Am vergangenen Wochenende steckte den Anlegern noch das Bankenbeben in den USA – die Schließung der Silicon Valley Bank und der Signature Bank – in den Knochen, an diesem Wochenende schauen alle in die Schweiz.
Am Mittwochabend hatten die Schweizer Finanzmarktaufsicht (Finma) und die Schweizerische Nationalbank zwar erklärt, dass die Credit Suisse (CS) „die für systemrelevante Banken besonderen Anforderungen an Kapital und Liquidität erfüllt“, gleichwohl sackte der Kurs der CS-Aktie ins Bodenlose, und international zogen Bankkunden Einlagen ab, so dass die CS-Führung die von der Nationalbank angebotene Liquiditätshilfe in Anspruch nahm. Bis zu 50 Milliarden Franken will die Schweizer Nationalbank (SNB) zur Not zur Verfügung stellen, einen größeren Baiilout hat es in jüngster Zeit nicht mehr gegeben.
Offenkundig fehlte bis zum „Machtwort“ der SNB das Vertrauen der Anleger in die Tragfähigkeit der von der CS zur Verfügung gestellten Kennzahlen. Nach der Finanzkrise im Zuge der Lehman-Pleite vor 15 Jahren hatten die Aufsichtsbehörden die Anforderungen an Eigenkapital und Liquidität der Finanzinstitute deutlich erhöht; da man nicht noch einmal in die Lage geraten wollte, „systemrelevante“ Banken retten zu müssen. Aber das Vertrauen in die Kapitalausstattung scheint marktseitig nicht besonders ausgeprägt gewesen zu sein. Der Schritt der SNB war somit folgerichtig, um gar nicht erst eine „too big to fail“-Situation heraufzubeschwören. 2008 hatten Notenbanken und/oder Regierungen rund um den Globus den Geschäftsbanken notleidende Assets abgekauft und Eigenkapitalhilfen geleistet. In den USA und der Schweiz war das für den Staat ein Riesengeschäft, weil sie mit der Vergütung für die Risikoübernahme gut verdienten. Nur in Deutschland war die Bankenrettung (zum Beispiel die Verstaatlichung der Hypo Real Estate) für den Steuerzahler ein Verlustgeschäft.
So weit ist es bei der CS allerdings (noch) lange nicht: Vorerst beschränkt sich die Hilfe auf Liquidität von der Nationalbank, für die das Institut erstklassige Sicherheiten – Schweizer Hypotheken – hinterlegen muss. Mit dem Volumen von 50 Milliarden Franken kann die CS den Kunden gegenüber Stärke zeigen. Niemand muss befürchten, dass das Institut Einlagen nicht jederzeit zurückgewähren könnte. Zweifel an dieser Fähigkeit hatten zur Insolvenz der Silicon Valley Bank geführt. Ende 2022 verfügte die CS laut Geschäftsbericht über hochliquide Anlagen von 120 Milliarden Franken. Nun hinterlegt die Bank bei der SNB ein Portfolio mit Hypotheken und erhält dafür (zunächst) 39 Milliarden Franken. Neben der Liquidität muss eine Bank aber auch über genügend Kapital verfügen, um Verluste aus dem Kreditgeschäft und den Eigenanlagen auszugleichen. Mit einer Kernkapitalquote von 14,1 Prozent Ende 2022 übertraf die CS die einschlägigen Vorschriften (acht Prozent. Der Beistand der SNB müsste die Märkte also beruhigen. Denn ohne dass die CS alle Kapitalanforderungen erfüllte, könnte die Nationalbank ihr nicht mit Liquidität zur Seite springen. Die Turbulenzen der vergangenen Woche zeigen indes, dass man bei den Anforderungen vielleicht noch einmal nachjustieren muss. Was Regulierungsbehörden als ausreichend erscheint, mag dem einen oder anderen Investor, wenn es hart auf hart kommt, als zu gering erscheinen. Immer noch sind Bankbilanzen rund um den Erdball überwiegend fremdfinanziert. Ansteckungseffekte sind also durchaus nicht auszuschließen. Entsprechend sind die Kurse des Finanzsektors an allen Börsen in dieser Woche unter Druck geraten.
Kein Wunder, dass es an den US-Börsen nach der Vortagserholung am Freitag wieder bergab ging. Angesichts der anhaltenden Verunsicherung über den Zustand des Bankensektors schloss der Leitindex Dow Jones Industrial 1,2 Prozent tiefer bei 31.862 Punkten, womit er ein knappes Wochenminus verbuchte. Der marktbreite S&P 500 verlor 1,1 Prozent auf 3.917 Punkte. Erneut besser behauptete sich der technologielastige Nasdaq 100 mit einem Kursrückgang um 0,5 Prozent auf 12.520 Zähler.
Wie verunsichert die Anleger trotz aller Maßnahmen zur Eindämmung der Krise der US-Regionalbanken bleiben, zeigte der neuerliche Kurssturz der First Republic Bank um fast ein Drittel. Die Stabilisierung vom Donnerstag dank einer milliardenschweren Unterstützung durch die größten amerikanischen Geldhäuser erwies sich damit als Strohfeuer. Zudem beantragte mit SVB Financial der Mutterkonzern der Silicon Valley Bank – Auslöser der aktuellen Krise – Gläubigerschutz nach dem „Chapter 11“ des US-Insolvenzrechts.
Finanzwerte standen vor dem Wochenende generell unter Druck: JPMorgan und Goldman Sachs zählten mit Abschlägen von 3,8 und 3,7 Prozent zu den größten Verlierern im Dow. Auch Bank of America , Wells Fargo und Citigroup mussten deutliche Abschläge hinnehmen. Gespannt warten die Anleger, wie die US-Notenbank Fed in der kommenden Woche auf die Krise reagieren wird. Die Euro-Währungshüter hatten sich tags zuvor nicht von ihrem Anti-Inflations-Kurs abbringen lassen und die Leitzinsen erneut deutlich erhöht. „Die Fed muss es wieder einmal richten“, kommentierte Analyst Konstantin Oldenburger vom Broker CMC Markets. Eine Zinssenkung, wie von einigen Anleger erhofft, wäre aus seiner Sicht nicht der richtige Weg, das Vertrauen der Investoren zurückzugewinnen. Denn dann könnten Spekulationen aufkommen, „dass noch mehr im Argen liegt als bisher bekannt“.
Zu den Einzelwerten: Auf den Papieren des US-Pharmakonzerns Merck & Co lastete am Freitag ein Studienrückschlag bei einem Lungenkrebsmittel. Die Aktien büßten drei Prozent ein. Dagegen legten die Papiere des Deutsche-Post-Konkurrenten Fedex um acht Prozent zu. Der Konzern hob seine Prognosen an und signalisierte dabei auch Kostensenkungen, um einem geringen Paketvolumen zu begegnen. Auch Analystenkommentare bewegten die Kurse. Die Aktien des Unterhaltungskonzerns Warner Bros. Discovery zogen nach Empfehlungen durch Wolfe Research und Wells Fargo um 1,3 Prozent an.
Die Sorgen um den Bankensektor hatten zuvor auch schon den deutschen Aktienmarkt wieder eingeholt und den Dax letztlich um 1,3 Prozent auf 14.768 Punkte nach unten gezogen. Der Leitindex konnte sich damit zwar über der 100-Tage-Linie als Indikator für den mittel- bis längerfristigen Trend halten, im Wochenverlauf verlor der Dax allerdings mehr als vier Prozent. Vor dem Wochenende sorgte der große Verfall an den Terminbörsen für weitere Kursschwankungen. Der Effekt der positiv bewerteten Zinserhöhung der Europäischen Zentralbank (EZB) vom Vortag verpuffte. Für den MDax der mittelgroßen Unternehmen ging es um 2,2 Prozent auf 26.447 Zähler abwärts.
Am Mittwoch könnte bei der Fed angesichts der Banken-Turbulenzen rund ein Jahr nach dem Start ihrer aggressiven Leitzinswende ein Umdenken einsetzen. Aus der Angst vor einer Tempoverschärfung der US-Notenbank sei bei einigen Marktteilnehmern schon Hoffnung auf eine Zinssenkung geworden, schrieb Kapitalmarktstratege Jürgen Molnar vom Broker RoboMarkets: „So weit sollte es zwar nicht kommen, aber der große Zinsschritt ist spätestens seit dieser Woche vom Tisch.“
Im Dax verloren die Papiere der Deutschen Bank 1,5 Prozent, die der Commerzbank gaben 3,5 Prozent nach. Ähnlich düster war die Kursentwicklung in der Immobilienbranche. Die deutlichen Dividendenkürzungen dort seien ein weiteres Beispiel, warum die negativen Auswirkungen der restriktiven monetären Trends in den kommenden Monaten die Aktienmärkte regelmäßig belasten dürften, konstatierten die Experten der Commerzbank. Vonovia verloren angesichts einer schon am Vortag kräftig gekappten Dividende und einem in Aussicht gestellten Gewinnrückgang 2,2 Prozent und rutschten zeitweise auf den tiefsten Stand seit 2014 ab. Für gute Laune sorgte dagegen der oben bereits erwähnte angehobene Ausblick von US-Logistiker Fedex , der die Aktien der Deutschen Post um 0,9 Prozent anschob.
Im MDax waren einige IT-Werte gefragt: Software AG verteuerten sich an der Spitze um 2,2 Prozent, Teamviewer um 0,8 Prozent. Die Aktien von Bechtle gingen 1,3 Prozent höher aus dem Handel. Für die Software AG ging damit der vorerst letzte Tag im Index der mittelgroßen Werte zu Ende. Das Unternehmen steigt kommende Woche in den Nebenwerte-Index SDax ab. Neben weiteren Änderungen in den hinteren Börsenreihen steht auch ein Wechsel im Dax an: Der Rüstungskonzern und Autozulieferer Rheinmetall wird am Montag für den Dialyse-Spezialisten Fresenius Medical Care in den Leitindex aufsteigen.
Der Euro legte zuletzt zu und notierte bei 1,0667 US-Dollar. Am Rentenmarkt fiel die Umlaufrendite von 2,29 Prozent am Vortag auf 2,26 Prozent. Der Rentenindex Rex stieg um 0,22 Prozent auf 125,69 Punkte.
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Schauen wir mal. Wenn die FED jetzt trotz weiterhin erschreckend hoher Kerninflation (als Indikator für eine rotierende Preis-Lohn-Preis-Spirale) die Zinsen schwächer als geplant anhebt, nachdem man die Schrumpfung der aufgeblähten Geldmenge/FED-Bilanz ja durch die hunderte milliardenschwere Einlagenrettung schon pausiert hat, geht die Inflation endgültig durch die Decke. Eigentlich eine total schizophrene Geldpolitik. Zinsen erhöhen um die Inflation zu bekämpfen, aber gleichzeitig die Geldmenge erhöhen, um die Banken zu retten, welche durch ausfallende Kredite aufgrund der hohen Zinsen in Schwierigkeiten kommen.
Wenn sich das Risk-Management dieser Banken vor allem um das Risiko, ob jemand mit dem falschen Pronomen angesprochen wird, dreht, dann wundert mich gar nix!