Europäische Unternehmen müssen seit 1. Oktober 2023 ermitteln und dokumentieren, wie viel Kohlendioxid importierte Waren verursacht haben. In einem 266 Seiten langen Leitfaden der EU-Kommission sollen Lieferanten aus aller Herren Länder der Welt ihre Emissionen angeben.
Es ist noch nicht lange her, da beschloss die Bundesregierung ein neues Gesetz, das Lieferkettengesetz, das Anfang Juni zu einer EU-Verordnung wurde, mithin also zu einem Rechtsakt der Europäischen Union mit allgemeiner Gültigkeit und unmittelbarer Wirksamkeit in den Mitgliedstaaten. Offiziell ist es die „Richtlinie über die Sorgfaltspflicht von Unternehmen im Bereich der Nachhaltigkeit“. Doch dieses Lieferkettengesetz ist eine Art Ablasshandel für das schlechte Gewissen moralisierender Europäer.
Meist ist es umgekehrt: Die EU erfindet eine neue Verordnung, und die EU-Staaten haben sich daran zu halten. Im Fall des Lieferkettengesetzes preschte die Bundesrepublik mit einem hehren Ziel vor – und bringt durch den enormen bürokratischen Aufwand den Mittelstand regelrecht zur Verzweiflung.
Das Lieferkettengesetz bezieht sich auf Importe aus aller Welt. Doch der Klima-Minister will Deutschlands Exportgeschäft mit einer „wertegeleiteten Außenwirtschaftspolitik“ stärker am Klimaschutz ausrichten. Staatliche Risikoabsicherung soll künftig nur noch dann erteilt werden, wenn die Geschäfte Habecks klimapolitischen Vorstellungen entsprechen. Gemeint sind die Hermes-Deckungen, auch Hermes-Bürgschaften genannt.
„Der Klimawandel ist ein globales Problem, das globale Lösungen braucht. Da die EU ihre eigenen Klimaziele erhöht und in vielen Nicht-EU-Ländern eine weniger strenge Klimapolitik herrscht, besteht die Gefahr einer sogenannten „Kohlenstoffverlagerung“, erfahren wir auf der Website der EU-Kommission.
„Der CO2-Grenzausgleichsmechanismus (CBAM) der EU ist unser wegweisendes Instrument, um den bei der Produktion kohlenstoffintensiver Güter, die in die EU gelangen, emittierten Kohlenstoff fair zu bepreisen und eine sauberere industrielle Produktion in Drittländern zu fördern“, heißt es. „Die schrittweise Einführung des CBAM steht im Einklang mit dem Ausstieg aus der Zuteilung kostenloser Zertifikate im Rahmen des EU-Emissionshandelssystems (ETS), um die Dekarbonisierung der EU-Industrie zu unterstützen.“
Europäische Unternehmen müssen nun also ermitteln und dokumentieren, wie viel Kohlendioxid importierte Waren in fernen Teilen der Erde verursacht haben. Nicht nur Eisen, Stahl, Zement, Düngemittel und Elektrizität, auch bestimmte Vor- und nachgelagerte Produkte in reiner oder verarbeiteter Form aus Nicht-EU-Staaten, müssen seit 1. Oktober 2023 gesondert quartalsweise gemeldet werden, schreibt die IHK Stuttgart. Berichtspflichtig ist der Zollanmelder oder dessen indirekter Vertreter. Die erste Meldung muss Ende Januar 2024 abgegeben werden. Bis 2030 soll CBAM auf weitere Industriegüter ausgeweitet werden, denn bis 2030 – so ein weiteres hehres Ziel – will die EU CO2 um mindestens 55 Prozent senken.
Wolfgang Große Entrup, Hauptgeschäftsführer des Verbands der Chemischen Industrie, sagte im August der Welt: „Auf unsere Unternehmen kommt ein bürokratischer Kraftakt zu, und das ausgerechnet in einer wirtschaftlich angespannten Zeit.“ Doch die Bürokratie sei nicht die einzige Sorge der deutschen Wirtschaft. Es gebe noch ein anderes Problem, so Große Entrup. Die nicht-europäischen Geschäftspartner würden Daten zu ihren CO2-Emissionen womöglich nicht herausgeben, und lieber ihre Lieferungen in die EU stoppen. „Und dann“, so Große Entrup, „drohen Europa Knappheit und Preissteigerungen.“
Doch für Unternehmen wie den großen deutschen Chemiekonzern Evonik bedeutet die Maßnahme eine enorme Belastung. „Die EU wird zur Klimafestung. Zahlungen werden zwar erst ab 2026 fällig, doch schon jetzt müssen europäische Firmen ermitteln und dokumentieren, wie viel Kohlendioxid die Waren, die sie importieren, in anderen Teilen der Erde verursacht haben,“ so die Welt. Europäische Firmen sollen ihren Lieferanten eine gigantische Excel-Liste schicken.
Es handele sich um ein Dokument mit Dutzenden Spalten und Hunderten Zeilen in vielen verschiedenen Farben. Geschäftspartner in Chengdu, Karatschi, Surabaya und anderen fernen Orten der Erde sollen darin ihre Emissionen angeben, nach den Regeln eines 266 Seiten langen Leitfadens der EU-Kommission.
„Wenn wir mal ein Ersatzteil brauchen“, sagt Mitarbeiter Müller bei Evonik, „wird das in Zukunft ein riesiger Aufwand.“ Denn Eisen, Stahl und Aluminium fielen ja unter den CBAM, daher müsse bis zur letzten Schraube nachgewiesen werden, welche Emissionen während der Produktion entstanden seien. Problematisch sei, dass bisher wohl die wenigsten Lieferanten außerhalb der EU vom CBAM und den dazu gehörenden Berichtspflichten gehört hätten – die Importeure bei Verstößen aber sanktioniert würden.
„Durch CBAM rollen hohe Kosten insbesondere bei Rohstoffen wie Ammoniak und Wasserstoff auf uns zu“, erklärt Müller. „Viele unserer Produkte dürften daher teurer werden.“ Das sei vor allem ein Problem beim Export. Das neue europäische Gesetz mache es schwieriger, auf dem Weltmarkt zu konkurrieren. Schließlich könnten Rivalen aus Ländern ohne CO2-Bepreisung ihre Waren günstiger anbieten.
Für Maschinenbauer und Autohersteller könne CBMA besonders schwierig werden. „Denn beide benötigen viel Stahl. In einem Fahrzeug, das eine Tonne wiegt, stecken rund 600 Kilogramm.“ Die Kosten für den Stahlimport dürften durch CBAM bald deutlich steigen. CBAM wird also dazu beitragen, dass Autos in der EU auf lange Sicht teurer werden.
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Vorbild auch für unsere Industrie: CO2-Abgabe vermeiden durch Technology to Product Renewable or Recycled Carbon Methanol — CRI – Carbon Recycling International, mit dem Methanol/Dimethylether eigene Kraftwerke betreiben, das CO2 erneut nutzen. Abnahme von Zappelstrom für die Wasserelektrolyse/Wasserstoffproduktion – wofür es auch noch Geld gibt. Technik ist da: BASF entwickelt Verfahren für klimafreundliches Methanol und andere Fundstellen.
Die EU, so wie sie jetzt existiert, ist ein überteurer Moloch. Und der Welthandel kann auch sicher gut zwischen China, Indien , Russland, Südamerika mit der restlichen Welt ohne das dich selbst destruierende Europa stattfinden.
Es ist ja gerade das Ziel der EU, durch den „CO2-Grenzausgleichsmechanismus (CBAM) der EU“ dafür zu sorgen, dass die heimischen Lieferanten nicht weiterhin von billigen Importen plattgemacht wird, die nur deshalb so billig sind, weil sie unter katastrophalen Umweltbedingungen produziert wurden.
Ich habe den Eindruck, dass die meisten Leser-Kommentatoren die Sachlage nicht richtig verstanden haben: Rohstoffe und Waren werden in Deutschland und der EU unter den weltweit strengsten (und damit kostenintensivsten) Umweltstandards produziert. Zusätzlich wird die dazu notwendige Energie mit CO2-Abgaben besteuert, wodurch die Energieeffizienz bei der Herstellung sehr gut ist. Importierte Rohstoffe und Waren werden im EU-Ausland wie China meist jedoch noch unter katastrophalen Umweltstandards mit sehr hohem Schadstoffausstoß sowie unter sehr schlechter Energieeffizienz produziert und unterliegen keiner CO2-Besteuerung. Dadurch ist es für Unternehmen oft viel billiger, die Rohstoffe und Waren im EU-Ausland einzukaufen, als in Deutschland oder innerhalb der… Mehr
Werter Herr Ingenieur,
nur ganz am Rande, meines Erachtens ist die ganze Klimaideologie eine riesige Mogelpackung und hilft der Umwelt absolut Null.
Davon abgesehen ist der unmittelbarste Erfolg der beschriebenen Massnahme (CBAM) das ein Grossteil der Produkte für den Kunden (vermutlich erheblich) teurer werden. Alleine aus diesem Grund sollte jeder Bürger diese neuen Regelungen als zusätzliche Belastungen ablehnen.
Gruss
Thomas
Nun, Ihre Argumentation trifft auf Produkte zu, die im EU Binnenmarkt verbleiben. Aber alles, was nach außerhalb exportiert wird, läuft Gefahr, nunmehr außerhalb der EU produziert zu werden. Es wird also zwangsläufig zu Produktionsverlagerungen kommen.
Außerdem ist Bürokratie immer leichter von großen Konzernen zu schultern als von kleinen Mittelständlern. Das Rückgrat der deutschen Wirtschaft wird also noch mehr belastet. Die Chinesen kaufen diese Firmen dann sicher gerne auf. Und nach ein paar Jahren wird dann hier dichtgemacht…
Natürlich gibt es keine »EU-Gesetze« oder »Rechtsakte mit allgemeiner Gültigkeit in der EU«, noch immer nicht, auch wenn das immer und immer wieder herausposaunt wird. Die EU fabriziert durchaus pausenlos ideologisch und politisch einseitig motivierte Vorlagen bzw. »Berichte«, und es bedarf immer noch einer Mehrheit kognitiv Minderbemittelter im deutschen Bundestag, die ein entsprechendes nationales Gesetz beschließt. So wie hier offenbar geschehen. Manche »Vorgaben« aus der EU werden mit großem Eifer oder sogar Übereifer umgesetzt, manche werden aber auch Jahre lang nicht umgesetzt (nicht selten wenn es Vorteile für den Bürger mit sich brächte). Wie auch immer: Dieses Gesetzeswerk (»CBAM«) hier… Mehr
Gähn.
Ich verstehe die Aufregung nicht: Es kann doch nur im deutschen Interesse sein, wenn langfristig weniger aus China und Co. importiert wird und es wieder lukrativer wird, in Deutschland und Europa zu produzieren, also Arbeitsplätze geschaffen werden und Abhängigkeiten vermindert werden. Verbesserte Umweltstandards sind dabei ein zusätzlicher Effekt, der genau der logischen Forderung entspricht, dass nicht nur wir möglichst wenig Energie und Umweltresourcen verbrauchen sollten, sondern insbesondere auch Umweltzombies wie China oder die USA. Was die jetzige große Abhängigkeit von ausländischen Rohstoffen angeht, so ist z.B. die momentane Medikamentenkrise doch darauf zurückzuführen, dass die Pharmaunternehmen die chemischen Rohstoffe zu Dumpingpreisen… Mehr
Die Belastung von in importierten Produkten steckender CO2-Emission ist eine absolute Notwendigkeit, wenn man die inländische CO2-Emission durch preisliche Regelungen wie Abgaben oder Zertifikate vermindern will. Andernfalls wird nur die CO2-intensive Produktion ins Ausland verlagert und die entsprechenden inländischen Industrien gehen pleite. Insofern ist diese Maßnahme der EU konsequent – und muss von jedem befürwortet werden, der eine preisliche CO2-Emissionspolitik vertritt.
Die Situation hier ist ganz anders als beim Lieferkettengesetz, welches eine reine Maschine zur Produktion verlogener Tugendhaftigkeit darstellt.
Was aber fehlt, ist die spiegelbildliche Erstattung der Belastung durch CO2-Abgaben beim Export.
Meine Prognose: alle Kraftstoffsorten werden ab nächstes Jahr dauerhaft über 2 Euro liegen. Lebensmittel werden um nochmal 10 bis 20% teurer. Dienstleistungen z.B. Güterverkehr und ähnliches auch.
Und natürlich wird jeweils nicht nur der CO2-Bepreisung draufgepackt, sondern großzügig aufgerundet. Das wird man dann bei den Gewinnen der Unternehmen sehen.
Allerdings wird das nicht lange anhalten, denn irgendwann bricht sich die Rezession ihre Bahn.
Hervorragend, freue mich auf die Umsetzung der Maßnahmen. Das wird wie ein „Brandbeschleuniger“ für EU Austritte wirken.
Wenn Österreich, Ungarn. Und vielleicht, die Slowakei im Block austreten, dann gibt es eine „Natürliche“ Barriere zwischen Nord und Süd. Wobei ich auch davon ausgehe, dass eine EX-Jugoslawien-Länder“ ebenfalls dem Diktat aus Brüssel entziehen werden.
Wie will die EU strafen? Österreich ist Nettozahler, Ihr wollt strafen, dann behalten wir unser Geld einfach ein.
Raus aus dieser EU!