Börsenwoche: Autozölle, US-Konjunktur, Zinsen

Seit Freitagnachmittag steuern die EU und China auf einen Handelskonflikt zu. Im Sommer hatte die Kommission vorgeschlagen, auf chinesische E-Autos Zölle zu erheben; am Freitag stimmten die Mitgliedsstaaten dafür. Die EU will mit China weiterverhandeln, um alternative Lösungen zu finden. Sollten die Zölle eingeführt werden, werden sie fünf Jahre gelten.

picture alliance / SVEN SIMON | Frank Hoermann / SVEN SIMON

Wenn sich 15 von ihnen, die 65 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren, dagegen ausgesprochen hätten, wäre das Vorhaben der Kommission gescheitert, doch das Quorum, das die Deutschen gerne erreicht hätten, wurde nicht erreicht, die Zölle könnten somit Ende Oktober eingeführt werden. Sie werden zwischen 7,8 Prozent (Tesla) und 35,3 Prozent (SAIC) und kommen zu den bereits bestehenden in Höhe von Prozent hinzu. In den nächsten drei Wochen will die EU-Kommission mit China weiterverhandeln, um eine alternative Lösung zu finden. Sollten die Zölle eingeführt werden, werden sie fünf Jahre gelten.

Die Begründung für die Maßnahme ist die Beobachtung, dass chinesische E-Auto-Produzenten wie BYD, Geely und SAIC, aber auch der US-Hersteller Tesla, Subventionen über die ganze Produktionskette bekommen. Das verschafft den Herstellern in der EU einen Vorteil, der mit den Zöllen korrigiert werden soll. In der Tat produzieren die chinesischen Hersteller viel mehr E-Autus als der Heimmarkt absorbiert. Die Überschüsse werden ins Ausland verkauft.

Innerhalb der EU-Länder herrschen indes völlig unterschiedliche Auffassungen, wie man damit umgehen sollte. Bundeskanzler Olaf Scholz hat sich wie die deutsche Autoindustrie gegen Zölle ausgesprochen. Als Befürworter der Zölle gilt hingegen Frankreich. Die französischen Produzenten verkaufen in China bei weitem nicht so viele E-Autos wie die deutschen Hersteller, und sie betreiben dort auch keine großen Fabriken, die von chinesischen Vergeltungsmaßnahmen betroffen wären. Die Regierung in Peking hat bereits entsprechende Andeutungen gemacht. So lässt sie untersuchen, ob europäische Weinbrand- und Schweinefleischproduzenten mit Dumpingpreisen operieren. Zudem stieß China bei der Welthandelsorganisation (WTO) eine Anti-Dumping-Untersuchung an, wie die „Neue Zürcher Zeitung“ berichtet. Dabei geht es um die Frage, ob die Finanzhilfen der EU für Milchbauern und Käseproduzenten internationale Handelsregeln verletzen. Am Freitag bezeichnete Chinas Handelsministerium den Entscheid der EU-Mitgliedsländer zunächst einmal als ungerecht und unvernünftig. Er verletze die Regeln der WTO.

Trotz der für die deutsche Autoindustrie ungünstigen Entscheidung konnte der Dax eine schwache Börsenwoche versöhnlich beenden. Der deutsche Leitindex stieg um knapp 0,6 Prozent auf 19.121 Punkte. Das Wochenminus beläuft sich damit auf 1,8 Prozent. Der MDax der mittelgroßen Unternehmen gewann am Freitag gut ein Prozent auf 26.850 Punkte. Obwohl die deutsche Branche Gegenmaßnahmen Chinas befürchtet, blieben die Branchenwerte auf Stabilisierungskurs: Für Mercedes-Benz, Porsche AG, BMW und Volkswagen (VW) standen Kursgewinne von bis zu 2,9 Prozent zu Buche.

Die US-Wirtschaft hatte im September erheblich mehr Arbeitsplätze geschaffen als erwartet. Der Beschäftigungsaufbau in den beiden Vormonaten wurde zudem nach oben revidiert. Die Arbeitslosenquote ging im Vergleich zum Vormonat etwas zurück, während Volkswirte mit einer Stagnation gerechnet hatten. Das Lohnwachstum fiel überraschend hoch aus. „In den USA kommen vom Arbeitsmarkt weiterhin keinerlei Signale für eine Rezession“, schrieb Marktanalyst Konstantin Oldenburger vom Handelshaus CMC Markets. Sollte es bei dieser Robustheit bleiben, dürfte es zwar in naher Zukunft zu weniger starken Zinssenkungen der US-Notenbank kommen. Allerdings sei die Aussicht, dass es überhaupt graduelle Schritte nach unten geben werde, während die Wirtschaft weiter wachse, mehr wert als zwingend notwendige geldpolitische Lockerungen ohne Wachstum. Für den Dax sei nach dieser schwachen Woche die Fortsetzung der Rally möglich, fuhr Oldenburger fort.
Unter den Einzelwerten stachen Hapag-Lloyd negativ heraus. Die Anteilscheine der Großreederei sackten um 16 Prozent ab, nachdem Hafenarbeiter an der US-Ostküste ihren Streik nach wenigen Tagen gestoppt hatten. Im Zuge der Streiks hatten sich zuletzt auf dem globalen Containermarkt steigende Frachtraten abgezeichnet, was Anbietern solcher Kapazitäten zugutekommen war. Nun normalisieren sich die Preise wieder.

Im Fokus standen zudem Redcare Pharmacy. Die Online-Apotheke rechnet 2024 wegen höherer Werbeausgaben für das E-Rezept mit einem geringeren Gewinn als bisher. Während Optimisten die überzeugende Umsatzentwicklung mit dem E-Rezept hervorhoben, betonten Pessimisten die Belastung für die Profitabilität. Am Markt überwog am Ende eine leicht positive Interpretation: Die Aktien schlossen hauchdünn im Plus.

Derweil wagte der Wissenschaftsverlag Springer Nature den Sprung auf das Börsenparkett. Nach einem ersten Kurs von 24 Euro kosteten die Aktien am Ende 24,24 Euro – damit notierten sie deutlich über dem Ausgabepreis von 22,50 Euro.

Am deutschen Anleihenmarkt stieg die Umlaufrendite von 2,10 auf 2,14 Prozent.

Die Anleger an den New Yorker Börsen interpretierten dann am Abend den starken US-Arbeitsmarktbericht als Zeichen einer gut laufenden Konjunktur. Dies gab dem Aktienmarkt Auftrieb. Gedämpfte Erwartungen an künftig größer ausfallende Zinssenkungen der US-Notenbank spielten eine untergeordnete Rolle. Der Leitindex Dow Jones Industrial gewann 0,8 Prozent auf 42.353 Punkte. Der marktbreite S&P 500 legte um 0,9 Prozent auf 5.751 Punkte zu. Noch etwas besser sah es für den technologielastigen Nasdaq 100 mit plus 1,2 Prozent auf 20.035 Punkte aus.

Damit gelang es allen drei Indizes, den bisherigen Wochenverlust aufzuholen und die Periode mit einer knapp positiven Bilanz abzuschließen. Für den Dow beläuft sich der Wochenzuwachs auf 0,1 Prozent. Danach sah es lange Zeit nicht aus, hatte doch die Eskalation im Nahen Osten in den zurückliegenden Tagen mit dem Angriff des Iran auf Israel merklich belastet. US-Präsident Joe Biden riet unterdessen Israel von Angriffen auf die Infrastruktur der iranischen Öl-Industrie ab. Am Donnerstag hatte seine Aussage, dass die Vereinigten Staaten über ihre Haltung zu einem möglichen israelischen Angriff auf Ölanlagen im Iran diskutierten, die Märkte noch erheblich verunsichert.
Unter den Einzelwerten in New York fielen am Freitag die Anteile von Spirit Airlines mit einem Kurssturz von fast einem Viertel besonders negativ auf. Die Bemühungen der angeschlagenen Billigfluglinie, die Schulden umzustrukturieren, sind offenbar ins Stocken geraten. Wie das „Wall Street Journal“ berichtet, erwägt das Unternehmen nun einen Insolvenzantrag.

Der E-Fahrzeugbauer Rivian senkte seine Produktionsziele für 2024 aufgrund von Lieferengpässen. Zudem fielen die Auslieferungszahlen für das dritte Quartal schlechter als von Analysten erwartet aus. Die Papiere verloren 3,2 Prozent. Evgo dagegen sprangen um fast 14 Prozent hoch. Eine Kreditzusage für den Betreiber von Schnelllade-Netzen durch das Energieministerium sorge für mehr Zuversicht, hieß es von der UBS.

Die Aktien der Großbanken JPMorgan und Goldman Sachs gewannen weit vorne im Dow 2,9 beziehungsweise 1,9 Prozent. Die Aussicht auf weniger schnell sinkende Zinsen half dem Finanzsektor. Stärkster Wert im Dow waren Boeing mit einem Plus von drei Prozent. Der Flugzeugbauer will die Verhandlungen mit einer Gewerkschaft wieder aufnehmen, um einen schon drei Wochen dauernden Streik zu beenden.

Der Euro geriet nach dem starken Jobbericht deutlich unter Druck. Nach dem New Yorker Börsenschluss wurde die Gemeinschaftswährung bei 1,0976 US-Dollar gehandelt. Vor der Veröffentlichung des Arbeitsmarktberichts hatte der Euro noch bei 1,1030 Dollar notiert. Auch die Kurse von US-Anleihen sanken deutlich. Die Rendite zehnjähriger Staatspapiere stieg auf 3,99 Prozent. Dies ist der höchste Stand seit Anfang August.

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Kommentare ( 2 )

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BK
1 Monat her

Lasst die Chinesen in Deutschland machen, was die Deutschen in China machen mussten. Ein Joint Venture mit einer deutschen Firma gründen, in der die Deutschen 51 % Beteiligung erhalten.

M.E.S.
1 Monat her

Zölle waren bisher die steuerähnliche Haupteinnahmequelle der EU. Höhere Zölle bedeuten mehr Einnahmen, und zwar umgehend. Sollte ein schwächelndes Deutschland in wenigen Jahren als sonstiger Hauptsponsor ausfallen. liegt das eben in vergleichsweise weiter Entfernung. Die Anreize liegen also völlig falsch aus Sicht der deutschen Automobilindustrie. Aber selbst diese Einnahmequelle scheint der EU noch nicht zu genügen. Um CO2-Strafzahlungen wird in Zukunft eine weitere Einnahmequelle entstehen. Geht es also bei vielen Maßnahmen der EU in Wirklichkeit nur um die Maximierung des finanziellen Spielraums?