Bundesnetzagentur plant flexible Industrie-Netzentgelte

Stahl wird nur noch dann geschmolzen, wenn die Sonne scheint oder der Wind weht, oder Aluminium verhüttet oder Brot gebacken. Kurz: Die Industrie soll nur noch dann produzieren und Energie verbrauchen dürfen, wenn die Witterung es zulässt.

picture alliance/dpa | Wolf von Dewitz

Die Ampel-Koalition und die »Energiewender« haben es geschafft: Notstand in den Stromnetzen. Was früher in einem Industrieland undenkbar war, ist eingetreten: Es ist immer häufiger zu wenig Strom vorhanden. Deshalb plant die Bundesnetzagentur eine Reform der Netzentgelte für Industrie und Gewerbe. Das Lockmittel soll Geld sein: Die sollen reduzierte Netzentgelte zahlen, wenn sie in Zeiten mehr Strom verbrauchen, in denen hohes Stromangebot vorhanden ist.

Die »Agentur« umschreibt das Desaster blumig: »Durch die Energiewende verändert sich die Stromerzeugerlandschaft eklatant. Dies führt unweigerlich auch zu veränderten Erfordernissen im Netzbetrieb. Dementsprechend ist eine Neubewertung der Anreize erforderlich, die durch Sondernetzentgelte gesetzt werden.«

Sie hat deshalb ein »Eckpunktepapier« vorgelegt zur »Fortentwicklung der Industrienetzentgelte im Elektrizitätsbereich«. Das Papier ist das Eingeständnis des totalen Versagens staatlicher Energiepolitik. Im Klartext: Es gibt nicht mehr zu allen Zeiten genügend Elektrizität. Die muss daher rationiert werden. Die »Rahmenbedingungen« hätten sich eben geändert. So schwurbelt die Agentur. Bisher bekam die energieintensive Industrie je nach Energieintensität pauschale Rabatte. Doch: »In der Energiepreiskrise von Herbst 2021 bis Sommer 2023 wurde deutlich, dass das Energiesystem auf stärkere Flexibilität der Lastseite angewiesen ist«, so die »Experten« der Bundesnetzagentur.

Jetzt sollen diese Netzentgelte »flexibilisiert« werden, also vereinfacht gesagt: niedrige Netzentgelte, wenn viel Windstrom da ist und hohe Netzentgelte, wenn wenig Windstrom da ist. Die Industriebetriebe müssten ihre Produktion einfach so anpassen, dass sie ihren Energieverbrauch an aktuelle Bedingungen anpassen, also ob nun zufällig die Sonne scheint und der Wind weht. So die Beamten der Netzagentur. Vor allem bei herbstlichen und winterlichen Hochdrucklagen kann das ziemlich peinlich enden: Nebel, kein Sonnenschein und wenig Wind – also kein Strom von Windrädern und Photovoltaik-Anlagen über Wochen hinweg.

Das ist für eine energieintensive Industrie, die bisher rund um die Uhr zu arbeiten pflegte – neben den vielen weiteren Unwägbarkeiten – weiteres »Gift« und bestätigt Entscheider, nicht mehr in Deutschland zu investieren. Verlässlichkeit und damit Kalkulierbarkeit gegenüber dem globalen Wettbewerb gehen verloren. Gründe für Investments in Deutschland werden geringer.

In der Sprache, die Klaus Müller, Habecks grüner Buddy aus alten Schleswig-Holsteiner Zeiten auf dem großen Chefsessel der Bundesnetzagentur, eingeführt hat, klingt das Drama erhebend: »Während die Kosten für Netzausbau, Ausgleichsenergie und Engpassmanagement stetig steigen, können die Flexibilitätspotentiale der Industrie und des Gewerbes genutzt werden, um dieser Entwicklung durch eine Senkung der Gesamtkosten des Energiesystems entgegen zu wirken. Denn dynamische Reaktionen auf die Einspeisesituation – insbesondere durch stromintensive Industriebetriebe – können einen erheblichen systemdienlichen Beitrag leisten.«

Dazu sollen den Unternehmen »systemdienliche Anreize« schmackhaft gemacht werden in Form von Tarifen, »um besonderen Umständen Rechnung zu tragen oder um ein bestimmtes Verhalten anzureizen«. Die besonderen Umstände sind eben Strommangellagen. »Fortentwicklung« ist die euphemistische Umschreibung der Agentur von »Rückentwicklung«.

Zugleich offenbart diese Hektik rund um Netzentgelte das Dilemma dezentraler hochvolatiler wetterabhängiger Stromproduktion: Sie ist extrem teuer. So werden die Netzentgelte weiter steigen. Es geht jetzt den Grünen nur darum, diese Steigerungen zu verschleiern, um an den finanziellen Vorteilen für ihre Wind- und PV-Industrieklientel nichts kürzen zu müssen. Je weniger Industrie, desto mehr müssen die Privatkunden die Mehrkosten tragen – dann ohne Wertschöpfung durch die Industrie als positiven Beitrag.

Besserung ist nicht in Sicht – im Gegenteil: Die Spannungen im Netz nehmen zu. In einer Pressemeldung vom 29. Juli jubelt das Statistische Bundesamt: »3,4 Millionen Photovoltaikanlagen in Deutschland installiert«. Als Nennleistung werden 81,5 GW angegeben. Die Bundesnetzagentur spricht sogar von 91,1 GW installierter Leistung.

Regelmäßige Hörer des TE-Energiewende-Wetterberichts im TE Wecker wissen es besser: Diese Zahl ist verdummend. Danach müssten allein die PV-Anlagen eigentlich Deutschland komplett versorgen können, wenn um 12 Uhr mittags eine elektrische Leistung von 72 GW als Spitze gefordert wird. Offensichtlich tun sie das nicht. Nicht nur, dass in der Mittagshitze der Wirkungsgrad der Zellen drastisch nachlässt – selbst bei maximaler Sonneneinstrahlung der vergangenen Tage kommen nur 51 GW an Leistung raus.

Bemerkenswert: Sämtliche Windräder stehen still, wenn der Wind es will. Nichts kam in den vergangenen Tagen von den 30.000 Windrädern. Die killen wenigstens gerade keine Vögel.
Die grafische Darstellung von Stromerzeugung und Verbrauch in der roten Linie entlarvt den Schwindel »Energiewende: massive Stromspitzen am Mittag, wenn blauer Himmel herrscht. Dann können Jubelmeldungen verbreitet werden: bereits 79,3 Prozent Anteil der »Erneuerbaren« an der Stromerzeugung.

Quelle: Agora Energiewende

Nach Sonnenuntergang sieht das peinlicher aus: nichts mit »Solarstrom«, auch nichts von den Windrädern. Die übrig gebliebenen konventionellen Kraftwerke müssen hochgefahren werden und der Rest wird teuer importiert. Der Anteil der »Erneuerbaren«, jetzt die Wasserkraft- und Biomassekraftwerke, ist auf 23 Prozent geschrumpft. Dafür ist der CO2-Emissionsfaktor der Strommixe auf gigantische fast 600 gCO2/kWh hochgeschnellt. Habeck also CO2-Weltmeister. Dabei soll das doch so böse sein.

Quelle: Agora Energiewende

Der gigantische Zuwachs an Photovoltaik-Anlagen bringt das Stromnetz an seine Grenzen. Dieses Überangebot an PV-Flächen bringt die Übertragungsnetzbetreiber zur Verzweiflung: Sie müssen immer häufiger abregeln. Die Leistung steht nur um die Mittagszeit zur Verfügung.

Aber gut, dass Müller und seine Agentur jetzt mit den Vorschlägen um die Ecke kommen, die Industrie solle dann produzieren, wenn Strom vorhanden ist. Über mangelnde Anpassungsfähigkeit kann sich der grüne Industriezerstörer Müller nicht beschweren: Viele Unternehmen haben sich angepasst, ihre Läden hierzulande bereits dicht gemacht und die Produktion ins Ausland verlagert. Das entlastet die »Energiewender« vortrefflich.

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Kommentare ( 36 )

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Endlich Frei
1 Monat her

Also verkürzt: Wenn der Wind viel pustet, kann produziert werden – wenn der Wind nicht pustet Beine hoch.
Super – Investoren aus aller Welt werden begeistert sein !

BellaCiao
1 Monat her

Einschränkungen und Mangel heißen jetzt „Flexibilität und Dynamik auf der Angebotsseite“. So gehen Fortschritt und Aufbruch mit den Grünen. Am Ende ist für die Grünen alles bloß eine kreative Sprachregelung. Aber in der Realität bedeutet es rückläufige Produktivität und stark eingeschränkte Freiheiten, was – oh Wunder – genau den grünen Zielsetzungen entspricht.

Kassandra
1 Monat her

Ja. Wohin es konkret geht, sagen die wenigsten. Der Herr Prof. Dr. Dr. Franz Josef Radermacher vom Club of Rome, der sagt es schon – nämlich, dass sie uns zu verarmen hätten um uns hier im Westen den ärmeren Ländern auf der Welt anzugleichen – und dass sie längst eine Zwei-Klassen-Gesellschaft einrichten: https://twitter.com/SHomburg/status/1741858613621051420

Fieselsteinchen
1 Monat her

Also nachts und im Winter wird dann nichts mehr produziert, weil zu wenig bzw kein Strom vorhanden ist! Und da wundert sich noch jemand von diesen Politarmleuchtern, dass die Industrie abwandert und so langsam die Arbeitslosenzahlen ansteigen. Venezoalanische Zustände! Wenn das so weitergeht, würde mich die Zahl der Länder interessieren, die deutsche Wirtschaftsflüchtlinge aufnimmt (und durchfüttert)!

Kassandra
1 Monat her
Antworten an  Fieselsteinchen

Wenn Sie Ihren Gedankengang zu Ende denken folgt daraus, dass wir hier alle im Winter kalt und dunkel sitzen werden – und zudem ohne Nahrung. Danke an Herrn Habeck, Gut eingefädelt – und bereits alles weg, was uns bislang Energie zuführen konnte – und bestenfalls Wackelstrom angesagt. Es gibt keine Speicher, KKW und einige Kohlekraftwerke sind bereits abgeschaltet und in Abmontage, die Sanktionen gegen Russland bestehen weiter, Selenskyj steht mit dem Fuß auf den Pipelines durch die Ukraine, Deutsche wie die EU reden nicht mit Putin über das Angebot, über die intakte Röhre Gas zu liefern, Biden verknappt LNG aus… Mehr

Werner Geiselhart
1 Monat her

Wie stellen sich die grünen Koniferen dann die Arbeitszeiten vor?
Die Stahlarbeiter warten daheim am Telefon, bis nachts um eins der Anruf kommt „Der Wind weht, jetzt husch husch zur Arbeit“.
Und während der Dunkelflaute 2 Wochen Arbeitspause. Oder wie soll das gehen?
Von der Maschinenauslastung ganz zu schweigen, da ist auch Stetigkeit gefragt.
Die Grünen stellen sich Industriearbeit wahrscheinlich so vor wie Kinderbücher schreiben, man wacht morgens auf und überlegt sich, ob man sich noch mal umdrehen oder ob man heute noch ein paar Seiten zu Papier bringen soll.

Kassandra
1 Monat her
Antworten an  Werner Geiselhart

War dass nicht so, dass Hochöfen nicht erkalten dürfen, da sie sonst als Totalverlust und Müll zu werden sind? Auch die energieaufwendige Glasherstellung wird bei Ausfall des Stroms Totalschaden anrichten.

Zum alten Fritz
1 Monat her
Antworten an  Kassandra

Ja so ist das, und da gibt es einiges mehr an technischen Prozessen.
Aber was will man von Bildungs-Verweigerern erwarten?

Melly
1 Monat her

Der Wahnsinn ist nicht mehr aufzuhalten, also Vernichtung jedes normalen Denkens.. Irrsinn, Schilda, ach es gibt keine Ausdrücke mehr. sind wir wirklich so bekloppt???

Teiresias
1 Monat her

Sie rechnen wohl nicht mit einer weiteren Legislaturperiode und wollen nichts als verbrannte Erde hinterlassen.

Bosmer
1 Monat her

So etwas kann sich auch nur jemand ausdenken, der keinerlei Ahnung von der Wirtschaft hat. Als ob die Unternehmen ihre Produktionslinien nur mal so immer zwischendurch laufen lassen könnten. Falls es bei uns noch Gießereien und Stahlwerke gibt, können die auch nicht einfach so mal zwischendurch aufhören. Ich schätze zweierlei: 1. Die letzten Unternehmen verschwinden mit wehenden Fahnen ins Ausland. Das wäre die logische Konsequenz. 2. Wenn die Unternehmen dann in den Zeiten, wo der sogenannte grüne Strom nicht fließt, mehr bezahlen müssen, wird es einen mächtigen Preisschub geben. Das heißt, dass – je nachdem wer produziert – wir als… Mehr

Dr. Rehmstack
1 Monat her

Und sie installieren weiter Fotovoltaik Paneelen als ob es kein Morgen gäbe, hektarweise werden Flächen zu gepflastert und damit die Leistungsimbalanzen mit jeder zusätzlichen Paneele verstärkt. Sie kannibalisieren sich selbst, bei hoher Sonneneinstrahlung müssen die Windmühlen abgeregelt werden, weil die Netze die Leistung nicht aufnehmen können, bezahlen müssen wir den Phantom Strom trotzdem. Je stärker der Sonnenstrom am Mittag ist, desto stärker ist der plötzlicher Abfall bei Sonnenuntergang, das kann nicht gut gehen, Professor Sinn hat er seinem Vortrag schon darauf hingewiesen. Ohne Speicher ist die ganze erneuerbare Energien Fantasie zum Scheitern verurteilt, die Frage ist nicht ob, sondern wann.

egal1965
21 Tage her
Antworten an  Dr. Rehmstack

„Speicher“ ist doch realistisch gesehen auch so ein Blödsinn.
Mit was und zu welchen Kosten wollen Sie denn rund 70 GW zu Hochzeiten „speichern“
und wie lange reicht diese gespeicherte Energie dann aus?

Apfelmann
1 Monat her

Herr Douglas, sie werden es nicht glauben, aber das ist ganz normal. Ich wasche auch meine Wäsche zur Mittagszeit wenn die meiste Sonne scheint und meine PV-Anlage gut Strom produziert und nicht in der Nacht wenn es dunkel ist. Das ist doch eine ganz logische Sache. Genauso kann Stahl produziert werden wenn die Sonne scheint, und an Tagen ohne Sonne eben nicht. Schauen sie sich mal die Statistiken zu den Sonnenstunden in D an. Sie werden sehen, es werden immer mehr….

Kassandra
1 Monat her
Antworten an  Apfelmann

Aha. Nächster Punkt: Hochofen. Ihn kann man abstellen, allerdings auch nicht ohne Weiteres. Es besteht die Gefahr, dass auch hier das Feuerfestmaterial beschädigt wird und ersetzt werden muss, was wieder in die Millionen geht. Das ist der Fall, wenn der „Sauabstich“ nicht gelingt. Für alle die nicht in der Hütte gelernt haben: Sauabstich nennt man die komplette Entleerung. Dazu wird an der tiefsten Stelle, dem sogenannten „Sauloch“, Schlacke und Roheisen abgeführt. Bleibt aber davon etwas im Ofen zurück, was durchaus der Fall sein kann, muss es später mit schwerem Gerät rausgebrochen werden. Dabei geht auch das wertvolle Feuerfestmaterial flöten. In… Mehr

JamesBond
1 Monat her
Antworten an  Apfelmann

Wir brauchen doch gar keinen Stahl, die paar Lastenfahrräder für die Bundeswehr können wir auch aus China importieren ….