Ein geordnetes Austrittsverfahren aus dem Euro

Der Realitätsverweigerung der EZB, der EU und der Regierungen zum Trotz: Wir brauchen dringend Vorschläge für ein geordnetes Austrittsverfahren aus dem Euro, wenn die kommende Krise Europa nicht ins komplette Chaos stürzen soll. 

© DANIEL ROLAND/AFP/Getty Images

Verfolgt man die Target-2 Diskussion und die Beiträge der herrschenden Euro-Nomenklatura dazu, so fällt es schwer, sich für den passenden bildhaften Vergleich bezüglich der dabei gezeigten Geisteshaltung zu entscheiden. Steckt hier Vogel Strauß den Kopf in den Sand? Oder haben wir drei Affen vor uns, die nichts sagen, nichts sehen und nichts hören wollen? Werden wir von „Hans-guck-in-die-Luft“ regiert oder von „Hans-im-Glück“, der sein Vermögen in Nippes tauscht vor lauter Blödheit?

Die „Unumkehrbarkeit des Euro“ als Brett vorm Kopf

Fragt man die Vertreter der EZB, der EU oder der Bundesregierung, wie ihre Notfallpläne für das Ausscheiden eines Landes aus dem Euro oder gar seine komplette Auflösung aussehen, kommt regelmäßig wie aus der Stanze für dumme Sprüche die Antwort: „Der Euro ist unumkehrbar. Wir befassen uns nicht mit hypothetischen Szenarien, die in den EU-Verträgen nicht vorgesehen sind.”

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Das ist ungefähr so, als wenn man einen Banker fragt, wie seine Notfallpläne aussehen, wenn ein großer Kreditnehmer seine Schulden nicht zurückzahlt und der antwortet: „das ist im Kreditvertrag nicht vorgesehen. Ich weigere mich deshalb, es auch nur in meine Überlegungen einzubeziehen.“ So einen Banker würde man wahlweise feuern, für nicht ganz zurechnungsfähig erklären oder in die Bankaufsicht berufen. Oder alles drei.

Risikomanagement oder Krisenmanagement – das ist hier die Frage

Sich mit Ereignissen geringer Wahrscheinlichkeit aber ungemütlichen Ausgangs auseinanderzusetzen, hat im Geldgewerbe übrigens einen Namen: Man nennt das Risikomanagement. Gutes Risikomanagement antizipiert das, was passieren könnte, bemisst seine Wahrscheinlichkeiten, erstellt Reaktionspläne für den Fall seines Eintretens und sorgt dafür, dass der Fall, so er uns denn trifft, uns nicht ruiniert. Das passiert in der Regel durch Vorsorge in Form von Kapitalpuffern, die so groß sind, dass auch große Verlustereignisse nicht zur eigenen Pleite führen.

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Die Alternative zu Risikomanagement ist das Krisenmanagement. Es ist die Bewältigung der kristallisierten Risiken, die wir nicht vorhergesehen haben, entweder weil wir das nicht konnten (selten) oder weil wir uns geweigert haben, ihre offensichtliche Existenz zur Kenntnis zu nehmen (häufig), weil es gemütlicher und bequemer war, die Realität zu leugnen. Man darf unserer politischen, geldpolitischen und wirtschaftspolitischen Machtelite bescheinigen, dass ihr Risikomanagement nicht existent ist, sonst würden sie verstehen, dass ein Risiko nicht erst dann existiert, wenn es eingetreten ist. Im Gegenteil: Wenn es eingetreten ist, nennt man es nicht mehr Risiko, sondern Schadensfall. Risiko ist die Möglichkeit eines Schadens mit einer häufig kleinen, manchmal kaum wahrnehmbaren Wahrscheinlichkeit. Aber diese einfache Begriffsklärung überfordert unsere politischen Entscheidungsträger ganz offensichtlich.

Populistische Phrasen statt Lösungen

Da sie also kein Risikomanagement haben, das diesen Namen verdient, brauchen sie das Krisenmanagement. Darin suhlen sie sich regelrecht, halten sich für die Größten, wenn sie mit unvorstellbaren Summen Steuergelds den Schaden nicht aufgehalten, aber bezahlt haben, den ihre eigene Ignoranz angerichtet hat, und gerieren sich ansonsten als Weltenretter und Superhelden, die es den „Gierbankern und Finanzspekulanten“ mal so richtig gezeigt haben.

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Dabei ist ihr Krisenmanagement genauso grottig, wie ihr Risikomanagement. Denn wäre es anders, würden wir uns nicht seit 10 Jahren von Krise zu Krise schleppen, bei der eine Krise die Folge der inkompetenten Handhabung der vorhergehenden Krise ist. Griechenland und die Eurorettung sind die Generalbeispiele dafür. Höchste Zeit also, wenigstens die eine Scheuklappe von der Stirn zu reissen, die den Blick auf die im Grunde unvermeidliche Auflösung des Euros verstellt und zu fragen: Was dann, Herr Draghi, Frau Merkel und Compagnie?

Sie sehen, geschätzter Leser, ich betrachte die Auflösung des Euro gar nicht als Risiko. Ein Risiko ist ein ungewisses Ereignis, seine Wahrscheinlichkeit ist kleiner als 100%. Sein Ende als unvermeidlich zu betrachten, hebt den €xit schon aus der Sphäre des Risikomanagements heraus und macht die Sache zum reinen Krisenmanagement. Müsste Frau Merkel eigentlich gelegen kommen. – Scherz!

Ziele einer geordneten Euroauflösung

Wenn wir den Euro geordnet auflösen wollen, benötigen wir daher einen innerhalb weniger Tage durchführbaren Plan, der die wichtigsten Ziele wirtschaftlicher Stabilität und Schadensbegrenzung in eine Rangfolge bringt und dann versucht, diese zu erreichen. Was sind diese Ziele?

1. Das Wirtschaftsleben Europas darf nicht zum Erliegen kommen. Die komplexen grenzüberschreitenden industriellen Lieferketten dürfen nicht unterbrochen werden, damit die vorhandenen gesunden Produktionsstrukturen nicht als Kollateralschaden zerstört werden. Davon hängt der wirtschaftliche Wiederaufbau Europas ab.

2. Die Zerstörung der Ersparnisse muss eingedämmt werden. Es ist zwar klar, dass alle Beteiligten große Lasten zu tragen haben werden, jedoch würde eine Komplettenteignung der deutschen, holländischen und anderen Sparer aus Ländern mit Exportüberschüssen die EU-Friedensordnung gefährden, weil sie zu Recht als Beraubung mit Hilfe von Vertragsbruch angesehen werden würde. Das hat Auswirkungen auf die Handhabung der Target-2 Salden, wie auch auf die Frage einer EU-Insolvenzordnung für Staaten. Diese brauchen wir gerade für den Fall einer Euroauflösung.

3. Ein Abgleiten großer Teile der dann ehemaligen Europäischen Union (Sie dürfte den Tod des Euro wohl kaum überleben) in eine sozialistische Wirtschaftsordnung muss unter allen Umständen vermieden werden. Nur die Marktwirtschaft kann eine Rückkehr zu Prosperität und Wohlstand leisten. Der Sozialismus ist allenfalls in der Lage, das aus diesem unglückseligen Experiment resultierende Leid halbwegs gleich zu verteilen. Eine Zukunftsperspektive hat er nicht zu bieten.

4. Die durch den Euro verursachte Spaltung Europas muss neu überwunden werden. Nicht der EU-Superstaat, sondern das Europa der Vaterländer muss das Ziel sein. Dafür müssen die Nationen Europas freundschaftlich verbunden sein. Um das zu erreichen müssen all die vom Hof, also den Schaltstellen der Macht gejagt werden, die gerade an dem weniger komplizierten Beispiel Brexit grandios unter Beweis stellen, dass ihnen eigene Pfründe wichtiger sind, als die Freundschaft mit einem Land, das einen eigenen Weg gehen will. Dafür müssen wir einen klaren Kopf bewahren. Italien ist kein Schurke, wenn es den Euro verlässt und damit die Lebenslüge dieser Fehlkonstruktion final entlarvt. Deutschland ist kein Hegemon, wenn es die Lebensersparnisse seiner Bürger schützen will (was diese Bundesregierung allerdings trotzdem nicht tut). Ein Land, das vom Euro in die Pleite getrieben wurde, ist kein Mitglied der Achse des Bösen, wenn dem Gläubiger dadurch Schaden entsteht. Aber man darf umgekehrt erwarten, dass es den Schaden nicht mutwillig vergrößert.

Vorurteile, Stereotype und die Spaltung Europas durch den Euro

All das ist natürlich in den Verträgen der EU nicht vorgesehen. Die Herrschaft der Planwirtschaft und Bürokratie muss weder auf die ökonomischen Realitäten Rücksicht nehmen, noch auf die Bedürfnisse der Völker, ihre demokratischen Rechte oder ihre teils begründeten und teils unbegründeten Ängste und Vorbehalte. Die Verweigerung der Debatte hat zur Folge, dass die Ungleichgewichte weiterwachsen, der finale Schaden damit größer und damit auch der Verteilungskampf beim unvermeidlichen Abschied von der Illusion härter wird.

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Es hat auch zur Folge, dass die Missverständnisse bei den Völkern wachsen und der Sinn für die gemeinsamen Interessen durch Misstrauen und gegenseitige Schuldzuweisungen ersetzt wird. Die faulen Griechen und die geizigen Deutschen, die verschlagenen Italiener und die machtgierigen Franzosen, die renitenten Ungarn und Polen und die EU-Gewinnler aus Luxemburg sind die Stereotype und neuen Ressentiments, die den Blätterwald und die Köpfe bevölkern. Als ich 25 war, vor der Einführung des Euro, waren wir mal alle stolz darauf, diese Vorurteile auf diesem Kontinent überwunden zu haben. Wir hatten das Schubladendenken unserer Vorfahren belächelt und postuliert, dass unsere Unterschiedlichkeit uns bereichert. Jetzt kriechen die Stereotype den Menschen wieder unter die Kleider. Der Euro spaltet Europa. Höchste Zeit für eine Ausstiegsdebatte.

Im Teil 2 demnächst bei Tichys Einblick: Wie kann es technisch geordnet gehen? 


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Kommentare ( 44 )

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Yuminae
6 Jahre her

Ich denke immer daran wie man erklärt warum man die EU braucht: Die EU und den Euro als alternativlos zum Krieg zwischen allen europäischen Ländern zu sehen, finde ich immer lächerlich.

Mit unterschiedlichen Währungen und Völkern haben die USA bspw. ohne Gebilde wie die EU schon Jahrzehnte länger Frieden mit Kanada, Mexiko und unzähligen südamerikanischen Ländern. Wie armselig müssen Politiker in der EU sein um zu glauben, dass ohne EU und Euro gleich der nächste Krieg von Ihnen selbst angezettelt wird.

Dieter
6 Jahre her

Ich glaube man sollte die Situation versuchen aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten. Die Auflösung des Euros ist schlicht nicht vorgesehen, der Plan scheint eher in die Richtung des „es gibt kein Zurück“ zu laufen. Wenn die Situation nur noch ein Weiter oder den absoluten Untergang der Strukturen übrig läßt, werden die Völker schon das „geringere“ Übel wählen: Der Weg zu einer zentralistischen Diktatur „Vereinigte Staaten von Europa“ ist bereit weit fortgeschritten. – Finanzierungstöpfe zur Inthronisierung eins EU Finanzministers durch F und D – Abschaffung von Bargeld zu besseren Kontrolle über Geldflüsse -„europäisierung“ der Bundeswehr – Olaf Scholz arbeitet in… Mehr

Muensteraner
6 Jahre her

Sehr geehrter Herr Dr. Krall, haben Sie die Kolumne vom Wellenreiter-Börsendienst bzgl. der Zentralbank-Schulden https://www.wellenreiter-invest.de/wochenendkolumnen/Schulden-und-Zentralbanken-Teil1 gelesen? Das klingt auch alles sehr einleuchtend, besonders der zweite Teil: https://www.wellenreiter-invest.de/wochenendkolumnen/Schulden-und-Zentralbanken-Teil2 Demnach könnte sich alles noch einige Zeit (Jahre/Jahrzehnte) hinziehen. Ich habe ihr Buch gelesen und stimme natürlich damit überein, dass eine große Pleitewelle, die die Banken dann ins trudeln bringen wird, vermutlich die größte Gefahr für den Euro bzw. die Eurozone darstellt. Auch in der Kolumne geht man bei einer neuen Finanzkrise beispielsweise von 30 Mio Arbeitslosen in der EU aus – aber auch davon, dass die EZB dann wieder mit einer erneuten… Mehr

Canaris
6 Jahre her

Gut, dass wir kluge Menschen in Deutschland haben: beginnend mit den 5 Professoren – Eurokritiker der allerersten Stunde, die ihr ganzes Berufsleben mit Geld- und Finanzwirtschaft zubrachten und die dann von unseren dilettantischen Leidmedien als „Spinnerte“ verunglimpft wurden. Fortgesetzt mit fundierten Kritikern wie Sinn, Lucke, Henkel, Schäffler, Willsch, Otte, Krall u.a.m. Schade, dass wir diese Menschen nicht an den Schalthebeln haben. Wir hätten uns viel ersparen können! Die FAZ schreibt heute zum türkischen Sultan E.: „Die Macht des Autokraten endet am Geldbeutel des Bürgers“. Liebe FAZ, nicht nur die des Autokraten!!! Auch die Macht unserer unfähigen „Volksvertreter“, die geschworen haben,… Mehr

Thorsten
6 Jahre her

Ein €xit muss auf jeden Fall bedeuten, dass Sparer (Kapitaleigner/Gläubiger) mit Einbußen zur Kasse gebeten werden. Irgendjemand muss die Zeche zahlen – und das sind BESITZER der zerfallenden Währung.

KoelnerJeck
6 Jahre her

Es gibt einen passenden Artikel zum Target2-Saldo auf misesde:
https://www.misesde.org/?p=20317
Professor Hans-Werner Sinn: „Die Target-Salden machen Deutschland handlungsunfähig.“

jansobieski
6 Jahre her

Hervorragender Artikel, der Pflichtlektüre für unserere Regierung sein sollte.

Johann Thiel
6 Jahre her

Ein ganz hervorragender Artikel, der in wenigen Worten die Einstellung der Profiteure zum Euro darlegt, die Dummheit der „Europavereiniger“ beschreibt und dem ewigen Mantra aller Lösungverweigerer, es gäbe „keine einfachen Lösungen“, die tatsächliche Einfachheit des Problems und dessen Lösung vor Augen hält.

benali
6 Jahre her

Teil 1 des Chaos ist gerade in der Durchführung: offene Grenzen und grenzenlose Einwanderung. Die Folgen sind schon stellenweise in Deutschland zu sehen: No-go-Areas, die von kriminellen Banden regiert werden. Es ist schwer festzustellen, was für Deutschland schlechter ist. Die kriminellen Banden oder die Bundesregierung. Der € ist ein Langzeitprojekt, seine Einführung gem. Angela Merkel unumkehrbar; sein Scheitern würde nach Merkel auch Europa zum Scheitern bringen. An diesem Spruch kann man die Kompetenz der Kanzlerin messen, denn scheitert der €, scheitert die EWU, die EU, und so sie noch im Amt ist, Angela Merkel. Europa wird das überleben, Europa hat… Mehr

Thorsten
6 Jahre her
Antworten an  benali

Das Primat das Europa „überleben“ MUSS, ist Teil des Problems. Die Entscheidung sollte demokratisch gefällt werden, und sie kann auch NEIN lauten. Großbritannien macht es vor.

Gerro Medicus
6 Jahre her

Weißt du, welchen Fehler man immer wieder macht?
Den, zu glauben, das Leben sei unwandelbar,
und wenn man einmal einen Weg eingeschlagen habe,
müsse man ihn auch bis zum Ende gehen.

Das Schicksal hat viel mehr Phantasie als wir.

Wenn du glaubst, du befändest dich
in einer ausweglosen Situation,
wenn du den Gipfel höchster Verzweiflung erreichst,
verändert sich mit der Geschwindigkeit
eines Windstoßes alles, dreht sich, und plötzlich
lebst du unvermutet ein neues Leben.
Susanne Tamaro