Die Europäische Zentralbank versucht, möglichst niedrige Inflationserwartungen in der Gesellschaft zu verankern, um Zweitrundeneffekte zu dämpfen. Diese Strategie ist nun futsch.
Das Vertrauen der Bürger in die EZB, dass sie den Geldwert schützt und sie durch die Eindämmung der Inflation vor Einkommensverlusten bewahren kann, ist schwer lädiert. Eine von t-online in Auftrag gegebene repräsentative Umfrage brachte im Oktober letzten Jahres zutage, dass die Deutschen zum damaligen Zeitpunkt mehrheitlich nicht mehr glaubten, dass die Zinserhöhungen der EZB – entgegen ihrer Behauptung – geeignet waren, etwas gegen die Inflation auszurichten.
Wie angeschlagen das Vertrauen in die Geldpolitik der EZB auch in der Wirtschaft ist, zeigt eine gerade veröffentlichte Umfrage des Center for Financial Studies (CFS). Demnach sieht ein großer Teil der Fach- und Führungskräfte in der deutschen Finanzbranche eine Mitverantwortung der EZB für die hohen Inflationsraten. Lange sei die EZB untätig geblieben, obwohl viele Marktteilnehmer bereits Mitte 2021 „rechtzeitig vor den Gefahren der Inflation gewarnt hätten und die EZB zum Handeln aufgefordert“ haben, so der Geschäftsführer von Frankfurt Main Finance, Hubertus Väth. Mit Zinserhöhungen hat sie erst in der zweiten Jahreshälfte 2022 reagiert. Jetzt laufe die EZB der Inflation hinterher und müsse erst „wieder Glaubwürdigkeit aufbauen“.
Erwartungsmanagement
Das dürfte der EZB jedoch schwerlich gelingen, denn sie hat das von Seiten der Wirtschaft und der Bürger entgegengebrachte Vertrauen nicht nur enttäuscht, sondern sogar missbraucht. Bisher hat die Strategie der EZB zur Inflationsbekämpfung kaum darauf beruht, den Verbraucherpreisanstieg mit geldpolitischen Mitteln zu bekämpfen. Noch immer, so Bundesbankpräsident Joachim Nagel, sei die EZB mit ihrer Geldpolitik nicht im sogenannten restriktiven Bereich angekommen. Demnach wirkt die Geldpolitik – bei gegenwärtig zweistelligen Inflationsraten und kurzfristigen Leitzinsen von nur 3 Prozent – nachfrage- und inflationsstärkend und nicht etwa -dämpfend. Die EZB hat mit Zinserhöhungen erst in der zweiten Hälfte des letzten Jahres reagiert und dies erst, als sie infolge des Kursverfalls des Euro gegenüber dem US-Dollar von fast 30 Prozent gar nicht mehr anders konnte.
Anstatt zu handeln, setzt die EZB bei der Inflationsbekämpfung nach wie vor auf Worte. Seit mehr als zwei Jahren baut sie darauf, dass sie die Inflation im Zaum halten kann, indem sie möglichst niedrige Inflationserwartungen in der Gesellschaft verankert. Das Kalkül dabei: Wenn alle Marktteilnehmer, insbesondere Unternehmen und Erwerbstätige, mit einer niedrigen Inflation rechnen, orientieren sie ihre Preis- und Lohnforderungen daran. So werden vor allem diejenigen Marktteilnehmer, denen es ihre Marktposition kaum erlaubt oder die das Risiko scheuen, ihre gestiegenen Kosten vollständig zu überwälzen, bereits erlittene Einkommensverluste eher hinnehmen – in der Erwartung, dass die Inflation unter Kontrolle bleibt. Zudem werden sie auf Preiserhöhungen oder Lohnforderungen verzichten, die oberhalb der von den Zentralbanken prognostizierten Inflationsrate liegen.
Wohlstandsverluste abladen
So versuchen die Zentralbanken in die aktuell laufende Auseinandersetzung darüber einzugreifen, wer vor allem die Lasten der steigenden Energiepreise letztlich tragen wird. Sie erleichtern es den besser positionierten Marktteilnehmern, die Verluste bei anderen abzuladen. So versuchen sie, die von ihnen besonders gefürchteten Zweitrundeneffekte zu dämpfen, und sie wollen dadurch verhindern, dass ihnen der Preisauftrieb aus dem Ruder läuft. Dass es exakt darum geht, hat der Chefökonom der EZB, Phillip R. Lane, vor kurzem erklärt. In Anbetracht aktueller Tarifauseinandersetzungen in ganz Europa warnte er vor seiner Ansicht nach zu hohen Löhnen. Denn um zu niedrigerer Inflation zurückkehren zu können, sei die „Erkenntnis notwendig“, dass „die Rentabilität der Unternehmen sinken“ werde, „und dass die Löhne auch eine Zeit lang nicht mit der Inflation Schritt halten können“.
Das ist ein perfides Spiel der Zentralbanken, denn die damit beabsichtigte Dämpfung von Zweitrundeneffekten geht auf Kosten der schwächeren Marktteilnehmer. Unternehmen und Erwerbstätigengruppen, die in Anbetracht eines knappen Angebots über eine starke Verhandlungsmacht verfügen, lassen sich von den Prognosen der Zentralbanken kaum leiten. Sie setzen Preise und Löhne ihren Möglichkeiten entsprechend durch. Da sich alle anderen Marktteilnehmer jedoch an den Inflationsprognosen orientieren, erleichtert dies den stärkeren Marktteilnehmern, Wohlstandsverluste auf die schwächeren zu überwälzen.
Fehlprognosen am laufenden Band
Der nun beklagte Glaubwürdigkeitsverlust der EZB und das geschwundene Vertrauen in ihre Geldpolitik resultieren daraus, dass die Verlierer der Inflation die in den letzten Jahren erlittenen Einkommensverluste inzwischen schmerzlich spüren. Mit Hilfe der vielen sie stützenden Ökonomen hat die EZB die Marktteilnehmer mit der Verbreitung ihrer unzulänglichen, jeweils zu niedrigen und verharmlosenden Inflationsprognosen immer wieder getäuscht.
Als die Inflation bis zum Juni 2022 an Dynamik und Breite gewann und ohne dass sie Zinsschritte eingeleitet hatte, behauptete die EZB in ihren Prognosen noch immer, die Inflation würde in der Eurozone im Jahresverlauf auf maximal 5,1 Prozent klettern, um bereits 2023 wieder im Bereich des EZB-Inflationsziels von 2,1 Prozent zu liegen. Im Juni 2022 war die EZB gezwungen, ihre Inflationsprognose deutlich anzuheben. Nun erwartete sie für 2022 einen Verbraucherpreisanstieg von 6,8 Prozent und nährte die Erwartungen, dass der Verbraucherpreisanstieg nach 3,5 Prozent 2023 zumindest 2024 auf 1,9 Prozent zurückgehen werde.
In all ihren bisherigen Prognosen hat die EZB den Preisanstieg wesentlich niedriger und weniger anhaltend prognostiziert, als dieser dann tatsächlich eingetreten ist. In ihrer Sitzung vom Dezember letzten Jahres musste sie nun zum wiederholten Mal ihre Inflationsprognose drastisch nach oben revidieren. Nach Leitzinserhöhungen von 3 Prozent seit der zweiten Jahreshälfte 2022 geht die Zentralbank nunmehr davon aus, dass sich der Verbraucherpreisanstieg erst 2025 von den aktuell fast zweistelligen Werten auf 2,3 Prozent zurückbilden wird. Doch wer dieser Prognose vertraut, dürfte erneut enttäuscht werden. Denn sogar Schnabel hat das Erreichen des Zwei-Prozent-Ziels kurz nach der Veröffentlichung in Frage gestellt. Gegenüber der F.A.Z. erklärte sie: Die „Unsicherheit für 2025 ist hoch“, denn die von der EZB genutzten Modelle seien so aufgebaut, dass sie die Inflation immer auf zwei Prozent zurückführen.
Kontrollverlust der EZB
Die Strategie der EZB, niedrige Inflationserwartungen zu verankern, indem sie ihre zu niedrigen Inflationsprognosen in Umlauf bringt, hat dazu beigetragen, die gesellschaftlichen Wohlstandsverluste infolge des steigenden Energiepreisniveaus zu einem erheblichen Teil auf die Erwerbstätigen abzuladen. Wie das Statistische Bundesamt mitteilt, sind die durchschnittlichen Reallöhne seit dem Beginn der Corona-Krise – hauptsächlich inflationsbedingt – gesunken. 2020 lag der Reallohnverlust bei 1,1 Prozent, 2021 bei 0,1 Prozent und betrug infolge der nun deutlich steigenden Inflation im Jahr 2022 bereits 4,1 Prozent. Diese Einkommensverluste fallen in einzelnen Branchen und für bestimmte Arbeitnehmergruppen deutlich höher aus und sie könnten sich nochmals stark erhöhen, sofern sich die Inflationsprognosen, an denen sich die Tarifparteien orientieren, erneut als Makulatur erweisen.
Das würde unter anderem die Beschäftigten der Metall- und Elektroindustrie schwer treffen, denn dort mussten die Beschäftigten in den letzten drei Jahren bereits durchschnittliche Reallohnverluste von insgesamt mehr als 10 Prozent hinnehmen. Ein weiterer Reallohnabsturz ist in Sicht: Mit dem im Herbst 2022 erzielten Tarifabschluss steigen die Tariflöhne innerhalb der nächsten 24 Monate nur um insgesamt 8,5 Prozent. Erst im Juni 2023 wird es eine Lohnerhöhung von 5,2 Prozent geben, weitere 3,3 Prozent folgen im Mai 2024 – bei einer aktuellen jährlichen Inflationsrate von knapp 10 Prozent. An diesem Befund ändert auch die über den Zeitraum von 24 Monaten zusätzlich gewährte Inflationsausgleichsprämie von 3000 Euro netto nichts. Zudem wird sie nur einmalig gewährt und wurde ersonnen, um die dauerhafte Erhöhung der Tariflöhne gezielt zu verhindern.
Mit ihren seit mehr als zwei Jahren deutlich zu niedrigen Inflationsprognosen und ihrem Versuch, diese von ihr genährten niedrigen Erwartungen als Mittel der Inflationsbekämpfung einzusetzen, hat die Europäische Zentralbank das Vertrauen von Bürgern und Unternehmen missbraucht und dadurch verspielt. Die EZB taumelt und ihr Zwei-Prozent-Inflationsziel rückt in immer weitere Ferne.
Mehr von Alexander Horn lesen Sie in seinem aktuellen Buch „Die Zombiewirtschaft – Warum die Politik Innovation behindert und die Unternehmen in Deutschland zu Wohlstandsbremsen geworden sind“ mit Beiträgen von Michael von Prollius und Phil Mullan.
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Da sitzen offensichtlich inkompente Leute, deren Erwartungen sich regelmäßig nicht erfüllen und deren Taktik darin besteht, immer das Gleiche zu wiederholen in der Erwartung einer Änderung zum Positiven. Wenn Powell gezwungen wird Ende März um .75 hochgeht, müsste Lagarde eigentlich mindestens 1.0 machen. So oder so wird es spätestens mit der nächsten FEDsitzung für die EU spannend.
Ohne Entlassung von Lagarde und allen, die unter ihr in Ämter gekommen sind, wird sich keine Besserung einstellen können. Das wäre wie dem Feuergeilen Brandstifter nach seinem gutdünken das Feuer, das er soeben gelegt hat löschen zu lassen.
Mit dem Vertrauensverlust der EZB schwindet auch das Vertrauen in den Euro und die Banken. Steigende Zinsen werden zwar zügig an die Kunden weitergegeben und für eine Fahrzeugfinanzierung zahlen Sie heute mal ganz schnell 5,99 %, aber was die Verzinsung der Spareinlagen betrifft, muss man doch sehr schauen. Hier geht es über Lockangebote von 2 % für 4 Monate kaum hinaus. Sogenannte Dividendenaktien sind selbst für den geübten Anleger problematisch und risikoreich. Oft enttäuschen hier auch Traditionsunternehmen, in deren Vorständen es nicht besser, als in der Regierung aussieht. Es findet eine große Umverteilung von unten nach oben statt, bei der… Mehr
…. die eurozone steckt nicht nur in einer inflation, sondern in einer fetten stagflati und die ezb ist ein infltionstreiber, na ja auch neben dieser unvergleichlichen ampel!
…….wer um alles in der welt will in deutschland noch produzierende unternehmen unterhalten???
Eine gesteigerte Geldmenge führt nur solange nicht zu einer Inflation, solange die Geldmenge nicht nachfragewirksam wird und gleichzeitig auf ein reduziertes Angebot trifft. Dies war bis zu Corona bei den Gütern des täglichen Lebens der Fall, daher gab es dort kaum Inflation. Allerdings hatten wir bis zu Corona bereits eine immense Sachwertinflation (Immobilien, Gold, Wertpapiere), weil dort das durch die Zentralbanken erzeugten Geldmengen auf ein knappes Angebot stießen. Dies hat sich mit dem Zerschlagen der Lieferketten durch Corona und der hausgemachten Energiekrise durch staatliche Verteuerung der Energie durch Abgaben und Sanktionen nun auch auf die Güter des täglichen Lebens ausgewirkt.… Mehr
Damals, zu DM-Zeiten, wurde in regelmäßigen Abstände das Geldmengenwachstum M3 in den Medien veröffendlicht.
Der EZB ist allerdings schon klar, dass diese höhere Inflationsraten zulassen muss. Diese fürchtet Lagarde und Andere auch nicht, sondern die fürchten das Abgleiten in die Hyperinflation. Dieses lässt sich durch die Geldmengensteuerung solange diese übersichtlich bleibt gut steuern.
Wer clever ist, nimmt zu Beginn eines Jahres einen kurzfristigen Kredit in etwa seiner Sparmenge mit möglichst niedrigen Zinsen auf, wandelt das Geld direkt in eine starke Währung um und zahlt den Kredit dann mit seinem dank Inflation relativ geringer werdenden Einkommen ab. Die Fluchtwährung muss eine geringere Inflation als der Euro haben, was angesichts der geschönten Inflationszahlen nicht schwierig ist.
Bleibt nur die Hoffnung, dass das Geld, das die EZB durch ihre Inflations-Politik den Sparern, Steuerzahlern und Bürgern enteignet – zumindest partiell – über verschlungen Pfade und durch die „List der Vernunft“ (Hegel) auf den Konten von „Blackrock“ und anderer Investment-Gesellschaften landet, wo fähige und ökonomisch versierte Manager es doch noch einer sinnvollen, sozialökonomischen Ressourcen-Allkation zuführen können.
Ich werte den Beitrag als Satire.
Der Euro steht in Konkurenz zum Dollar, Yuan, Japanischer Yen, Hongkong-Dollar, etc. In einer globalisierten Gesellschaft mit weltweiten Handelsbeziehungen herrscht unter den Beteiligten ein gnadenloses Hauen und Stechen; jeder will exportieren auf Teufel komm raus, jeder will den anderen in die Pleite treiben. Eine allzu starke Währung benachteiligt daher Unternehmen.
Das ist die kurzfristige Sichtweise. Mittel- und langfristig verliert eine Volkswirtschaft mit schwachem Wert Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit. Siehe Deutschland seit vielen Jahren.
Wessen Vertrauen soll die EZB denn verspielt haben?
Spätestens seit der „Rettung“ Griechenlands kann von Vertrauen doch keine Rede mehr sein.
Es wäre besser gewesen, man hätte Griechenland fallen lassen, als Beispiel dafür wohin es führt, wenn Reformen zur Stärkung der Wirtschaftskraft nicht umgesetzt werden.
Auch Herr Horn, durchstreift weiterhin sein privates Bullerbü-Land. Die EZB hat keineswegs die „Kontrolle verloren“, sondern sie arbeitet höchst effizient ihren Auftrag ab. Und der lautet nun mal die europaweite Etablierung des feudaltotalitären Elendsstaates. Daher ist die EZB natürlich überhaupt nicht an einer Reduzierung der Inflation interessiert. Die abgesonderte Propaganda ist da völlig ohne belang. An ihrer Effektivität und Effizienz auf dem Weg der Zielerreichung ist dabei überhaupt nichts auszusetzen. Außerdem wird diese Politik von der überwältigenden Mehrheit, zumindest in Deutschland, nicht nur vorbehaltlos unterstützt, sondern mit zunehmender Ungeduld gefordert. Der gemeine Deutsche findet seine Erfüllung eben nur in einem… Mehr
? Diese Agenda der EZB vor allem zu Lasten der Deutschen war von Anfang klar, wenn man/inn den Willens und fähig war, selber zu denken. ? Persönlich habe ich mich schon vor Jahren darauf eingestellt und kann der aktuellen Entwicklung einigermaßen gelassen begegnen. ?