Wir nehmen Abschied von einer stabilen Währung, fest verankert in einer soliden und verantwortungsvollen Finanzpolitik.
Mit diesen Zeilen hat die WirtschaftsWoche vor genau einem Jahr das Rettungspaket für den Euro kommentiert. Die Bundesregierung hatte etwas anderes versprochen: „Mit der christlich-liberalen Koalition wird es keine Vergemeinschaftung von Schulden geben“, so die Bundeskanzlerin. „Wir schützen das Geld der Menschen in Deutschland.“ Und: „Deutschland profitiert vom Euro.“ Nach nur einem kurzen Jahr ist die Beschwichtigungs- und Beschönigungspolitik dramatisch gescheitert, mit der sich in Deutschland Regierung und Oppositionsparteien Zeit kaufen wollten, um sich über die jeweils nächste Landtagswahl zu schwindeln.
Griechenland wird sehr viel mehr als die bisher zugesagten 110 Milliarden Euro erhalten; Portugal und Irland werden durch die Bresche in der deutschen Staatskasse marschieren, die Griechenland geschlagen hat. Schnell werden die Bürgschaften und Bareinlagen von insgesamt 190 Milliarden Euro den deutschen Steuerzahler unmittelbar belasten. Denn der Euro wurde durch die Rettungsspielchen von einem Währungssystem zu einer Umverteilungspumpe umfunktioniert. Die Inflationsrate hat sich in diesem Zeitraum mehr als verdoppelt. Die Europäische Zentralbank ist hilflos; würde sie für Deutschland die Zinsen erhöhen, wäre der Staatsbankrott anderer Länder unausweichlich. Die Liste gebrochener Versprechen lässt sich seitenlang fortsetzen; die Beschwichtigungsfor‧meln der Bundesregierung haben die Lebensdauer von Eintagsfliegen.
Aber auch Europas Einigung, die wertvollste Errungenschaft auf unserem durch Krieg zerschundenen Kontinent, gerät in Gefahr. Der Euro hat nicht die Vertiefung gefördert, sondern wird zum Sprengsatz. In Athen, Lissabon und Irland protestieren die Menschen gegen die Entmündigungspolitik, die ihnen aus Berlin und Frankfurt zugemutet wird. Es verletzt den Stolz der wirtschaftlich kleinen, aber historisch großen Nationen, wenn sie zu Bettlern werden, über deren Wohl und Wehe mit den Instrumenten der Geheim- und Kabinettspolitik entschieden wird. Der Euro hat nicht nur seinen Charakter als solide Währung, auch seinen Wesenskern als Instrument der europäischen Einigung verloren. Er wird zur Zwangsjacke, die den Bewegungsspielraum der Gebenden wie der Nehmenden einengt. Es sind jetzt entschiedene Schritte nötig.
Die Rückkehr zur Deutschen Mark wäre wirtschaftlich machbar; Anleger würden begierig zugreifen und solide Nachbarstaaten sich zu einem Bundesbank-Block versammeln. Die deutsche Wirtschaft könnte den Aufwertungsschock gut überstehen. Aber das gemeinsame Europa würde das wohl nicht überleben – eine Katastrophe.
So bleibt als Alternative nur der Schuldenschnitt Griechenlands. Das würde deutsche Banken hart treffen und die griechischen Banken zerstören. Aber „systemisch“ sind sie längst nicht mehr. Der Staatsbankrott müsste mit wirtschaftlichen Reformen einhergehen, die Griechenland wieder wettbewerbsfähig machen. Das müsste auch mit vielen deutschen Hilfsmilliarden für Strukturmaßnahmen und Rekapitalisierung abgefedert werden. Das wäre ein Ende mit Schrecken, aber mit einem klaren Preisschild versehen, und damit schmerzhaft, aber glaubwürdig. Dann wissen wir, was uns Europa kostet und wert sein muss. Der Euro könnte dann seine ursprüngliche Funktion als solide Währung wiedergewinnen.
(Erschienen auf Wiwo.de am 14.05.2011)
Sie müssenangemeldet sein um einen Kommentar oder eine Antwort schreiben zu können
Bitte loggen Sie sich ein