Express-Lieferdienst entlässt tausende Mitarbeiter

Der türkische Lieferdienst Getir steht vor dem Rückzug. Die Hoffnung auf große Gewinne hat sich nicht erfüllt. Auch für Konkurrenten wie Flink sieht es düster aus. Es drohen Massenentlassungen.

IMAGO / Michael Gstettenbauer

Man sieht sie überall auf Fahrrädern mit dicken Gepäckstücken auf den Straßen: Getir, Gorillas, Flink. Während der Corona-Zeit schlagartig als Express-Lieferdienste groß geworden, scheint es nun für einige eng zu werden.

Lange Zeit war der Lieferdienst Gorillas im Geschäft mit der Zustellung von Lebensmitteln und wurde vom türkischen Getir übernommen. Der kaufte das Berliner Start-up Ende 2022 auf. Ziel war ein milliardenschweres Konglomerat, das auch außerhalb der Türkei erfolgreich sein sollte, heißt es. Obwohl Konkurrent Gorillas damals strauchelte, versprach sich Getir durch den Deal enorme Marktanteile. Die erreichte der Bringdienst zwar auch, kommt aber nach Informationen der Wirtschaftswoche nun selbst immer mehr in Schwierigkeiten.

Wie die WiWo weiter berichtete, waren Anfang April die Board-Mitglieder von Getir am Hauptsitz in Istanbul zusammengekommen, um über die Zukunft des Lieferdiensts zu sprechen. Darunter: Mubadala Capital, der Staatsfonds aus Abu Dhabi und einer der größten Anteilseigner von Getir. Über die Jahre pumpte Mubadala rund 800 Millionen US-Dollar in das Start-up und sorgte so für die sagenhafte Bewertung von rund 12 Milliarden Dollar.

Doch Getir soll zuletzt pro Monat rund 50 Millionen Dollar verbrannt haben und benötigte entsprechend mehr Kapital. Der Staatsfonds aus Abu Dhabi müsse sich daher die Frage stellen, ob er riskieren wolle, möglicherweise noch mehr Geld zu verlieren.

Offenbar wurde in Istanbul auch über eine Übernahme des Berliner Konkurrenten Flink beraten. Investor Mubadala Capital soll eine Fusion für sinnvoll erachtet haben, hat wegen seiner geringen Anteile bei Flink aber wenig Mitspracherecht. Insidern zufolge soll der Deal nun erst einmal vom Tisch sein. Auch, weil es die Berliner Gründer zunächst allein weiter versuchen wollen.

Lieferdienst Flink sammelt indessen weitere 100 Millionen Dollar ein. Die jüngste Finanzierungsrunde soll von Flinks Bestandsinvestoren angeführt worden sein: darunter der deutsche Einzelhändler Rewe sowie die Risikokapitalgeber Bond, Northzone und Cherry Ventures.

In Deutschland hatte Getir schon im Sommer letzten Jahres tausende Mitarbeiter entlassen. Getir-Gorillas könnte nun aber ganz aus Deutschland verschwinden, meldet der Merkur. Nachdem eine Fusion mit dem Wettbewerber Flink scheiterte, könnte der größte Interessent, nämlich der aus Abu Dhabi, die sprudelnde Geldquelle versiegen. Offenbar gilt es als unwahrscheinlich, dass ein neuer Geldgeber an Land gezogen wird.

Nach Informationen des Merkur gab es bereits während der Verhandlungen konkrete Pläne für weitere Massenentlassungen. Noch sei die Agentur für Arbeit, die laut Kündigungsschutzgesetz in diesem Fall informiert werden müsste, nicht in Kenntnis gesetzt worden. Aus der Belegschaft der Lagerhäuser in Berlin sei demnach zu vernehmen, dass bestehende Verträge zuletzt nicht verlängert wurden.

Außerhalb der Türkei gelang der Bringdienst Getir nie der große Durchbruch. Laut Informationen des Handelsblatts soll das im Heimatland Türkei erfolgreiche Unternehmen in europäischen Ländern nicht gut funktioniert haben.

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Kommentare ( 14 )

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elly
6 Monate her

dazu passend
Arbeitsmigration:
Deutschland ist international unter den beliebtesten ArbeitsländernEiner Studie zufolge ist Deutschland der beliebteste Arbeitsstandort unter den nicht-englischsprachigen Ländern. Viele Befragte gaben an, die Jobqualität zu schätzen.
Berlin ist der Studie zufolge besonders beliebt unter den internationalen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. 
https://www.zeit.de/arbeit/2024-04/arbeitsmigration-deutschland-ranking-beliebt-nicht-englischsprachige-laender

Rob Roy
6 Monate her

Die Mitarbeiter werden nicht entlassen. Es sind ja Selbstständige. Sie erhalten einfach nur keine Aufträge mehr.

Marcel Seiler
6 Monate her

Das kann man nun Herrn Habeck ausnahmsweise nicht zur Last legen. So funktioniert die Marktwirtschaft: Einige Neuerungen funktionieren, andere setzen sich nicht durch.

Als Fahrradfahrer kann ich auf die aggressiven Gorilla-Pedelecs, die mir in ihrem aggressiven Schwarz (ein Fall für den Staatsanwalt? Hatte die SS nicht schwarze Mäntel?) und der aggressiven Fahrweise schon lange auf die Nerven gehen, gut verzichten. (Jetzt müssen nur noch die E-Roller verschwinden!)

Fatmah
6 Monate her

Genau so ein Schmarrn wie diese E Roller Mietfirmen die hunderte Millionen Euro Kapital verbrennen und wenn das verbraucht ist, wieder verschwinden.

Werner Geiselhart
6 Monate her

Die haben nicht mit dem deutschen Mindestlohn kalkuliert und der angenehmeren Alternative Bürgergeld.
Wenn der Bote eine Stunde unterwegs ist, ist der Gewinn aufgefressen und die Pizza kalt.
Wird nix.

Bundesbuerger
6 Monate her

Klingt so als würden Rewe und ein paar andere Helden Multi-Millionen ausgeben, um in Berlin den Markt für Fahrradlieferung von Lebensmitteln zu erobern. Kann man die Millionen in Berlin und vielleicht noch einer handvoll Städte in Deutschland jemals wieder verdienen? Oder radeln die bald auch in der Lüneburger Heide, im Allgäu und im Thüringer Wald herum? Was kostet die Zustellung? In Inflationszeiten? Oder radelt Rewe bald auch in Paris, im Vorgarten von Carrefour? Fragen. Der steinreiche Staatsfond aus Abu Dhabi hat die offenbar gestellt. Rewe auch, und zwar nicht nur das Management sondern die Eigentümer?

GefanzerterAloholiker
6 Monate her

Mein Reden! Wir brauchen Facharbeiter.
Im Übrigen wird nur Stimmung gemacht. Wir müssen das als Chance sehen.
Jetzt im Ernst. Kaum ist die Pizzaboten-Gesellschaft da, ist sie schon bankrott. Sollte Robert zu denken geben. (Robert, „Denken“ im Duden nachschlagen!)

Analeur
6 Monate her

Für Leute die Lieferdienste brauchen oder wollen, finde ich sie gut. Kosten und Löhne machen mich skeptisch. Individuell Essen ausliefern macht es wesentlich teurer und die Löhne der liefernden Fahrer sind selbstverständlich gering. Ein Mensch, Ein Fahrrad plus die Zeit sind hohe kosten pro Lieferung. Für Reiche Menschen eine tolle sache, aber dabei bleiben die kostengünstigen Fahrer mit ihrem geringen Lohn auf der Strecke. Das Unfallrisiko sich permanent im Straßenverkehr zu bewegen, muss besonders honoriert werden.

fatherted
6 Monate her

Ehrlich gesagt, habe ich noch nie auch nur von einem dieser „Lieferdienste“ was gehört oder gesehen….evtl. sind die in Rhein/Main nicht unterwegs….oder ich bin tatsächlich zu ignorant. Wie auch immer…es wird wohl darauf hinauslaufen, dass hier vor allem „Mitarbeiter“ entlassen werden, die zu den arbeitswilligen Neubürgern gehören….schlechte Nachrichten für die, die immer anmerken, dass ja so viele in Lohn und Brot sind und ihren Beitrag leisten….diese werden wohl demnächst ins Bürgergeld wechseln. Tja….

Cola
6 Monate her

Und weshalb funktioniert es in der Türkei? Ich glaube, ausser dort, gibt es überhaupt keinen Markt auf der Welt, in dem man mit diesem Geschäftsmodell Gewinne macht. Also was ist denn bitte in der Türkei anders? Oder funktioniert es dort über Geldwäsche? Die Lira am Boden, die Wirtschaft zu großen Teilen ebenso-wo kommen all die Kunden her, die sich beliefern lassen? Zumal doch ausserhalb der großen Städte vermutlich niemand bestellt, da sind ja viele Selbstversorger bzw man kauft dort auf Märkten. Wie soll das denn überhaupt funktionieren? Entweder verliert der Kunde, weil er die Lieferung bezahlen muss, oder der Lieferant… Mehr