Tichys Ausblick Talk: „Heißer Sommer, eisiger Herbst: Wie treffen uns Rezession, Inflation, Energiemangel?“

Bei „Tichys Ausblick“ diskutieren Roland Tichy und Co-Moderator Frank Henkel mit der ehemaligen grünen sächsischen Spitzenpolitikerin Antje Hermenau und dem Unternehmer Heinrich Zettler.

 

Inflation, Arbeitslosigkeit, Energiemangel – die Ampel lenkt Deutschland geradewegs in die Krise. Wo die Ursachen liegen und wie es weitergeht, darüber diskutieren Roland Tichy und Frank Henkel heute Abend bei Tichys Ausblick mit Heinrich Zettler, der Unternehmer führte über 25 Jahre lang das Traditionsunternehmen „Ballistol“, heute ist er u.a. Buchautor, und Antje Hermenau, frühere Bundestagsabgeordnete sowie Fraktionsvorsitzende der Grünen im Sächsischen Landtag, heute Unternehmensberaterin.

Die Debatte konzentriert sich zunächst auf die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland und Europa. Hermenau kritisiert die Torheit der Finanzpolitik im Euroraum: „Viele Leute haben davor gewarnt, dass eine Ausweitung der Geldmenge diese Form der Inflation verursachen wird. Man wollte es nur nicht hören, weil es politisch nicht en vogue war.“ Zur Rolle der EZB sagt Hermenau: „Lagarde hat ja auch offen gesagt, dass der deutsche Sparer ihr völlig egal ist.“

Zur Lage der deutschen Industrie sagt Zettler: „Russland und die Ukraine machen 10-15 Prozent unseres Umsatzes aus – die fallen weg. Auf der anderen Seite haben wir Lohnforderungen, denen wir nachkommen müssen, sonst laufen uns die letzten Mitarbeiter auch noch weg.“ Was sind die Ursachen für den Personalmangel? „Ein Problem bei dem Personalmangel ist auch die Akademisierung. Vor 40 bis 50 Jahren hatten wir noch wesentlich mehr Abgänger aus Realschulen und Hauptschulen, die ein Handwerk erlernt haben. Heute haben wir 50 Prozent Abiturienten. Und von denen wollen die wenigsten einen Handwerksberuf erlernen.“

Hermenau sieht Parallelen zwischen der späten DDR und der aktuellen Situation: „Ich weiß, dass ein Staat ökonomisch abdanken kann. Das habe ich erlebt. Und das sollte man ernst nehmen.“ Außerdem warnt sie: „Die Industrie wandert ab.“

Auf die Frage, ob die Energieknappheit von Putin verursacht wurde oder eher ein hausgemachtes Problem sei, antwortet Hermenau: „Fast alles ist hausgemacht. Das fing ja mit dem Atomausstieg seit 2011 an, Fracking wollte man nicht machen, und deshalb musste man zwangsläufig auf russisches Gas zurückgreifen, um die Energiestabilität zu gewährleisten.“

Zettler stellt die große Problematik der Energieknappheit heraus: „Die ganze Zulieferseite, das hängt ja alles von der Energie ab. Der Dreh- und Angelpunkt für die Industrie in Deutschland ist Energie.“ Dass das Ganze ein politisch verursachtes Problem ist, betont auch Zettler: „Rechnen wir die Steuern und Abgaben raus, hätten wir auch Kilowattstunden von 50% des heutigen Niveaus.“ Hermenau stimm ihm hier zu: „Der Staat ist willentlich und wissentlich Preistreiber. Das passiert ja gezielt – damit treibt man aber gewisse Industrien aus dem Land.“ Hermenau weiter: „Die Grünen agieren nicht böswillig, aber dort herrscht schlicht eine eklatante Unwissenheit über wirtschaftliche und politische Zusammenhänge. Es ist eine Mischung aus Naivität und Ideologie.“

Zettler kritisiert die Kurzsichtigkeit der Politik, die sich seiner Meinung nach vor allem in der Energiekrise offenbart. „Der Erwartungshorizont eines Politikers beträgt vier Jahre, also eine Wahlperiode. Darüber hinaus schauen die gar nicht.“ Auch kritisiert er gewisse Vorhaben innerhalb der politischen Elite, die Krisen für eine Umwandlung der Gesellschaft zu nutzen: „Die Politik will die große Transformation. Es geht ja nicht bloß um die Transformation der Energiewirtschaft – sie wollen die Transformation der gesamten Gesellschaft. Das kennen wir von Lenin und Stalin.“

Zur Formung der öffentlichen Meinung durch eine kleine, ideologische Minderheit sagt Zettler: „Es reicht ja eine kleine Gruppe von Menschen aus, um die öffentliche Meinung zu lenken. In einem Staat von 81 Millionen Menschen reicht ein Kreis von 9.000 Menschen aus, um die öffentliche Meinung gezielt in bestimmte Richtungen zu bewegen. Diese Kreise, die das bestreben, die wollen diese bestehende Gesellschaft zerlegen, ohne aber genau zu wissen, wie soll eine neue Gesellschaft funktionieren.“

Auch geht Zettler auf die konkrete Gefahr für unsere Zivilisation ein, die jener Zeitgeist mit sich bringt: „Ich erinnere hier an einen Schriftsteller, Oswald Spengler, Autor von „der Untergang des Abendlandes“, der ja auch den Zerfall der gesellschaftlichen Ordnung als Niedergang einer jeglichen Kultur – sei es die römische, die griechische – beschrieben hat. Und wir sind meiner Meinung nach in einer Hochphase der Dekadenz. Wenn gesellschaftliche Strukturen zerbrechen, ohne eine neue, beständige gesellschaftliche Ordnung zu schaffen, dann ist dieses Sozialsystem am Ende.“

Hermenau analysiert gegen Ende noch einmal die Ursachen des geistigen Zerfalls: „Der Zeitgeist ist deshalb so schrill geworden, um zwei Dinge zu erfüllen – egal ob willentlich oder unwillentlich: Es ist eine wunderbare Ablenkung von den grundlegenden Existenzfragen, also Energieverknappung, Lebensmittelverknappung, Engpässen, Versorgungsmängel. Der zweite Punkt ist: Welche Legitimation haben die liberalen Demokratien denn noch, außer dass sie die Menschenrechte voranbringen. Das ist ja der einzige Verkaufsschlager liberaler Demokratien. Und um das weiter aufrechtzuerhalten, musst du im Grunde eine Industrie der individuellen Emanzipation schaffen, ein absurdes Unterfangen bei 81 Millionen Menschen.“

Wieviel bleibt von Deutschlands Wohlstand? Kann sich unsere Industrie am Weltmarkt weiter behaupten? Darüber wird heute Abend ab 20:15 Uhr bei Tichys Ausblick diskutiert.




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Kommentare ( 7 )

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AngelinaClooney
2 Jahre her

Klare Worte von unternehmerischen Persönlichkeiten.

Johann Thiel
2 Jahre her

Diesmal war Herr Tichy selbst sein bester „Gast“, mit guten Fragen und pointierten Anmerkungen versuchte er die kritischen Punkte und Ursachen anzusteuern. Leider mussten seine Gäste ein wenig zum Jagen getragen werden. Frau Hermenau macht ja immer einen recht bodenständigen Eindruck, erkennt aber z.B. nicht, dass man wie die Grünen, gleichzeitig dumm UND böswillig sein kann, wenn es darum geht der bürgerlichen Gesellschaft zu schaden. Außerdem vertritt sie die übliche naive Haltung zu einem gleichgeschalteten Europa in dem es keine Sonderwege geben darf. Sie verwechselt Sonderweg mit politischer Spinnerei. Schließlich hätte so manch anderer Sonderweg Deutschland durchaus gut getan. Was… Mehr

Last edited 2 Jahre her by Johann Thiel
Peter Gramm
2 Jahre her

Fand ich gut. Frau Hermenau brachte es auf den Punkt. Frau Esken lebt auf Steuerzahlerkosten und gibt einen Teil davon zurück an Steuern. Frau Esken hat eben nicht verstanden wie dieses System funktioniert. Sie ist sozusagen Nehmerin wie viele in diesem völlig aufgeblasenen Bürokratengebilde. Ca. 15 Millionen finanzieren diese ganze Blase.Der Bürokratiemoloch wuchert immer schneller. Vorteilhaft ist dies für die ganze Gesellschaft nicht. Die Nehmer interessiert dies nicht. Sie fühlen sich auf der sicheren Seite. Ich finde, dies ist eine grandiose Fehleinschätzung. Geld muß zu allererst erwirtschaftet werden. Die Druckerpresse ist das falsche Vehikel. Dies haben die Lebenskünstler in Berlin… Mehr

Farbauti
2 Jahre her

Zwei kluge symphatische Gäste. Die Sendung ist selbsterklärend und braucht außer Lob keine weitere Kommentierung. Vielen Dank. Seit kurzem werden die Leser um Themenwünsche gebeten. Ich habe vor einiger Zeit mal einen Vorschlag gemacht und möchte ihn hier nocheinmal anbringen. Alle alternativen Medien werden von der Regierung bzw. deren Verständnis von Demokratie und Meinungsfreiheit bedroht, gegängelt, verklagt usw. Die Eskalationsschraube wird weiter angezogen. Natürlich hat der Bürger der nicht ganz auf den Kopf gefallen ist und/oder ein gesundes Gefühl hat, sich über Leute wie z.B Heiko Maas lustig gemacht. Man empfand ihn halt als Fehlbesetzung und tat das, was schon… Mehr

Last edited 2 Jahre her by Farbauti
Farbauti
2 Jahre her
Antworten an  Farbauti

Pläne für die Zukunft kann man erst wieder machen, wenn das Glas in dem der Frosch sitzt von der heißen Herdplatte genommen wurde bzw. der Tauchsieder entfernt. Der Frosch ist nämlich bald gar und kann dann nicht mehr aus eigener Kraft aus dem Glas heraus.

rainer erich
2 Jahre her

Erstaunlich, dass Frau Hermenau den (Zerstoerungs) Vorsatz der Gruenen nicht erkennt oder erkennen will, aber zugleich ein grosser Teil des Problems. Solange diese bestenfalls naive Einschätzung vorherrscht und die unmenschliche Transformationsabsicht der totalitaeren Sekte verdrängt wird, ist Hopfen und Malz verloren.

The Voice from Beyond
2 Jahre her

Weder Stiglitz noch Krugman sind Nobelpreisträger. Es GIBT KEINEN NOBELPREIS für Wirtschafts“wissenschaften“.