Tichys Ausblick Talk: Cancel Culture, Meinungskonformität – wohin führen die neuen Denkverbote?

In der heutigen Sendung von Tichys Ausblick diskutieren zwei Betroffene der Cancel Culture, Buchhändlerin Susanne Dagen und Prof. Dr. Martin Wagener, sowie Prof. Dr. Norbert Bolz mit Roland Tichy.

 

Schon seit Jahren haben immer mehr Menschen das Gefühl, nicht mehr sagen zu können, was sie denken. Die Cancel Culture greift um sich, immer mehr Meinungen gelten als „umstritten“, immer mehr Menschen werden ausgeschlossen. Helmut Schmidt sagte: „Eine Demokratie, in der nicht gestritten wird, ist keine.“ – Doch wo gibt es in dieser Republik noch demokratischen Streit? Was kommt als Nächstes? Was kann man dagegen tun? Darüber diskutiert Roland Tichy heute Abend mit seinen Gästen in der neuesten Ausgabe von Tichys Ausblick.

Prof. Dr. Norbert Bolz ist Publizist, Medien- und Kommunikationstheoretiker und zum zweiten Mal bei Tichys Ausblick zu Gast. Er stellt fest: „Demokratie ist längst die Herrschaft der gut artikulierten Minderheiten“, denn: „Normale Menschen haben noch anderes zu tun.“ Politische Themen seien dadurch zu „Spielwiesen für Aktivisten“ geworden. Das Gendern sei nicht einfach nur lächerlich, sondern alles andere als harmlos: „Sprache ist das Medium unseres Denkens.“ Und: „Im Grunde blockiert man mit jedem Sprach-Tabu das freie Denken.“ So beginnen wir, uns langsam selbst zu zensieren. Das führe auch dazu, dass es keine wirklich freie Debattenkultur mehr gebe: „Es gibt keinen Streit mehr, sondern nur noch wechselseitige Denunziationen.“

Susanne Dagen ist Buchhändlerin, Kommunalpolitikerin für die Freien Wähler und Verlegerin. Im April 2021 wurde auf das von ihr betriebene Buchhaus Loschwitz ein Angriff mit Buttersäure und Pyrotechnik verübt – aus politischen Gründen. Bei Tichys Ausblick schildert sie, wie sie sich nach diesem Angriff gefühlt hat, aber auch, warum sie sich davon nicht unterkriegen lässt. Sie stellt fest: „Der Kulturbetrieb ist links.“ Jeder der sich gegen den Mainstream stellt oder auch nur von ihm abweicht, gelte sofort als „umstritten“ oder gleich als rechts. „Wer rechts ist, ist ein Demokratiefeind, und ein Demokratiefeind darf auch mit undemokratischen Mitteln bekämpft werden“, fasst Dagen die Cancel-Ideologie zusammen. Sie empfinde sich dennoch nicht als Opfer: „Für mich gibt es keine Denkverbote, für mich gibt es keine Sprechverbote.“ Sie plädiert dafür, gegen die gesellschaftlich verfügten Tabus zu rebellieren.

Prof. Dr. Martin Wagener ist Politikwissenschaftler und Professor für Internationale Politik, Sicherheitspolitik und Ostasien am Fachbereich Nachrichtendienste der Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung. Für sein letztes Buch hat er an seiner Universität Hausverbot bekommen (TE berichtete). Er sieht das Problem nicht im System des Rechtsstaats, sondern im Fehlverhalten einiger Personen; „Defekte in der Demokratie“ nennt er das. Wagener sagt, ihn störe es nicht, wenn seine Studenten selbst gendern, „da bin ich ganz liberal“. Nur wenn es anderen aufgezwungen wird oder werden soll, hört es für ihn auf.

Wie gefährlich ist Cancel Culture für dieses Land? Wohin führen Denkverbote? Darüber diskutiert Roland Tichy mit seinen Gästen heute Abend bei Tichys Ausblick. 




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Kommentare ( 26 )

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haasel
3 Jahre her

Was bin ich froh, daß es noch solche illustere Runden gibt, die trotz Einschüchterungsversuchen stand hält! Ich kann alles unterschreiben…mein Opa, der als Flüchlting das sibirische Arbeitslager 6 Jahre überstand, war nach Amnestie über Friedland nach Stuttgart als Lehrer übernommen worden, dann wieder verhaftet, weil er für den Anstellungsvertrag in die Partei mußte. Zerrissen von allen politischen Kriegsparteien engagierte er sich unablässig auch später noch – als Gewerkschaftsvertreter und Autor. Damals setzte man sich noch verbal auseinander, weil man vieles am eigenen Leib erfuhr. Die Gesellschaft heute würde er so gut wie nicht mehr überstehen! Intellektuell zu sein in jedweder… Mehr

Johann Gambolputty
3 Jahre her

Eine Diskussionsrunde vom Feinsten.

Im ÖRR kann man danach lange (und vergeblich) suchen.

Mirabelle
3 Jahre her

Ich vergaß zu sagen, daß ich die Runde richtig gut gefunden habe. Herr Wagener hat halt sehr vorsichtig argumentiert, was vielleicht seiner Lage geschuldet ist.

Übrigens wüßte ich zu gern, wie lange die Immunität von Frau Merkel noch andauert. Weiß hier jemand verläßlich Bescheid?

kasimir
3 Jahre her

Wieder mal eine super Runde. Daß Frau Dagen noch nicht hingeworfen hat, ist ein Wunder. Ich hätte sicherlich bereits resigniert und alles hingeworfen. Respekt!
Einen kleinen Kritikpunkt hätte ich jedoch, Herr Tichy! Bitte kündigen Sie weibliche Gäste nicht mit „Gästin“ an, ich finde das irgendwie unpassend und Sie wollen sich dem Genderwahn doch nicht unterwerfen? Oder war es Ironie und ich habe es nicht verstanden?

der_chinese
3 Jahre her

Im Grunde wurde alles in den ersten fünf Minuten gesagt, eine laute, artikulierte Minderheit(welche zu viel Zeit hat), die sich wichtig tut und als Opfer darstellt, kriegt, wie später im Gespräch noch erwähnt, eine breit Bühne geboten von wohlwollenden Gönnern die die selben Interessen haben und diese Minderheit für sich instrumentalisiert.
Das Problem, die schweigende Mehrheit wird weiter schweigen.

Maja Schneider
3 Jahre her

Wieder eine und sehr lebendige, ebenso sachlich fundierte wie geistreiche Gesprächsrunde mit in jeder Hinsicht überzeugenden Gesprächspartnern. Besonders erfreulich war die Anwesenheit von Susanne Dagen, die sonst eher selten bis gar nicht zu sehen bzw. zu hören ist.

Hoffnungslos
3 Jahre her

„Es bleibet dabei, die Gedanken sind frei“, selbst in einem Land wie Deutschland. Traurig stimmt es, wenn man bedenkt, dass bereits 1787 F. Schiller in seinem Drama „Don Carlos“ schrieb: „Gewähren Sie Gedankenfreiheit, Sire“. – Der Untertan bittet nach wie vor um Gedankenfreiheit…..Frei ist nur der, der sich die Gedankenfreiheit nimmt und vor allem nutzt.

bfwied
3 Jahre her
Antworten an  Hoffnungslos

Fein, das sage ich auch jedem. Es liegt an uns, die wir nicht den Quatsch mitmachen wollen und ihn auch als „Quatsch“ bezeichnen, die meisten allerdings nur hin vertraulicher Runde! Es liegt an uns allen, den Lautstarken, den Betroffenheitsschreiern selbstbewusst entgegenzutreten. Leider sind die Universitätsverwaltungen in aller Regel furchtbar duckmäuserisch und geben den Sektierern recht. Hier kommt das Problem sehr deutlich heraus. So war es auch in den 30ern.

Hoffnungslos
3 Jahre her

Es gibt noch viele andere Krankheiten, die mit der unkontrollierten Zuwanderung aus Asien, Afrika und dem Nahen Osten zu uns kommen. Gibt es Untersuchungen über den Gesundheitszustand dieser Menschen? Das ist keine Schuldzuweisung, sondern eine Frage nach Information. Aber anscheinend gibt es nur noch Covid und sonst gar nichts.

Jack
3 Jahre her

Auch hier eine wohltuende Diskussion, von Menschen mit Verstand. Hab Mut deinen eigenen Verstand zu gebrauchen, lässt sich erkennen. Die Entwicklung und die Zusammenhänge wurden nach meiner Auffassung richtig dargelegt. Es sind Minderheiten und noch mehr Menschen welche den Wettbewerb verweigern. Diese Haltung versucht man jetzt mit Quoten auszugleichen. Nach meiner Meinung brauchen wir keine Quote, wir brauchen Chancengleichheit am Beginn des Wettbewerbs und allgemein gültige Spielregeln. Alle haben am Start die gleichen Voraussetzungen, der Mensch mit den besten Talenten und Fähigkeiten setzt sich dann durch. Die Quote verhindert den notwendigen Wettbewerb in einer Gesellschaft. Ohne freien Wettbewerb wenig dienliche… Mehr

Last edited 3 Jahre her by Jack
Johann Gambolputty
3 Jahre her
Antworten an  Jack

Vielleicht brauchen wir doch eine Quote:

Für Personen mit erfolgreichem Arbeitsleben die sich von ihrer Arbeit selbst und zugleich andere ernähren und die ihr Studium nicht abgebrochen haben.

Hoffnungslos
3 Jahre her

Zum Thema „Durchschlagkraft der kleinen Gruppen“. Bitte nicht vergessen, dass die globalen Medien- Macher hinter diesen „kleinen Gruppen“ stehen. Cui bono? Wem nutzt der Aktivismus dieser kleinen Gruppen? Wer will denn den „Great Reset“? Die kleinen Gruppen sind die Hilfstruppen, die vorpreschen, im Interesse von……