Tichys Einblick
Von Automotive bis Solarhersteller

Deutschlands nächste Entlassungswelle beginnt

Ob ZF, Bosch, Miele oder Continental. Überall planen Unternehmen, Stellen abzubauen. Besserung ist hierbei nicht in Sicht: Für das Jahr 2024 wird das Wachstum in Deutschland bescheiden ausfallen. Von Samuel Faber

IMAGO / Sven Simon

Die Nachricht kam wenig überraschend. Der Automobilzulieferer Bosch will bis Ende 2026 rund 1.200 Stellen im Geschäftsbereich Cross-Domain Computing Solutions abbauen, 950 davon in Deutschland. Das bestätigte das Unternehmen dem Handelsblatt. Begründet wird der Schritt vor allem mit der deutlich langsamer als erwarteten Entwicklung zum vollautomatisierten Fahren. Das Unternehmen kündigte die Aufnahme von Gesprächen mit den Arbeitnehmervertretern an.

Betroffen sind Mitarbeiter laut Unternehmensangaben an den Standorten Abstatt, Hildesheim, Leonberg, Renningen und Schwieberdingen. Eine entsprechende Mitarbeiterinformation ist bereits an die Beschäftigten herausgegangen. Der Stellenabbau soll „sozialverträglich“ geschehen, wie es heißt. Wie das konkret aussehen soll, ist derzeit nicht bekannt. Die erst im vergangenen Jahr geschlossene Zukunftsvereinbarung schließt betriebsbedingte Kündigungen an deutschen Mobility-Standorten bis Ende 2027 aus.

Auch bei Continental kriselt es

Doch Bosch ist nicht der einzige Konzern, der Mitarbeiter entlassen muss. Auch der Autozulieferer ZF plant, bis zum Ende des Jahrzehnts mehrere tausend Arbeitsplätze abzubauen. „Der Vorstand will 12.000 Stellen in Deutschland in den nächsten sechs Jahren streichen“, sagte Gesamtbetriebsratschef Achim Dietrich am vergangenen Mittwoch. Entsprechende Planungen liegen dem Betriebsrat vor. Damit wäre jeder vierte Mitarbeiter im Inland betroffen.

Der Autozulieferer ZF plant Arbeitnehmervertretern zufolge bis Ende des Jahrzehnts den Abbau tausender Arbeitsplätze. „Der Vorstand will 12.000 Stellen in Deutschland in den nächsten sechs Jahren streichen“, sagte Gesamtbetriebsratschef Achim Dietrich am Mittwoch. Entsprechende Planungen liegen dem Betriebsrat vor. Das wäre knapp ein Viertel aller Arbeitsplätze im Inland. Indes warnt der Oberbürgermeister von Schweinfurt, Remelé in der Main-Post davor, dass das Werk in Unterfranken ganz geschlossen und ins Ausland verlegt wird.

Auch beim Konkurrenten Continental kriselt es. Zwar muss der Dax-Konzern noch keine Stellen streichen, gespart werden muss jedoch allemal. Laut einem Bericht der Wirtschaftswoche kündigte der Konzern 1600 Tarifbeschäftigten aus dem Unternehmensbereich Automotive ihre Verträge mit einer 40-Stunden-Woche. Ab nun sollen sie künftig nur noch die tariflich vereinbarten 35 Stunden arbeiten. Das bedeutet: Continental kann Kosten drücken, während Mitarbeiter weniger Geld verdienen.

Doch damit sind die Überlegungen, Stellen abzubauen, noch lange nicht vom Tisch. Laut dem Manager Magazin wird darüber nachgedacht, weltweit 5500 Conti-Mitarbeiter weltweit und deutschlandweit 1000 zu kündigen. Ebenso wie bei ZF ist fast ausschließlich die Sparte Automotive betroffen. Doch auch in anderen Branchen müssen Mitarbeiter um ihren Job fürchten.

Subvention oder Schließung bei Solarpanelhersteller

Zum Beispiel bei Bayer. Der Umbau des Agrarchemie- und Pharmakonzerns unter dem neuen Chef Bill Anderson schreitet voran und wird mit vielen Kündigungen einhergehen. Darauf haben sich Konzernvorstand und die Arbeitnehmervertretung im Aufsichtsrat verständigt. „Der Stellenabbau soll in den kommenden Monaten zügig umgesetzt werden und spätestens Ende 2025 abgeschlossen sein“, verlautete laut WDR ein Konzernsprecher. Bayer beschäftigt in Deutschland derzeit rund 22.200 Mitarbeiter. Wie viele genau betroffen sein werden, ist bisher unklar.

Bei Miele geht es nicht mehr um das „ob“, sondern um das „wie viele“. Bis zu 1500 Mitarbeiter könnten bei dem Traditionsunternehmen den Job verlieren. Das wäre die gesamte Waschmaschinenproduktion. Laut dem WDR ist ein Szenario, das gesamte Werk nach Polen zu verlegen, im Gespräch, wo auch heute schon viele Miele-Produkte gebaut werden.

Wenig besser sieht es bei den sogenannten erneuerbaren Energien aus. Der Schweizer Hersteller von Solarmodulen Meyer Burger stellt seine Produktion in Deutschland auf den Prüfstand. Betroffen von einem Rückzug wäre der Standort in Freiberg, Sachsen. Das Unternehmen droht mit Schließung, „sofern keine ausreichenden Maßnahmen zur Herstellung fairer Wettbewerbsbedingungen in Europa, etwa durch Resilienzmaßnahmen, ergriffen werden“. Das heißt: Subventionen oder Schließung.

Geringes Wachstum kann die Entlassungen nicht kompensieren

Gleiches gilt für Google. „Wir haben ehrgeizige Ziele und werden in diesem Jahr in unsere großen Prioritäten investieren.“ Heißt: Mitarbeiter verlieren ihren Job. Die Entlassungen würden sich laut Konzernspitze darauf konzentrieren, das Unternehmen effizienter zu strukturieren. „Die Realität ist, dass wir harte Entscheidungen treffen müssen, um die Kapazität für diese Investitionen zu schaffen“, schrieb CEO Sundar Pichai.

Bereits vor wenigen Tagen hatte Google angekündigt, hunderte Stellen in den Bereichen Sprachassistenz, Werbevermarktung, Augmented Reality und in den Hardware-Teams zu streichen. Im Januar 2023 stellte das Unternehmen Pläne vor, 12.000 Stellen zu streichen. Google ist nicht allein. Nachdem bereits Anfang des Jahres der Grafik-Engine-Entwickler Unity angekündigt hatte, 1800 Stellen zu streichen, folgten nun auch Amazon, Meta und Discord.

Es könnte für die Weltwirtschaft ein ungemütliches Jahr werden. Während Länder wie die USA, aber auch viele EU-Staaten im Jahr 2024 mit properen Wachstumsraten rechnen, gibt sich Deutschland bescheiden. Zwar gibt es aus Sicht des EU-Wirtschaftskommissars Paolo Gentiloni „eine Chance auf moderates Wachstum“. Mit einem veranschlagten Plus beim BIP von 0,8 Prozent wird Deutschland 2024 jedoch in dieser Hinsicht gemeinsam mit Finnland das Schlusslicht der Euro-Zone bilden. Damit können die Stellen, die in den letzten Jahren abgebaut wurden, kaum kompensiert werden.

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