Die Aktienmärkte stehen in diesen Tagen ganz im Zeichen der Quartalsberichte. Allein in der kommenden Woche wird mehr als ein Drittel der DAX-Mitglieder die Geschäftszahlen für die Monate April bis Juni auf den Tisch legen. Da ist es verständlich, dass sich Anleger zurückhalten.
Der DAX pendelt weiterhin in einem Seitwärtskanal zwischen 15.000 und 16.000 Punkten. Die abwartende Haltung könnte nicht nur an den anstehenden Zahlen liegen, sondern auch am Saisonmuster: August und September sind die einzigen Monate, in denen der DAX seit Gründung im Jahr 1988 im Durchschnitt Verluste erzielt hat. Das heißt nicht, dass die kommenden beiden Monate zwingend Unheil für Aktionäre bringen. Die Relationen sind aber ungünstig: Im August und September haben Anleger häufiger Verluste als Gewinne gemacht, dabei insgesamt sogar acht Mal zweistellige Kurseinbrüche erlitten.
Der Juliausklang zeigte sich bereits von seiner schwächeren Seite. Der deutsche Leitindex DAX schloss 0,6 Prozent im Minus bei 15.544 Punkten. China-Sorgen und das Wiederaufflammen der Coronavirus-Pandemie hätten die europäischen Börsen gebremst, lautete die wohlfeile Erklärung. In China könnten in der Tat weitere regulatorische Eingriffe der Behörden erfolgen. Das Vertrauen in chinesische Unternehmen sei angeschlagen, kommentierte Lewis Grant, Portfoliomanager beim Vermögensverwalter Federated Hermes. Der Alarmismus der Bundesregierung ist dagegen nur ein vorgeschobenes Argument.
Unter den DAX-Werten stand Fresenius Medical Care im Vordergrund. Der Dialyse-Spezialist ist besonders von der Pandemie betroffen. Denn Dialysepatienten seien anfälliger für Covid-19. Die Zahlen seien aber nicht schlechter als erwartet ausgefallen. Die Aktie verlor zwischenzeitlich 4,6 Prozent. Das Mutterunternehmen Fresenius rutschte in diesem Sog ebenfalls um rund drei Prozent ab. Das überraschte, denn beim Klinik- und Medizinkonzern nimmt die Erholung langsam Fahrt auf. Das Management um Konzernchef Stephan Sturm schaut daher etwas optimistischer in die Zukunft als bisher und hob die Jahresziele an.
Auch RWE erhöhte die Gewinnprognose.
Der Energiekonzern rechnet 2021 wegen eines starken Handelsgeschäfts im ersten Halbjahr mit einem besseren Ergebnis als bisher. Beim um Sondereffekte bereinigten Gewinn werde jetzt ein Wert zwischen 1,05 und 1,45 (2020: 1,2) Milliarden Euro erwartet, teilte das Unternehmen am Freitag in Essen mit. Die Aktie legte in einem schwachen Umfeld zu. Schliesslich erhöhte auch der Medizintechnikkonzern Siemens Healthineers nach starkem Wachstum im dritten Geschäftsquartal seine Jahresprognose. Vor allem beim Umsatz zeigte sich die Erlangener Siemens-Tochter am Freitag optimistischer. Dabei profitiert das Unternehmen von einem außergewöhnlich guten Geschäft seiner Diagnostik-Sparte – dank der hohen Nachfrage nach Corona-Schnelltests überwiegend in Europa.
Auch die US-Aktienmärkte legten einen holprigen Wochenschluss hin. Börsianer sprachen von Gewinnmitnahmen nach den jüngsten Rekordhochs. Der Dow Jones Industrial endete mit einem Minus von 0,4 Prozent bei 34.935 Zählern. Daraus resultierte für den US-Leitindex ein Wochenverlust von rund 0,4 Prozent. Der marktbreite S&P 500 sank am Freitag um 0,5 Prozent auf 4.395 Punkte. Für den NASDAQ 100 ging es um 0,6 Prozent auf 14.960 Punkte abwärts.
Frische US-Konjunkturdaten hatten nur wenig Einfluss auf die Notierungen. So entwickelten sich die Konsumausgaben nach einem schwächeren Vormonat im Juni wieder robust. Zudem legten die Arbeitskosten im zweiten Quartal weniger deutlich zu als erwartet. Auch das Geschäftsklima in der Region Chicago hellte sich im Juli überraschend auf. Das US-Konsumklima trübte sich im Juli hingegen ein.
Unter den Einzelwerten standen die Aktien von Amazon ganz klar im Mittelpunkt des Anlegerinteresses und sackten als Schlusslicht im Nasdaq 100 um 7,6 Prozent ab. Zwar profitierte der Konzern im zweiten Quartal weiter vom Trend zum Einkauf im Internet und boomenden Cloud-Diensten, doch lässt der Schwung allmählich nach. Langsameres Wachstum und höhere Investitionen kämen im zweiten Halbjahr auf den Internethändler zu, schrieb etwa JPMorgan-Analyst Douglas Anmuth und kappte sein Kursziel.
Um gut 18 Prozent brachen die Titel von Pinterest ein. Die Foto-App hatte die Markterwartungen bei der Nutzerzahl im vergangenen Quartal deutlich verfehlt.
Procter & Gamble gewannen zwei Prozent. Der Konsumgüterkonzern legte zum Ende seines Geschäftsjahres 2020/21 noch einmal einen Schlussspurt hin, doch höhere Rohstoffkosten knabberten an der Rohertragsmarge, die im Schlussquartal zurückging.
Quartalsberichte kamen auch von den beiden Ölkonzernen Chevron und ExxonMobil, deren Papiere um 0,7 beziehungsweise 2,3 Prozent fielen. Exxon überraschte positiv mit seinem höher als erwartet ausgefallenen Ergebnis je Aktie und Chevron schrieb im zweiten Quartal wieder schwarze Zahlen.
Seit Januar dieses Jahres hat der Ifo-Geschäftsklimaindex nur eines angezeigt — dass es mit Deutschlands Wirtschaft immer weiter aufwärtsgeht. Doch nun gab es den ersten Rückschlag. Im Juli ist der Index von 101,7 auf 100,8 Punkte gesunken. Grund hierfür war ein Rückgang der Erwartungen aufgrund der wieder zunehmenden Covid-Infektionszahlen in Deutschland. Sorgen bereiten vielen Unternehmen aber auch die zunehmenden Engpässe bei Vorprodukten. Zusammen mit der Delta-Variante könnte dies die konjunkturelle Erholung bald drosseln, meint Christoph Swonke, Konjunkturanalyst der DZ Bank. Auch die optimistische Stimmung der Verbraucher legte im Juli eine Verschnaufpause ein. Sowohl die Konjunktur- als auch die Einkommenserwartung verzeichnen moderate Verluste, während die Anschaffungsneigung nochmals leicht zulegen konnte.
Der Internationale Währungsfonds (IWF) rechnet trotz einer möglichen weiteren Corona-Welle in vielen Ländern mit einem robusten wirtschaftlichen Aufschwung in diesem Jahr. Gleichzeitig erwartet der IWF aber zum ersten Mal seit vielen Jahren wieder eine weltweit kräftig anziehende Inflation. Die Preise dürften demnach in diesem Jahr in den Industriestaaten um durchschnittlich 2,4 Prozent zulegen. Im April war der Fonds nur von 1,6 Prozent ausgegangen. Für 2022 wurde die Prognose von 1,7 auf 2,1 Prozent erhöht. Auch für die Entwicklungs- und Schwellenländer wird eine höhere Teuerung erwartet. Der IWF warnt die Notenbanken aber vor einer raschen Abkehr von der Politik des billigen Geldes. „Die Zentralbanken sollten generell über vorübergehenden Inflationsdruck hinwegsehen und eine Straffung vermeiden, bis mehr Klarheit über die zugrundeliegende Preisdynamik besteht“, riet der Fonds. Das müsse von den Währungshütern gut erklärt werden, damit sich Inflationserwartungen nicht verfestigten. Mit der US-Notenbank dürfte der IWF schon mal zufrieden sein. Denn der Fed-Chef Jerome Powell kündigte vergangene Woche an, die Politik des billigen Geldes erst mal unverändert fortzusetzen. Gleichzeitig ließ er alle Möglichkeiten offen, den Kurs zu ändern. „Powells Pressekonferenz war sehr ausgewogen und ließ der Fed die Flexibilität, je nach Wirtschaftsdaten, fiskalischen Impulsen und Virusverbreitung zu handeln“, meinte etwa John Vail, Chefglobalstratege bei Nikko Asset Management.
Lange wurde verbissen gefeilscht, vergangene Woche kam der Durchbruch. Der US-Senat hat mit einer Mehrheit die Gesetzgebung für ein Infrastrukturpaket in Höhe von rund 550 Milliarden US-Dollar (465 Milliarden Euro) angestoßen. Es sei „die bedeutendste langfristige Investition in unsere Infrastruktur und Wettbewerbsfähigkeit seit fast einem Jahrhundert“, so US-Präsident Joe Biden. Die Mittel sollen unter anderem für Straßen, Brücken, Häfen, Flughäfen, den Nahverkehr und die Bahn eingesetzt werden. Anleger können mit dem iShares Global Infrastructure ETF, der US-Infrastruktur-Unternehmen mit 63 Prozent gewichtet, vom Deal profitieren.
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