Den Wirten droht eine Pleitewelle durch die Ampel

Die Ampel erhöht zum Jahreswechsel die Mehrwertsteuer für die Gastronomie von 7 auf 19 Prozent. Einer Branche mit 160.000 Betrieben und 2 Millionen Arbeitnehmern droht dann eine Pleitewelle. Die Betroffenen wehren sich gegen die Erhöhung.

IMAGO / Bihlmayerfotografie

Eine Pizza Margherita für zehn Euro, die Pizza Salami mitunter schon für 15 Euro. Den Dönerteller gibt es mittlerweile für 12 Euro und das Schnitzel im Restaurant kaum noch unter 20 Euro. Die Preise der Gastronomie haben in den vergangenen Monaten merklich angezogen. Die Wirte sitzen in der Preisfalle: Den Kunden bleibt durch die weiter steigenden Lebensmittelpreise kaum Geld übrig, nachdem sie im Supermarkt einkaufen waren. Dann einmal zum Essen auszugehen wird immer mehr etwas für die Reichen und Graichen dieses Landes.

Die Wirte sind aber gezwungen, die Preise zu erhöhen. Denn ihre eigenen Kosten steigen auch. Ein immer größerer Teil des Umsatzes landet in den Pachten, wie die Gewerkschaft NGG berichtet. Und auch die Wirte müssen für das Mineralwasser, das Schnitzel oder die Nudeln im Einkauf heute deutlich mehr zahlen als noch vor drei Jahren. Zu sparen versuchen sie am Personal. Die Angestellten, die in der Pandemie gegangen sind, ersetzen sie laut NGG immer stärker durch Minijobber.

Krise der Gastronomie
Wenn der letzte Wirt die Tür zumacht
Den gesamten Marktdruck können die Wirte aber nicht weitergeben: Bei einer Kundschaft, der selbst immer weniger Geld bleibt, lassen sich die Preise nicht beliebig steigern. Ein Schnitzel für 50 Euro kann sich vielleicht eine SPD-Vorsitzende oder ein CDU-Abgeordneter nach dem Maskendeal leisten – für die Krankenschwester oder die Verkäuferin würde der Restaurantbesuch so zu einem unbezahlbaren Luxus. Schon jetzt weisen die Zahlen in die Richtung:

Laut Statistischem Bundesamt hat das Gastgewerbe im Jahr 2019 vor der Pandemie 104,2 Milliarden Euro umgesetzt. 2022 erholte sich der Markt. Nach Rechnung des Beratungsunternehmens „wmp consult“ setzte die Branche wieder 98,4 Milliarden Euro um. Allerdings mit entsprechend niedrigeren Gewinnmargen angesichts der allgemein steigenden Preise. Doch die Inflation wirkt, immer weniger können sich den Besuch eines Restaurants leisten. In diesem August lag der Umsatz im Gastgewerbe real um 8,7 Prozent niedriger als im August 2022, wie das Statistische Bundesamt mitteilt.

Was macht die Ampel, um dem Gastgewerbe zu helfen? Was macht „Wirtschaftsminister“ Robert Habeck (Grüne), um eine Branche mit 2 Millionen Arbeitnehmern in 160.000 Betrieben zu retten? Die Ampel erhöht die Mehrwertsteuer für die Gastronomie zum Jahreswechsel von 7 auf 19 Prozent. Finanzminister Christian Lindner (FDP) braucht Geld: Kindergrundsicherung, Industriestrompreis oder die Erhöhung des Bürgergeldes um 25 Prozent in einem Jahr wollen finanziert sein.

Diese Erhöhung wird zu einem Sterben von Kneipen und Restaurants führen: „Unsere Gastronomien werden die Erhöhung eins zu eins weitergeben müssen, da aufgrund der Kostensteigerung in den Bereichen Energie, Lebensmittel und Personal die Gewinnmargen sehr gering sind“, sagt Gereon Haumann, Präsident des Gaststättenverbandes Dehoga in Rheinland-Pfalz. Das gefährde den geschäftlichen Erfolg, da die Betriebe die höheren Preise kaum noch weitergeben könnten.

Pleitewelle
Insolvenz-Debatte: Wirtschaftsministerium schiebt „Sondereffekte“ vor
Haumann geht für sein Bundesland von 1000 Betrieben aus, die aufgeben müssen, wenn die Ampel die Mehrwertsteuer von 7 auf 19 Prozent erhöht. Rechnet man das nach dem Königsteiner Schlüssel auf das Bundesgebiet um, wären bundesweit 20.000 Betriebe betroffen. Also mehr als zehn Prozent der bisherigen Anbieter. Steuerausfälle und Kosten für Arbeitslosigkeit würden die höheren Einnahmen aus der Mehrwertsteuer auffressen.

Diesen Gedanken vertritt das Bündnis „Vereint für die Gastro“. Das hat sich in Mainz gegründet, um gegen die Erhöhung der Mehrwertsteuer einzustehen. Das Spannende an dem Bündnis: In ihm haben sich neben der städtischen Wirtschaftsdezernentin Manuela Matz (CDU) auch Politiker der Ampelparteien versammelt, etwa der Mainzer SPD-Vorsitzende Ata Delbasteh oder der Fraktionsvorsitzende der FDP im Stadtrat, David Dietz. „Wir wollen nicht die Politiker angreifen, sondern vielmehr unseren Gästen klar machen, dass sie sich gemeinsam mit uns stark machen sollen“, sagt der Schirmherr des Bündnisses, Kemal Üres, auf einer gemeinsamen Veranstaltung.

Dehoga-Chef Haumann weist auf die Widersprüche hin, die eine Erhöhung der Mehrwertsteuer mit sich bringen würde. Für die gelieferte Pizza müssten die Unternehmer dann nur sieben Prozent Mehrwertsteuer bezahlen, für die im Restaurant 19 Prozent. In 23 von 27 EU-Staaten sei die Mehrwertsteuer auf Essen einheitlich niedrig. Zieht die Ampel trotz dieser Logik ihre Erhöhung durch und kehrt zum alten Mehrwertsteuersatz zurück, beschleunigt die Ampel erneut die staatliche Interventionsspirale: Bürger und Unternehmen müssen höhere Steuern zahlen, um gestrandete Bürger und Unternehmen mitzufinanzieren. Dadurch geraten weitere Bürger und Unternehmen in wirtschaftliche Schieflage, weshalb der Staat wieder die Steuern erhöhen muss, wodurch …

Bei SPD und Grünen überrascht eine solche Politik nicht, die Interventionsspirale gehört zu ihren Grundsatzprogrammen. Für die FDP ist es das Gegenteil von dem, was sie vertritt – und für das sie gewählt wird. Beziehungsweise bisher gewählt wurde.

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Kommentare ( 122 )

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K. Sander
1 Jahr her

In Gaststätten wird auch gekocht und gebraten. Es gibt auch immer viel Licht. Dazu wird Strom gebraucht. Und jetzt soll zum Jahreswechsel der Anteil der Netzentgelte bei Strompreisen laut Verivox stark steigen. Die Zulieferer sollen auch zusätzlich die Auto-Maut zahlen, die nun Klima-Maut genannt werden soll. Die staatlichen Einnahmen durch diese Maut verdoppeln sich dadurch jährlich auf 15 Mrd. Euro. Und das obwohl dafür schon CO2-Gebühren, Autosteuer, Benzin- und Dieselsteuer gezahlt wird. Damit steigen die Preise in den Gaststätten nochmehr. Und weil der Bevölkerung gleichzeitig auch nochmehr zahlen müssen, geben die weniger Geld aus. Also müssen Gaststätten noch schneller schließen.… Mehr

CIVIS
1 Jahr her

Ich kann mich noch daran erinnern, wie Wirte und -Innen während der Corona-Zeit mittels Infozetteln, mittels Plakaten an Eingangstüren und mittels persönlicher hochnäsiger Ansprache mit leuchtenden Augen Nichtgeimpften den Zugang zu ihren Lokalen verwehrt haben.

Seitdem besuche ich diese Gaststätten und vergleichbare Einzelhandelsläden nur noch höchst selten. Ich hab ein großes Haus, eine teure Einbauküche und mein Internetzugang ermöglicht mir außerdem auch alle Käufe außer Haus bzw. außer lokalem Geschäft.

Der (mögliche) Umsatzrückgang dieser stationären Lokalitäten interessiert mich daher nur höchst peripher und mein Mitleid hält sich in Grenzen.

W aus der Diaspora
1 Jahr her

Sie versuchen am Personal zu sparen – mit Minijobbern …
Darf an dieser Stelle mal gelacht werden?

Der Mindestlohn lag bei knapp 9 Euro und stieg in den letzten Jahren auf inzwischen (1.1.24) auf knapp 13 Euro an. Also eine Erhöhung von insgesamt knapp 33%
Der Monatslohn von Festangestellten liegt dagegen im Schnitt bei 2.500 Euro.

Helfen.heilen.80
1 Jahr her

Die FDP kann m.E. jetzt schonmal die Mietverträge für ihre Parteiräumlichkeiten in Deutschland kündigen und die Arbeitsmarktseiten blättern, denn so wie ich das sehe, wird sie kein Durchschnittsbürger mehr wählen. Man kann schon sagen, dass uns Lindner vor Schlimmeren bewahrt. Stimmt. Was aber schwerer wiegt: diese Partei macht „einzelne Erschwernisse wie obige“ erst möglich, weil sie durch ihren Verbleib in der Koalition zwei Parteien in der Staatsführung stützt, die „viele Regelungen erlassen, die für den kleinen Mann Einschränkungen mit sich bringen können“ (für die Nettiquette so soft wie möglich). Obwohl die FDP weiss, dass eine Mehrheit der Bevölkerung Neuwahlen befürwortet,… Mehr

Last edited 1 Jahr her by Helfen.heilen.80
BellaCiao
1 Jahr her

Nach dem gleichen Prinzip wird das auch mit den Strompreisen laufen. Wenn einmal der Brücken-/Industriestrompreis eingeführt wurde, wird nach ein paar Jahren, in der Industrie eine Insolvenzwelle kommen, falls dieser dann tatsächlich irgendwann wieder zurückgenommen wird. Beim Strom, bzw. dem von Habeck geplanten und forcierten Ausbau von Wind- und Solaranlagen, ist überhaupt nicht zu erkennen, durch den Einsatz welcher magischen Technologien der Strom billiger werden sollte. Allein bis die Stromtrassen von Nord nach Süd (Südlink) gebaut und die deutschen Stromnetze (Leitungen, Transformatoren etc.) entsprechend ausgebaut sind, wird es mindestens 2035 werden. Bis tatsächlich grüner Wasserstoff aus Windkraft in großem Stil… Mehr

Julie Krefeld
1 Jahr her

Tja auch im Gastrobereich: Nur die großen sollen leben – der Rest kann weg….So will die Ampel das. Der geplante Insekten/Soja Einheitsfraß Nutzer braucht keine Restaurants im eigenen 15Minuten Statdteil den er eh nicht verlassen soll- Womit auch?

Evero
1 Jahr her

Der Verbraucher kann leider nicht wie Banken Geld aus dem Nichts schöpfen. Wenn der rasch an Wert verfallende Euro ausgegeben ist, ist er weg und vom Konto abgebucht. Will sagen: das Einkommen zerrinnt in den Fingern und das wird die Reise- und Erholungsbranche kommendes Jahr auch noch merken. Nichts hilft als dieses: alte Zöpfe von Geldgeschenken an das Ausland und Nichtleister bei der Regierung müssen radikal abgeschnitten werden und die Steuern endlich merklich gesenkt werden. Hilfreich wäre auch, sich von dem Klimanarrativ des menschengemachten Klimawandels in Deutschland konsequent zu verabschieden. Nichts spricht gegen eine verantwortungsvolle Umwelt- und Klimaanpassungspolitik. Aber bitte… Mehr

Last edited 1 Jahr her by Evero
Gerhart
1 Jahr her

Die Preisgestaltung wäre mal einen Artikel wert. Derzeit versuchen die Märkte hohe Preise für sog. Premiumartikel hochzudrücken, indem z.B. Artikel, die sich preislich zwischen Eigenmarke und Premiumhersteller befinden, hochsetzen. Z.B. werden Nudeln in der grünen Verpackung in Richtung 1,50 gezogen, um 2,20 oder 2,30 für den blauen Karton scheinbar zu rechtfertigen. Je 500 Gramm. Zum Vergleich kostete die Einheit bei Aldi vor den Mehrwertssteuertricks 39 Cent. Ein erheblicher Unterschied. Die Qualität war gut. Nebenbei bemerkt. Statt immer nur auf die Bürgergeldler zu zielen, wäre mal interessant, wie die Leute in den Shishabars ihre Autos aus dem Premiumsegment, oft in Sportausführung,… Mehr

Last edited 1 Jahr her by Gerhart
H.H.
1 Jahr her

„Niemand muß Insolvenz anmelden, auch nicht die Wirte“ (1. Habecksche Gesetz)

hkiom
1 Jahr her

Viele wollten es ja so haben – geliefert wie bestellt oder gewählt. Ausserdem machen die Gaststätten ja nicht pleite, sie hören lediglich auf, Essen und Trinken zuzubereiten oder zu servieren.