Creditreform: Viele Insolvenzen durch Staatshilfen verzögert

Nicht trotz, sondern wegen der Corona-Pandemie gibt es 2020 in Deutschland so wenige Unternehmensinsolvenzen wie lange nicht. Die Mischung aus Shutdown und Staatshilfen hat wohl eine Insolvenzwelle aufgestaut.

imago images / serienlicht

In diesem Jahr wird es wohl nur 16.300 Unternehmensinsolvenzen in Deutschland geben, wie die Wirtschaftsauskunftei Creditreform errechnet hat. Das sind 13,4 Prozent weniger als im Jahr 2019 (18830) und der niedrigste Stand seit der Einführung der Insolvenzordnung (InsO) im Jahr 1999.

Ein Grund zur Erleichterung oder gar Freude ist das aber nicht. Denn diese niedrige Zahl hat keine Aussagekraft über den Zustand der Wirtschaft. Dass ausgerechnet im dramatischen Konjunktureinbruch weniger Unternehmen insolvent werden als in den vorangegangenen Hochkonjunkturjahren liegt an den staatlichen Eingriffen zur Abfederung der Folgen der Corona-Pandemie. Die Bundesregierung hat zahlreiche Hilfs- und Stützungsmaßnahmen eingeführt und die Insolvenzantragspflicht mehrere Monate lang ausgesetzt. „Im laufenden Jahr hat sich das Insolvenzgeschehen als Seismograph für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung vom wirklichen Zustand der deutschen Unternehmen entkoppelt“, sagt Patrik-Ludwig Hantzsch, der Leiter Wirtschaftsforschung bei Creditreform.

Ordnungspolitisch bewirken die Staatshilfen im Rahmen der Coronapolitik eine Verzerrung des Wettbewerbs: Viele Unternehmen bleiben am Markt, die unabhängig von der Corona-Krise eigentlich nicht mehr überlebensfähig sind. „Die massiven staatlichen Corona-Finanzhilfen sorgen dafür, dass es große Mitnahmeeffekte bei „echten“ Pleitekandidaten gibt, die ohne die Corona-Subventionen nicht überlebt hätten.“

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Fürs einzelne Unternehmen ist das angenehm, aber für die gesamte Volkswirtschaft auf Dauer ein großes Problem: „Insolvenzen sind ein wichtiger Mechanismus zum Schutz der Volkswirtschaft“, so Hantzsch. „Unternehmen ohne tragbares Geschäftsmodell müssen vom Markt genommen oder von Grund auf saniert werden, damit die deutsche Wirtschaft als Ganzes auch nach Corona wettbewerbsfähig bleibt.“ Branchen wie Autoindustrie, Luftfahrt und Einzelhandel stünden ohnehin vor drastischen Umwälzungen. „Der Strukturwandel wird durch diese Maßnahmen teilweise verzögert.“

Nachdem die Insolvenzanzeigepflicht bei Zahlungsunfähigkeit (nicht aber Überschuldung) ab Oktober wieder in Kraft ist, dürften die Auswirkungen der Wirtschaftskrise und ein Ende der Eindämmungsmaßnahmen die Insolvenzen im kommenden Jahr insgesamt wieder steigen lassen. Creditreform schreibt in seiner Jahresanalyse von „großen Mitnahmeeffekten“. Ab dem Frühjahr könnte es daher für viele Chefs ein „böses Erwachen“ geben, wie es von Seiten der Insolvenzverwalter heißt.

Insbesondere bei Kleinbetrieben gab es durch die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht spürbar weniger Insolvenzmeldungen. Ein deutlicher Anstieg der Insolvenzen war dagegen bei größeren Unternehmen zu verzeichnen. So stieg die Zahl der Insolvenzverfahren in den Umsatzgrößenklassen 5,0 bis 25,0 Mio. Euro (plus 26,4 Prozent) und 25,0 bis 50,0 Mio. Euro (plus 36,4 Prozent) deutlich. Eine Verdopplung der Fallzahlen war bei Unternehmen mit mehr als 50,0 Mio. Euro Jahresumsatz zu verzeichnen. Für solche großen Unternehmen – zum Beispiel die Warenhauskette GALERIA KARSTADT KAUFHOF, oder das Modeunternehmen ESPRIT – bietet das deutsche Insolvenzrecht mit der „Eigenverwaltung“ und dem „Schutzschirmverfahren“ attraktive Möglichkeiten zur Sanierung, die es bei kleineren Betrieben nicht gibt.

Rund 24.000 Pleiten sagt Creditrefom im Jahresbericht für das kommende Jahr voraus – das entspricht in etwa der Vorhersage der Bundesbank. „Insbesondere für Gastronomie, Einzelhandel oder die Messe-, Reise- und Veranstaltungsbranche hat die Rezession massive Auswirkungen auf die Liquiditäts- und Finanzlage“, heißt es im Creditreform-Jahresbericht. „Das wird sich ab dem kommenden Jahr dann in den Insolvenzzahlen niederschlagen.“

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Kommentare ( 9 )

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Bernd Schulze sen.
3 Jahre her

Was der Staatsratsvorsitzenden und ihrem ZK herzlichst wenig stören wird. Das Pack soll nicht in den Urlaub und in Kneipen rumhängen. Sonst würde man ganz anders handeln. Eigentlich ist es ja nicht verkehrt, wenn Deutschland Pleite und Zahlungsunfähigkeit wird. Dann nagen die Südländer und Uschi am Hungertuch.

AlNamrood
3 Jahre her
Antworten an  Bernd Schulze sen.

Für bestimmte Personen ist immer Geld da. Sieht man doch seit 2015.

Dr No
3 Jahre her

Merkwürdig….. ??
Denn es sind deutlich höhere Zahlen im Umlauf.
So spricht z.B. Markus Krall, sicherlich kein Unwissender, von ca. 800.000 Insolvenzen! Nachzuhören in Interviews, die er erst vor wenigen Tagen Marc Friedrich oder auch Michael Mross gegeben hat.

Ingolf
3 Jahre her

„Corona“ ist eine echte Wunderwaffe. Krankheiten wie Grippe, Krebs, Schlaganfall usw. sind besiegt. Denn ein „bisserl“ Corona lässt sich sicherlich nachweisen. Hurra. Tote durch Unfälle im Straßenverkehr oder Haushalt … der Corona-Nachweis löst auch dieses Problem. Vielleicht sollte die Bundesregierung auch diese Tatsache als „Erfolg“ verbuchen („wir haben die niedrigsten Todeszahlen im Straßenverkehr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen“). Mord und Totschlag … vergessen wir es … es sind Corona-Tote, die Kriminalstatistiken werden neue Tiefststände verkünden. Wozu noch Gerichte und Staatsanwaltschaften? Und nun sorgt Corona auch noch für historisch niedrige Unternehmensinsolvenzen. Ob sich Wirtschaftswissenschaftler dann künftig verstärkt um die „Theorie von Corona… Mehr

thinkSelf
3 Jahre her

Da die Politik Angst davor hat das die faktisch 30%tige Arbeitslosenquote in Europa ins Bewusstsein kommt wird das mit Kurzarbeitergeld und Insolvenzverschleppung verschleiert. Wahrscheinlich werden Insolvenzen am Ende einfach verboten. Sobald aber die Unternehmen schlicht ihre Rechnungen nicht mehr bezahlen können (die Gehälter kommen eh aus der Druckerpresse) werden sie diese unbeschränkt mit ‚Krediten“ und „Beihilfen“ zuscheißen. Alles nach dem sozialistischen Motto: „Ihr tut so als würdet ihr uns bezahlen und wir tun so AKS würden wir arbeiten.“ Das Ergebnis ist deterministisch festgelegt und immer dasselbe. Haben aber alle so gewollt und deshalb geht das in Ordnung. Wer freiwillig und… Mehr

Peter Mueller
3 Jahre her

Auch hier ist von Vorsatz auszugehen: Die Insolvenzantragspflicht wurde ausgesetzt, um möglichst viele Zombiegesellschaften heranzuzüchten, die in dieser Zeit noch mehr Schulden anhäufen und anschließend im Dominoeffekt noch mehr Gläubiger mit in den Abgrund reißen. Die (relative) Schutzfunktion der Insolvenz wurde also außer Kraft gesetzt. Wer glaubt, das Regime wisse nicht genauestens, was es da tut, muß mit dem Klammerbeutel gepudert sein. Die Krise ist gewollt, genau, wie die Pleitewelle des Mittelstandes gewollt ist. Die Branchenriesen werde hinterher die Marktanteile der insolventen weil kleineren und schwächeren Konkurrenz übernehmen. Langfristig ein Bombengeschäft, daß die kurzzeitigen Krisenverluste mehr als üppig ausgleicht. Merkel… Mehr

Albert Pflueger
3 Jahre her
Antworten an  Peter Mueller

Ja, so ist es. Insolvenzverwalter können sogar über mehrere Jahre geleistete Zahlungen an Lieferanten und Vermieter zurückfordern, sofern zum Zahlungszeitpunkt bereits Überschuldung eingetreten war. Da wird so mancher gesunde Betrieb Federn lassen müssen- mit der möglichen Folge, daß er seinerseits kippt.

Karl Martell74
3 Jahre her

… ich hoffe nur unsere „Diktatoren“ können das nicht bis nach der BTW hinauszögern

thinkSelf
3 Jahre her
Antworten an  Karl Martell74

Egal. Die werden trotzdem gewählt. Die Ursache für die Stabilität von Diktaturen sind nie die „oben“, sondern immer die „unten“.