kleinen Kursrutsch aus. Nach überraschend hohen Inflationszahlen in den USA brach der Leitindex DAX aus seiner jüngsten Handelsspanne aus und fiel unter die viel beachtete 21-Tage-Durchschnittslinie. Der Dax schloss 1,7 Prozent tiefer bei 15.210 Punkten. Auf Wochensicht ergibt sich damit ein Minus von 1,8 Prozent. Für den MDAX der mittelgroßen Unternehmen gab um ein Prozent auf 28.425 Punkte nach. Zusätzlich belastete die Bekanntgabe der Statistiker, dass Deutschland nach einem überraschend deutlichen Rückgang der Wirtschaftsleistung zum Jahresende 2022 auf eine Winterrezession zusteuert. Gesunkene Konsumausgaben der Verbraucher und rückläufige Investitionen haben die Konjunktur im vierten Quartal 2022 abgewürgt. Das Bruttoinlandsprodukt schrumpfte gegenüber dem Vorquartal um 0,4 Prozent. „Alles in allem zeigen die Zahlen, dass der starke Anstieg der Energiepreise die Wirtschaft trotz der umfangreichen Hilfsmaßnahmen des Staates spürbar gebremst hat“, schrieb Analyst Ralph Solveen von der Commerzbank. Hinzu kämen die infolge der geldpolitischen Wende der Europäischen Zentralbank (EZB) deutlich verschlechterten Finanzierungsbedingungen, die sich insbesondere im Bausektor bemerkbar gemacht hätten.
Im MDAX brachen die Anteilsscheine von Siltronic um neun Prozent ein und setzten sich damit an das Index-Ende. Der Chipindustriezulieferer rechnet für 2023 wegen einer schwächeren Nachfrage mit deutlich weniger Gewinn. SDAX-Schlußlicht war Nagarro, die um elf Prozent abrutschten. Zuletzt hatten die Investmentfirmen Kairos und SIH Partners laut Meldungen im Bundesanzeiger ihre Leerverkaufspositionen ausgebaut, das heißt, sie setzen bei den Anteilsscheinen des IT-Dienstleisters auf fallende Kurse.
Auch der Kurs des Euro fiel: Die EZB setzte den Referenzkurs auf 1,0570 (Donnerstag: 1,0616) US-Dollar fest. Am Rentenmarkt sank die Umlaufrendite von 2,54 Prozent am Vortag auf 2,49 Prozent.
Der überraschend deutliche Preisanstieg im Januar verschreckte später auch die Anleger an den US-Börsen. Sorgen vor womöglich deutlicheren Zinsschritten der US-Notenbank kochten wieder hoch. Der Dow Jones Industrial büßte ein Prozent auf 32.817 Zähler. Im Wochenverlauf verbuchte er ein Minus von drei Prozent. Die bisherigen Jahresgewinne haben sich damit in Luft aufgelöst. Der bekannteste Index der Wall Street ist zurück auf dem Stand vom 22. Dezember. Auch der breit gefasste S&P 500 verlor ein Prozent und schloß auf 3.970 Punkte. Der Nasdaq 100 sank um 1,7 Prozent auf 11.970 Zähler. Er fiel damit erstmals in diesem Monat unter die Marke von 12.000 Punkten und ist zurück auf dem Niveau von Ende Januar. Im Wochenverlauf gab der Auswahlindex der Technologiewerte um 3,1 Prozent nach.
Im Dow büßte die Aktie von Boeing als Schlusslicht unter den 30 Werten 4,8 Prozent ein. Der Flugzeugbauer muss die Auslieferung seines wichtigen Langstreckenjets 787 Dreamliner erneut aussetzen. Laut der Luftfahrtaufsicht FAA sind zusätzliche Untersuchungen einer Komponente des Flugzeugrumpfs der Grund.
Zu den wenigen Gewinnern des Tages gehörte die Aktie von JPMorgan mit einem Plus von knapp einem Prozent. Die US-Bank Morgan Stanley hob ihr Kursziel für das Papier der Konkurrentin von 167 auf 173 US-Dollar an und bekräftigte ihre „Übergewichten“-Einschätzung. Laut Analystin Betsy Graseck dürfte JPMorgan durch ein stärkeres Ergebniswachstum von höheren und längerfristigen Zinsen profitieren. Im breiten Nasdaq gewannen die Papiere von Beyond Meat 10,2 Prozent. Zeitweise waren sie sogar um mehr als 20 Prozent hochgesprungen. Der Hersteller von Fleischersatz-Produkten toppte im vierten Quartal die Erwartungen und verringerte den Verlust je Aktie stärker als erwartet. Am Markt wurde dies als Indiz gewertet, dass das Unternehmen auf dem Weg zur Profitabilität Fortschritte macht.
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Es ist richtig, dass BASF über die Jahre einiges versäumt hat (was sich seit längerem durchaus im BASF-Aktienkurs spiegelt). Ein Chemie-Konzern ist naturgemäß allerdings ein kapitalintensives, einstandkostenabhängiges Unternehmen. Eine rationale Wirtschaftspolitik eines Landes, in dem solche Unternehmen traditionell und weltmarktrelevant zum »Kerngeschäft« gehören und für erhebliche Steuereinnahmen gut sind, sorgt dann nicht mit fadenscheinig-naiven »Argumenten« für eine Einstandkostenverteuerung und Einstandressourcenverknappung.
Tja, nun sind sie halt da, die herbeigewählten Konsequenzen. In Brunsbüttel fährt die YARA ihre Produktion runter und produziert hat in Norwegen. Piesteritz stirbt auch den grünen Tod. Fehlender Dünger, der zudem extrem teuer gemacht wurde, führt zu steigenden Lebensmittel Preisen und Hunger im globalen Süden. Vielen Dank an die wählende Mehrheit.
BASF wird nicht der letzte Konzern sein, der D den Rücken zukehrt, weil mit der derzeitigen Politik absolute Planungsunsicherheit herrscht. Die Autokonzerne werden einen kleinen Restbestand für die E-Auto-Produktion aufrecht erhalten, der Verbrennermarkt mit dem Löwenanteil geht ins außereuropäische Ausland. Selbst wenn sich die Politik in ein paar Jahren ändern sollte, gibt es lange Zeit kein Zurück mehr in florierende Zeiten, das war’s dann erst mal.
Verfehlte Politik? Wir haben den Ersten Weltkrieg verloren und damit einen
Zugang zu Erdöl über potentielle deutsche Konzerne – wir hatten beste Beziehungen zum Osmanischen Reich bis 1915 – und keineswegs GB und die USA. Dieser Krieg war ein Rohstoffkrieg.
Ob Gas, ob Strom, ob Öl, BASF ist auf alles angewiesen und das in Größenordnungen. Dass man am deutschen Markt so festgehalten hat, ist mir seit dem angekündigten Atomausstieg nicht mehr verständlich. Ebenso das Gezerre der Bundesregierung um die Nordstream 2 Pipeline. Man fragt sich, wo denn die hoch bezahlten Lobbyisten ihren Tag verbringen und wie so mancher Verbandspräsident seine Stellenbeschreibung versteht? Sich gegenseitig zu beklatschen und dem Wildwuchs in einem durchgrünten Wirtschaftsministerium zuzusehen, geht nun mal schief. BASF wird schließlich nur zu retten sein, wenn sie es wie die Linde AG machen und diesem grünen Bürokratensystem den Rücken kehren.… Mehr
Wir wollen froh sein, das BASF umzieht. 5% des deutschen Erdgasverbrauchs eingespart, was sich nichtig gut für das Weltklima auswirkt. Und 4.200 Arbeiter, die nicht mehr zur Arbeit fahren müssen. Auch das Co2 sparend. Ich denke, der deutsche Wähler weiß das zu schätzen, wenn man die letzten Wahlen so anschaut. Scheinen alle gut zufrieden zu sein.
Zudem können die freigesetzten Arbeitskräfte nicht mehr so freizügig konsumieren, in den Urlaub fliegen, Auto fahren. Alles gewollte grüne Win Win‘s.
Die BASF ist tatsächlich nicht allein.
Laut dem Statistischen Bundesamt lag die Produktion der energieintensiven Industrie im Dezember 2022 um 20 % unter dem Niveau des Vorjahres. Das ist keine Industrierezession, sondern eine Depression. Die Lage ist verdammt ernst.
Das sagen Sie – und das sage ich und alle in meinem Kreis. Aber hören Sie sich im weiteren Umfeld um! Die Berliner wählten weiterhin Rotrotgrün, bundesweit verloren die Grünen in den letzten Wochen nur marginal und sind immer noch höher als zur Bundestagswahl angesiedelt …! Wenn die Leute die Depression in nennenswertem Ausmaß merken, schreien sie nur wieder nach noch mehr Staat, nach Hilfen und schlagen auf den Kapitalismus ein. Wie gehabt, dumm, dümmer …!
Allein durch diese „Einsparung“ konnte sich die Grüne Netz Agentur rühmen , Gas gespart zu haben. Die dümmliche Mehrheit klatscht Beifall.
Wie sagt der Esel in Grimms Märchen „Die Bremer Stadtmusikanten“ : >Etwas Besseres als den Tod findest Du überall<
Auf Deutschland bezogen: Überall auf der Welt existieren für Betriebe bessere wirtschaftliche und liberalere Rahmenbedingungen. Darum ja weg, …je schneller desto besser.
P.S.: Und das ist erst der Anfang, sowohl bei BASF als auch bei vielen anderen Firmen
Es sind ja zum glück nur prekäre Arbeitsverhältnisse knapp über Hartz 4 Niveau, die dort abgebaut werden(Ironie off). Die Grünen werden dies wieder mit stehendem Beifall feiern.
Ich frage mich wie bei solchen Nachrichten der DAX knapp vor Höchstständen notiert. Es ist einfach nur IRRE.
Im allgegenwärtig publizierten DAX sind, im Gegensatz zu diversen Indizes anderer Länderbörsen, Dividenden eingerechnet. Der hingegen weitgehend unbekannte sog. ‚Kurs-DAX‘ ohne Dividenden notiert am Hoch von 2000, 2015, 2018 und etwas unter dem von 2021, unter zwischenzeitlich erheblicher Volatilität. Darin spiegelt sich die hiesige Politik und der tendenzielle Niedergang Dtlds. durchaus, vergleicht man mit diversen ausländischen Wettbewerbern um Kapital und Investitionen resp. den entsprechenden Aktienindizes.
Frei nach Merkel ….jetzt sind sie nun mal weg…!