Der stille Weltkonzern: Das neue Bosch-Werk ist wichtiger als die Tesla-Fabrik

Nicht das spektakuläre Tesla-Werk im brandenburgischen Grünheide dürfte die wichtigste Baustelle für die Zukunft der Automobilwirtschaft in Deutschland sein, sondern ein unter viel weniger Theaterlärm demnächst eröffnendes Halbleiterwerk von Bosch in Dresden.

Baustelle des Tesla-Werks in Grünheide

Bei spektakulären Bau- und Zukunftsinvestitionen können Unternehmen der Autoindustrie grundsätzlich zwei Wege der öffentlichen Kommunikation beschreiten:

  1. Der Konzernchef himself besucht in regelmäßigem Abständen unter großem Getöse und spektakulärem Auftritt die Baustelle, um neue Botschaften an die Fan-Gemeinde abzusondern, zum Beispiel über mögliche Erweiterungsinvestitionen, neue Produkt-Technologien etc.
  2. Das Unternehmen plant, lässt sua lege vor Baubeginn ordnungsgemäß alles genehmigen und baut still vor sich, bis die Eröffnung kurz vor der Tür steht. Das heißt laut Volksmund: „Es wird erst dann gegackert, wenn das Ei gelegt ist!“

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Genau das macht den Unterschied aus: zwischen den Bauvorhaben von IT-Genie Elon Musk und Tesla in Grünheide, wo gegenwärtig eine Gigafabrik für Elektroautos nebst Batterien im Entstehen ist, und dem schwäbischen Zuliefergiganten Bosch, dessen Chef Volkmar Denner in Stuttgart geboren, ausgebildet und bis heute dort gearbeitet, in der Öffentlichkeit weitgehend unbekannt ist. Letzterer ließ in Dresden stiekum mit Milliarden-Investment eine Fabrik für Halbleiterchips bauen, die am 7.Juni eröffnet wird – im Beisein von Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Womit die strategische Bedeutung dieser Investition für Bosch, die deutschen Autohersteller wie für den gesamten Wirtschaftsstandort Deutschland deutlich zutage tritt. Denn eines haben die Produktions- und Lieferausfälle von Halbleitern der Welt im den letzten sechs Monaten klargemacht:

  • Die Automobilindustrie ist inzwischen existenziell von Halbleiterchips abhängig. Die Produktionsausfälle haben nach Schätzungen weltweit zu Verlusten von 90 Milliarden Euro geführt. Bei allen deutschen Herstellern standen die Bänder aus Chipmangel zeitweise still. 
  • Die deutsche Wirtschaft als Ganzes ist bei diesen produktionswichtigen Elektronikbauteilen extrem von ungestörten Zulieferungen aus dem Ausland, überwiegend aus Asien abhängig.

Abhilfe ist also dringend notwendig, und die neue Bosch-Fabrik lindert den Mangel auf dem angespannten Halbleiter-Markt. 

Angesichts des weltweiten Chipmangels in der Autoindustrie schaut die Branche also mit großen Erwartungen auf den 7. Juni, wenn Bosch in Dresden seine neue Halbleiter-Fabrik im Beisein von Bundeskanzlerin Angela Merkel eröffnet. Mit einer Milliarde Euro ist es die größte Einzelinvestition in der Geschichte des Stuttgarter Weltkonzerns. Für Bosch-Chef Volkmar Denner ist dies auch ein Bekenntnis zum Technologie-Standort Deutschland. Bis 2022 fließen rund 1,5 Milliarden Euro in verschiedene Halbleiter-Projekte in Deutschland. Die Investition wird finanziell unterstützt vom Bundeswirtschaftsministerium. 

In der Falle
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Der offizielle Startschuss bedeutet jedoch nicht, dass die Hersteller gleich bedient werden können, denn der Hochlauf einer Chipfabrik dauert viele Monate. Wie bekannt wurde, durchlaufen bereits seit Anfang des Jahres die ersten Wafer die Produktion, aus denen die Halbleiter gefertigt werden, die später etwa in Gleichspannungs-Wandlern in Elektro- und Hybridfahrzeugen verbaut werden. Der gesamte Prozess umfasst 250 Arbeitsschritte und dauert rund sechs Wochen. Danach können die so hergestellten Mikrochip-Prototypen erstmals in elektronischen Komponenten eingesetzt und getestet werden. 

Des weiteren produziert Bosch auch hochkomplexe integrierte Schaltungen (ASICS), die etwa 700 Prozessschritte und zehn Wochen für die Fertigung benötigen. Die fertigen Chips müssen allerdings noch lange Erprobungen in den Fahrzeugen bei verschiedenen klimatischen Bedingungen durchlaufen. Gut Ding braucht Weil´! Bis die Fabrik in Dresden also wirklich zur Entlastung in der Halbleiterkrise beiträgt, dürfte es noch einige Monate dauern. Vorausgesetzt es gelingt Bosch, die für den Hochlauf benötigten Wafer auf dem Weltmarkt zu besorgen.

„Aber jede Kapazitätserweiterung nützt der Branche“, zitiert die Automobilwoche einen hochrangigen VW-Manager.  Angesichts der angespannten Lage auf dem Halbleiter-Markt stellt sich bereits jetzt die Frage nach Kapazitätserweiterungen in Dresden. Konkrete Planungen gebe es noch nicht, heißt es bei Bosch. Doch das Unternehmen lässt auch wissen, dass es sich ein weiteres Grundstück neben der Chip-Fabrik gesichert hat. 

Möglicherweise könnte Musk in der Gigafabrik Grünheide Kapazitäten anbieten.

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Kommentare ( 36 )

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Ewald K.
3 Jahre her

Kann Bosch es sich leisten bei sowas die Politik außen vor zu lassen?

Silverbeard
3 Jahre her

Beim großen Getöse um Tesla helfen die Medien kräftig mit.
Artikel über Tesla klicken sich eben gut. Tesla hat etwa 50% der gesamten Aufmerksamkeit in der Automobilbranche, die restlichen 50% teilen sich alle anderen Hersteller der Welt.
Ich habe keine Ahnung, was bei einem Artikel über die Chipherstellung von Bosch Tesla zu suchen hat.

Übrigens: Am Chipmangel sind die Autohersteller selbst Schuld. Die haben wegen Corona weniger Chips gekauft. Deshalb haben sich die Chiphersteller andere Kunden gesucht. Z.B. die PC Branche. Bei Grafikkarten und Spielekonsolen herrscht nämlich auch Chipmangel.
Vielleicht sollten sich die Autohersteller nicht wichtiger nehmen als sie sind…

P.Reinike
3 Jahre her

Bosch und Tesla haben eben einfach eine ganz andere Unternehmenskultur, mit ihren jeweiligen Stärken und Schwächen. Musk ist ein genialer Vermarkter, daher ist hier auch die Außenkommunikation bis in das Inszenatorische ganz anders aufgestellt, was Wirkungen bis in die Ausrichtung des Geschäftsmodells hat. Man sollte dies verstehen und daraus lernen und nicht gegeneinander ausspielen.
Wer Musk übrigens verstehen und sich nicht nur antriggern lassen will, der sollte Peter Thiel lesen, der mit Musk an der Marke Paypal arbeitete. Postulat: Nur Innovation kann unsere Zukunft retten, gewiss keine linksgrüne Repression. Daran ist eben nichts falsch.

Lars Baecker
3 Jahre her

Jede neu eröffnete Imbissbude ist für die deutsche Wirtschaft wichtiger, als ein Werk, welches nur deshalb rentabel sein wird (wenn überhaupt), weil dessen Produkte mit Steuermilliarden subventioniert werden und das Werk aufgrund von Steuererleichterungen (also ebenfalls Subventionen) in die BRD gelockt worden ist. Entzieht Giganten wie Tesla oder Amazon die Steuergeschenke und die Möglichkeiten, ihre Gewinne im Ausland zu versteuern und die verschwinden auf Nimmerwiedersehen. An deren Stelle treten dann deutsche Einzelhändler, die mehr Arbeitsplätze schaffen, als jeder Großkonzern. Aber was rede ich…

Last edited 3 Jahre her by Lars Baecker
Silverbeard
3 Jahre her
Antworten an  Lars Baecker

> Das Werk in Grünheide wird etwa 14.000 völlig neue Arbeitsplätze (weil Neubau und nichts aufgekauft) in Deutschland schaffen. Die Arbeitnehmer zahlen dann Steuern und Sozialversicherung, statt Sozialhilfe zu bekommen. Mit viel Glück werden das vielleicht sogar mal 40.000 Arbeitsplätze. Wieviel Imbissbuden müsste man dafür eröffnen (bitte ohne schwarz mitarbeitende Familienmitglieder rechnen)?
> Die Steuer’milliarden‘ mit denen das Werk subventioniert werden, sind in Wirklichkeit etwa 300 Millionen. Vielleicht kommen da nochmal 100 Millionen dazu, aber dann fehlt immer noch viel zur ersten Milliarden…

monsalvat
3 Jahre her
Antworten an  Silverbeard

Das funktioniert aber nur so lange, bis die Bude wieder dichtgemacht wird, weil bei Weitem nicht genug Fahrzeuge abgesetzt werden könne, um rentabel zu arbeiten. Diese Fahrzeuge sind was für Wohlhabende, die sich einen Stromer als Zweit- oder Drittauto zum Spaß gönnen und die dazu auch noch vom Staat mir Steuergeld gebuttert werden. Die Fahrzeuge sind zu teuer, zu wenig Reichweite besonders im Winter. Komplizierte Ladevorgänge. Wenn ich an die Ostsee fahre, dann setze ich mich in meinen Diesel und fahre los und nein, der Diesel ist übers Ganze gerechnet nicht dreckiger als ein Stromer. Mit einem Stromer muss ich… Mehr

Silverbeard
3 Jahre her
Antworten an  monsalvat

Das ist stark übertrieben. Schon das ganze Jahr 2021 werden jeden Monat 10% reine Stromer neu zugelassen. D.h. es gibt Menschen in Deutschland, die diese Fahrzeuge wollen, damit zurechtkommen und sich die auch leisten können. Das mag bei Ihnen anders sein, ändert aber nichts an der Gesamtlage. In Norwegen z.B. werden schon mehr als die Hälfte aller Autos rein elektrisch verkauft und da sind die Winter viel härter als bei uns und die Strecken über unbebautes Land länger. Die Fertigung in Grünheide wird die gesamte EU, vieolleicht sogar gesamt Europa versorgen. Da können 500.000 Autos im Jahr abgesetzt werden. Die… Mehr

Michael M.
3 Jahre her
Antworten an  Silverbeard

Na dann träumen Sie mal weiter Silverbeard … ah ja und bzgl. Verkaufszahlen von Tesla einfach mal informieren.
Zu Leuten die von 500.000 Fahrzeugen zusätzlich (!!!) aus Berlin pro Jahr (so viel verkauft Tesla im Moment nicht einmal weltweit im Jahr) und entsprechend von den 40.000 Arbeitsplätzen sprechen, kann man nur eigentlich nur folgendes sagen. Ahnungslosigkeit gepaart mit blindem Glauben an den Heiligen Elon der einzig und allein vom Abgreifen von Subventionen (CO2 Zertifikate, schon mal davon gehört?!) lebt und nicht einmal damit einen nennenswerten Gewinn schreibt….

Okidokay
3 Jahre her

Schön dass Bosch in die Zukunft investiert. Schön auch, dass Tesla in die Zukunft investiert.
Beide Werke werden gebraucht. Der Sinn des Artikels ergibt sich mir nicht. Klingt ja fast so, als müsste man sich für eins von beiden entscheiden.
Oder bringt der seltsame Tesla Aufhänger am Ende einfach nur mehr Klicks?

Anna-Maria
3 Jahre her

Mit diesem Zusammenhang. https://www.budapester.hu/unternehmen/stabile-zahlen-trotz-krise/
Bosch hat 15.000 Arbeitnehmer in Ungarn.

Andreas aus E.
3 Jahre her

Mir wäre dabei auch nicht wohl, aber solche Dinge gehören wohl zum Geschäft. Jeder Beruf hat auch seine unangehmen Seiten.

Thorsten
3 Jahre her

Wollen wir mal hoffen, dass nicht in 2 Jahren ein brutaler Preiskrieg wegen Überkapazitäten tobt.
Bosch sollte langfristige Lieferverträge abschliessen …

Silverbeard
3 Jahre her
Antworten an  Thorsten

Ich denke gerade in der Autoindustrie werden die Verträge über mehrere Jahre abgeschlossen. Tesla garantiert die Abnahme von Chips sogar und wird deshalb bevorzugt bedient.
Vor einer Überkapazität bei Chips habe ich weniger Sorge. Die Entwicklung geht in allen Branchen in Richtung Stromantrieb mit elektronischer Steuerung.
Ich habe eher Bedenken, dass Bosch genug Waver bekommt. Die aktuelle Produktionskapazität von Chips bei Bosch ist winzig im Weltvergleich. Warum sollten Waverhersteller an Bosch liefern? Der Aufwand lohnt sich nicht im Verhältnis zum möglichen Umsatz.

Axel Fachtan
3 Jahre her

Eines der Erfolgsgeheimnisse von Bosch ist die Stiftungskonzeption. Das macht Bosch unabhängig von Blackrock, Zerberus und Co und ermöglicht eine langfristig orientierte erfolgreiche Geschäftspolitik. Welch unglaubliches Timing ! Die eröffnen genau dann ihre Fabrik, wenn bei Halbleitern Not am Mann ist. Die haben vor ein paar Jahren ganz genau hingeschaut, wo Bedarf ist. Und können so einen zentralen Beitrag leisten, um den Standort D zu stärken. Bosch ist dort stark, wo Siemens seit Jahrzehnten an Boden verliert. Geht doch. Wer sich anschaut, wie sich Brandenburg und Sachsen seit 1990 entwickelt haben, der muss ganz klar sagen, dass Sachsen industriell die… Mehr

Phil
3 Jahre her

Für Bosch-Boss Denner ist dies, wie bei Musk und Tesla ebenso, einzig ein Bekenntnis zum Subventionsstandort Deutschland. Von den staatlich stark subventionierten und allseits in den Medien überpräsenten reinen Elektrowägelchen wurden 2020 3.24 Millionen weltweit verkauft. Würde diese Antriebstechnologie nicht derart durch den Steuerzahler und auf Kosten der Allgemeinheit quersubventioniert, man hätte nicht einmal einen Bruchteil davon verkaufen können. Der Ablasshandel war und ist das eigentliche Geschäftsmodell dieser Technologie. Eine ganze Industrie wird mittels immer strengeren Umweltauflagen von der Politik wie der Esel mit der vor der Nase baumelnden Möhre vor sich hergetrieben. Müsste man für ein Elektrisch betriebenes Auto… Mehr

Peterson82
3 Jahre her
Antworten an  Phil

Und was ist mit Benzin und Diesel. Warum werden unterschiedliche Preise verlangt, sogar weniger für Diesel obwohl der Treibstoff mehr Energie pro Liter Inhalt trägt? Man kann natürlich sagen er wird „weniger besteuert“. Aber weniger besteuert kann bei einem ähnlichen Produkt im Vergleich (Benzin) auch subventioniert bezeichnet werden. Übertragen Sie bitte nicht den großen Bafa/Hersteller Bonus von zum Teil 9000€ auf den Rest der Welt. Auch dort schießen die Absatzzahlen signifikant nach oben und das mit weitaus weniger bis gar keiner Förderung. Das Model 3 in der Standardausführung kostet unter 40.000€. Und das ohne Subventionsbonus. Mit Bafa sind es 6000€… Mehr

Silverbeard
3 Jahre her
Antworten an  Phil

E-Autos sind heute teurer als Verbrenner, weil sie nur in kleiner Stückzahl gebaut werden. Bei der Produktion gilt die Faustregel doppelte Produktionsmenge macht den Stückpreis 30% günstiger. Das kommt durch bessere Einkaufspreise der Rohstoffe und Zulieferteile, aber auch durch bessere Produktionstechiken, die sich erst ab bestimmten großen Stückzahlen rentieren. Wenn Deutschland jetzt nicht am Ball bleibt geht es uns wie mit der Photovoltaik. Da hatte Deutschland 50% der Weltproduktion. Dann wurden die Subventionen eingestellt und 80.000 Arbeitsplätze sind für immer nach China gewandert. Dort gibt es in der Photovoltaikproduktion inzwischen 1 Mio. Arbeitsplätze. Bei den ‚Elektrowägelchen‘ sieht es gerade so… Mehr

H. Hoffmeister
3 Jahre her
Antworten an  Phil

absolute Zustimmung