„Die Frage nach dem künftigen Wohlstand“

Die konjunkturelle Abkühlung in Europa sorgt in Verbindung mit der Erpressungspolitik der italienischen Regierung für eine explosive Gemengelage. Das schwindende Vertrauen der Menschen in die Politik verstärkt das allgemeine Gefühl der Unsicherheit.

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„Klare Linie für die Zukunft“ – Die Wirtschaftsweisen haben ihre Wachstumsprognosen deutlich gesenkt – von 2,3 % auf 1,6 % für 2018 und von 1,8 % auf 1,5 % für 2019. Maßgeblich dafür sind die Verschlechterung der außenwirtschaftlichen Rahmenbedingungen, der weiterhin drohende Handelsstreit mit den USA und der nicht ausschließbare ungeordnete Brexit. Auch die europäischen Konjunkturaussichten trüben sich weiter ein. So ist das ifo-Wirtschaftsklima der Euro-Zone im vierten Quartal auf den tiefsten Stand seit Mitte 2016 gefallen. Dazu hat das wenig segensreiche Wirken der italienischen Regierung beigetragen. Der Vorsitzende des Sachverständigenrates hat „eine klare Linie für die Zukunft“ gefordert, die der Frage der Schaffung des künftigen Wohlstands mehr Raum gebe. Prof. Christoph M. Schmidt sieht die aktuell zentralen Herausforderungen in der Arbeitsmarkt-, Renten- und Steuerpolitik. Er sprach sich für eine Abschaffung des Solidaritätszuschlags aus.

Beschränkt handlungsfähig

Obwohl derzeit keine unmittelbare Rezessionsgefahr erkennbar ist, diskutieren Ökonomen zunehmend darüber, ob der deutsche Staat im Krisenfall überhaupt noch über genügend fiskalische Feuerkraft verfüge, um die Auswirkungen auf die Volkswirtschaft abzufedern. Die Ratingagentur Moody`s hat kürzlich mit einem Flexibilitätsindex untersucht, wie groß die Handlungsspielräume der Staaten im Ernstfall sind. Das Bonitäts-Urteil für Deutschland ist wenig erfreulich ausgefallen. Ursächlich dafür sind zahlreiche GroKo-Gesetze, die dem Bund über Jahrzehnte hinweg unwiderruflich erhebliche Lasten auferlegen. Dazu gehören die Mütterrente und die Rente mit 63. Laut Moody ́s machen diese „Fixkosten“ bereits 76 % des Bundeshaushalts aus. Mit anderen Worten: Weniger als ein Viertel des Budgets ist für die Politik noch frei verfügbar. Außerdem entfällt ein Großteil der langfristig gebundenen Staatsausgaben auf soziale Bereiche. Diese können also nicht mehr zur Stärkung der Zukunftsfähigkeit am Standort Deutschland eingesetzt werden.

„Europäischer Währungsfonds“

Erheblichen Bekennermut hat der Bundesrechnungshof mit seiner eindringlichen Warnung vor der Einführung eines Europäischen Währungsfonds (EWF) bewiesen. Deutschland soll dabei – so der Wunsch der Initiatoren in Brüssel, Paris und Rom – mit weiteren 190 Mrd. Euro für Verluste anderer Länder haften. Zur Forderung der EU-Kommission, den EWF „zum Teil eines Sicherheitsnetzes für krisengeschüttelte Banken“ zu machen, merkt der Bundesrechnungshof an: „Das hätte zur Folge, dass die Haftung für Risiken im europäischen Bankensektor vergemeinschaftet würde.“ Zum Hintergrund: Allein die italienischen Banken haben derzeit etwa 800 Mrd. Euro an faulen Krediten in den Büchern. Daher würde der EWF den europäischen Schuldenländern de facto den direkten Zugriff auf deutsche Steuergelder eröffnen. Am Rande: Das Zentrum für Europäische Politik (Freiburg) hält das von interessierter Seite als Beleg supranationaler Solidarität gefeierte Vorhaben schlicht für nicht vereinbar mit dem Grundgesetz.

„Ungutes Gefühl“

Hans-Jürgen Papier, der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts, wirft dem Staat vor, sich nicht an die eigenen Gesetze zu halten. So werde „das Vertrauen in unsere Rechtsordnung, in die Unverbrüchlichkeit des Rechts erschüttert.“

Insbesondere beim Umgang mit Migranten werde deutsches und europäisches Recht seit Jahren nicht wirklich umgesetzt. Noch immer sei „in beträchtlichem Maße illegale Zuwanderung nach Deutschland zu verzeichnen.“ Beim Umgang mit der organisierten Clan-Kriminalität in Großstädten setze der Staat sein Gewaltmonopol nicht mehr durch. Auch im Diesel-Skandal sieht der ehemalige Gerichtspräsident ein schwerwiegendes Politikversagen. Wenn geltendes Recht nicht eingehalten und durchgesetzt werde, wecke man in der Bevölkerung hinsichtlich der Handlungsfähigkeit des Rechtsstaates ein ungutes Gefühl.

Italienische Inszenierung

Die italienische Regierung setzt offenbar auf eine kühl kalkulierte Erpressungsstrategie gegenüber den Brüsseler Eurokraten und den geldgebenden Partnerländern. Der von der EU-Kommission ritualisiert vorgetragene Widerstand gegen „die beispiellose Abweichung in der Geschichte des Stabilitätspaktes“ durfte sich schon bald als rhetorische Pflichtübung erweisen, der keine wirklichen Konsequenzen folgen werden. Die Macher in Rom scheinen fest entschlossen zu sein, diese systemimmanente Schwäche konsequent zu nutzen. Das Feri Cognitive Finance Institute sieht in dem Budget-Streit den Teil einer Inszenierung, die von der italienischen Regierung gezielt eskaliert werde. Das detaillierte Konzept für die Vorstufe zum Austritt aus der Euro-Zone habe man in Rom längst in der Schublade. Es sei damit zu rechnen, dass sogenannte Mini-BOTs, Schatzanweisungen in kleiner Stückelung, als alternative Zahlungsmittel im inländischen Zahlungsverkehr zugelassen werden. So hätte die Regierung eine Art Parallelwährung und könne ohne Rücksprache mit der EZB beliebig viel neues Geld in Umlauf bringen. Damit schafft Italien – nach Einschätzung von Feri – zusätzlich zum negativen Target 2-Saldo von rund 500 Mrd. Euro eine weitere massive Drohkulisse gegenüber der EZB und der EU-Kommission. Als weiterer Schritt sei ein Ausstieg Italiens aus der Euro-Zone möglich. Die Auswirkungen auf die Finanz- und Kapitalmärkte seien kaum abschätzbar. Vorbereitungen auf diese Szenario sind nicht bekannt.

Erpressbare Euro-Zone

Vor dem Hintergrund einer durch die italienische Schuldenpolitik verursachten gefährlichen Finanz- und Wirtschaftskrise hat ifo-Chef Clemens Fuest einen harten Kurs der anderen Euro-Länder gefordert, um die Euro-Zone bestmöglich vor den Folgen abzuschirmen. Derzeit halten allein die Banken in Deutschland, Spanien und Frankreich zusammen italienische Staatsanleihen in Höhe von 425 Mrd. Euro. Besonders hoch engagiert und verletzlich sind französische Institute mit 277 Mrd. Euro. Um das daraus resultierende Erpressungspotenzial zu reduzieren, soll die europäische Bankenaufsicht – so die Empfehlung von Prof. Fuest – die Banken veranlassen, ihre Kredite an italienische Schuldner und ihre Bestände an Staatsanleihen des Landes abzubauen oder mehr Eigenkapital zu beschaffen. Das für gemeinsame Kapitalmärkte erforderliche Mindestmaß an Kooperation in der Wirtschafts- und Finanzpolitik sei derzeit nicht gewährleistet. Einen durch den forcierten Verkauf italienischer Staatsanleihen ausgelösten Anstieg der Risikozuschläge schätzt Fuest offenbar gegenüber der Erpressbarkeit der Euro-Zone als das kleinere Übel ein. Schon dieses wohl eher theoretische Denkmodell eines der führenden deutschen Ökonomen lässt erahnen, wie verfahren bzw. aussichtslos sich die reale Problemlage der Gemeinschaftswährung mittlerweile den Kennern hinter den Kulissen darstellt. Es fehlt offenkundig an dem gemeinsamen politischen Willen der übrigen Euro-Länder, verantwortlich und entschlossen zu handeln, um das Schlimmste zu verhindern. Die demokratisch legitimierten und verpflichteten Regierungen in Europa scheinen nicht in historischen Dimensionen zu denken und zu agieren, sondern nur in Legislatur-Perioden. Zu befürchten ist, dass überfällige Problemlösungen auch weiterhin – so lange wie möglich – vertagt und vernebelt werden.


Der Unternehmer Dietrich W. Thielenhaus kommentiert aktuelle Entwicklungen in Politik und Wirtschaft


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Kommentare ( 41 )

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41 Comments
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Wilhelm Cuno
6 Jahre her

Warum sollten die anderen Länder „das schlimmste“ verhindern wollen? Oder auch nur können? Italien ist pleite, wenn sie nicht mit Steuererhöhungen im eigenen Land ihren Haushalt sanieren. Und jetzt müssen sie sich halt entscheiden: Parallelwährung einführen oder nicht, wenn die anderen Europäer nicht den italienischen Steuerzahler „retten“ wollen? Ich finde das nicht schlimm.

Sani58
6 Jahre her

Deshalb mein/unser Fazit: Leben – jetzt. Nichts nach Morgen verschieben. (Lohn)Steuern zahlen, so früh wie möglich einstellen. Die Inflation frisst Gespartes auf, kann man genauso gut für Leben ohne Stress ausgeben.

daniel.jungblut
6 Jahre her

„Wohlstand für alle“ war mal das hehre Ziel der „sozialen“ Marktwirtschaft. „Armut für die meisten“ ist das neue Mantra der Zukunftsforscher – und doch wächst die Überzeugung dass wir hier nicht mal den Gipfel des Eisbergs erahnen. Die Gesellschaft segmentiert sich immer weiter – und jene die eigentlich verpflichtet sind das Wohl der Bürger im Auge zu haben erzwingen nun lediglich noch die Durchsetzung der eigenen Dogmen (wenn Überzeugungstäter, Bsp. Habeck, Kühnert) oder der eigenen Abschöpfung des Selbstbedienungsladens.

Horst
6 Jahre her

Über Wirtschaftspolitik und die verschiedenen Lehren kann man trefflich streiten, hier in den Kommentaren oder auf hochspezialisierten Seiten zu diesem Thema. Aber das Problem ist doch: Die breite Masse interessiert das nicht, die Politiker interessiert das auch nicht und deswegen können sie tun und lassen, was sie wollen. Der weitere Verlauf und das zu erwartende Ergebnis wurde vorhergesagt, von Sarrazin, von Murray, von Krall und vielen anderen.

T. Pohl
6 Jahre her

Mit einem Finanzminister wie dem Scholzomaten ?

Get real! Ein Witz, den die GaGaGroKo gar nicht wollen kann, weil der tote Gaul, in dem wir früher gut und gerne lebten, permanent künstlich mit diesem Geld das den Bürgern entzogen wird am Leben erhalten werden muss („erschwingliche Wohnungen“ und vieles anderes mehr), wenn die „Welle der Bereicherung“ (remember: „wertvoller als Gold“) aus den 180+ Unterzeichnerstaaten des UN-Global Compacts for Migration dann mal in D einläuft.

Cojo Tee
6 Jahre her

“…fiskalische Feuerkraft…“? Keynsianischer Müll. So was gibt es nicht.

Stefan Rothe
6 Jahre her

Die jetzt neu diskutierte „Rente mit 80“ ist die Lösung aller Probleme. Die Lebenserwartung steigt ständig, so daß niemand eine Frühverrentung erwarten kann. Es muß endlich wieder mehr geleistet und gearbeitet werden!

Demokratius
6 Jahre her
Antworten an  Stefan Rothe

Wenn durch die Migrationspolitik Millionen für die Arbeitswelt unbrauchbare Menschen durchgefüttert werden müssen, dann ist es eben erforderlich, dass die Leistungsträger bis zum “Sprung in die Kiste“ arbeiten müssen.

Jerko Usmiani
6 Jahre her

So lange wie die Menschen in Deutschland durch die Nullzinspolitik schleichend enteignet werden, werden viele von ihnen glauben das Glück liege im Konsum, was ja genau so gewünscht ist. Genau das aber ist grundfalsch. Gerade jetzt sollte man jeden Groschen beiseite legen, um sich mindestens Wohneigentum zu kaufen. Natürlich möglichst ohne Kreditaufnahme. Und wer kann, der sollte auch bei den derzeitigen Immobilienpreisen in vergleichsweise günstigen Städten wie z.B. Wuppertal Mietwohnungen kaufen. Deren Renditen sind immer noch höher als die Inflation, die Wertsteigerung noch nicht einmal einberechnet. Denjenigen, die in Steine investiert haben, kann es egal sein wie sehr die Italiener… Mehr

Karlsruher
6 Jahre her
Antworten an  Jerko Usmiani

Nicht falsch, aber ich würde mich auch nicht in absoluter Sicherheit wiegen, s. Lastenausgleichsgesetz von 1952, 50% des Immobilienwertes mußte über Jahrzehnte verteilt abgegeben werden (https://de.wikipedia.org/wiki/Lastenausgleichsgesetz).

Jerko Usmiani
6 Jahre her
Antworten an  Karlsruher

Ja, das war aber eine extreme Ausnahmesituation, bedingt durch die großflächigen Zerstörungen des Krieges. Heute wäre so ein Gesetz vermutlich verfassungswidrig, weil seit dem Krieg ja alle grundsätzlich ähnliche Chancen hatten zu Vermögen zu gelangen.

Karlsruher
6 Jahre her
Antworten an  Jerko Usmiani

„Heute wäre so ein Gesetz vermutlich verfassungswidrig, …“
soziale Unruhen -> Ausnahmezustand -> schwups gehts.

Für verfassungswidrige Entscheidungen sind zuletzt ja nicht mal wirkliche Ausnahmezustände notwendig, das muß ich jetzt einem Tichy Leser aber bitte nicht aufzählen.

Jerko Usmiani
6 Jahre her
Antworten an  Karlsruher

Bei sozialen Unruhen wird jede Regierung Anderes zu tun haben als primär Wohnungseigentümer zu enteignen. Aber natürlich kann man jetzt auch eine Dystopie an die Wand malen, wonach uns allen demnächst Migranten zwangseingewiesen werden. Das würde aber so viele Polizisten das Leben kosten, dass ich meine leisen Zweifel daran hege, ob die versuchen werden das durchzusetzen. Es sind nicht gerade wenige Wohlhabende inzwischen bewaffnet.

Demokratius
6 Jahre her
Antworten an  Jerko Usmiani

Natürlich ist Wohneigentum – ob selbstgenutzt oder vermietet – erst mal die bessere Sparbüchse. Allerdings wird der Platz knapp, wenn die lt. Staatssekretär Roth von der Bundesregierung angedachte Aufnahme von zusätzlichen 80 Millionen Migranten in relativ kurzer Zeit erfolgt. Dann wird der Wohnraum wie nach ,1945 bewirtschaftet, was zu Überbelegung und stärkerem Verschleiß führen muss.

Jerko Usmiani
6 Jahre her
Antworten an  Demokratius

Von dem Zustand sind wir aber noch ein paar Jahrzehnte entfernt. Und bitte nicht vergessen: Die deutsche Grenze wird schon lange nicht mehr von Deutschen beschützt. Deutschland kann faktisch froh darüber sein, dass andere Nationen die Verteidigung der EU weitaus ernster nehmen als Deutschland selbst. Über den letzten Halbsatz könnte ich glatt noch ins Grübeln geraten… 😉

Thorsten
6 Jahre her

Dieser Fond würde schneller von den Politikern geplündert, als eingezahlt werden kann.

Längerfristig wird wohl alles privatisiert werden müssen, um die Politik zurückzudrängen.

Michael Theren
6 Jahre her
Antworten an  Thorsten

scheint ein Ziel der Heuschrecken zu sein….

MG42
6 Jahre her

Künftiger Wohlstand im Gutmenschen-Schland – soll wohl ein Witz sein. Jetzt ernten wir das was Merkel seit 2015 gesät hat, politisch und finanziell – aber passt schon: Genau zur Europawahl damit es erneut Kopfschmerzen für die gibt, die das Fell des Löwen in Brüssel bereits jetzt verteilen.
AfD und Grüne werden Wahlergebnisse in bisher nicht bekannter Höhe erzielen und die SPD kann froh sein, wenn es 15% werden – vorwärts SPD, da geht noch was, vielleicht ne Steuer von 80% auf alle Renten die höher sind als 1000€ , dann werden es 5%: Ihr schafft das!