In der Coronakrise verkehren sich die Fronten: Die braven Bürger mucken auf, die revolutionären Jugendlichen der Antifa marschieren Arm in Arm mit der Staatsmacht. Nur die Politik hat wieder nichts kapiert.
Der böse Lyriker Ernst Jandl sprach 1966 in seinem Gedicht „lichtung“ von der Verwirrung der Fronten: „lechts und rinks. kann man nicht velwechsern. werch ein illtum!“ Gerade ist ziemlich viel Verkehr beim Velwechsern. Rechts, das stand lange für Staatsgläubigkeit; man liebt Autoritäten, die Kirchen, die Rechtsstaatlichkeit, den Wert von Regeln und den Ertrag der eigenen Leistung. Links war eher die Auflehnung, das Infragestellen der Autoritäten; Solidarität wurde verschrieben bis zur Überdosis, Umverteilung gefordert; Recht, Staat, Gesetz und Ordnung riechen wie der Muff unter den Talaren.
Gerade hat sich alles geändert. Bei Corona-Demonstrationen in West-Deutschland – der Ost-West-Unterschied tritt wieder deutlich zutage –, in Frankfurt also treffen die Wasserwerfer der Polizei auf Demonstranten im teuren Manufactum-Look; nicht die preiswerte Faser-Funktionskleidung schützt vor Knüppel und scharfem Strahl, sondern teures Leder, Juchten und Filz. Die Jungen, die von der Antifa, stehen diesmal nicht in der Zielrichtung der Wasserfontäne, sondern dahinter. Die früher aufmüpfigen Systemfeinde wurden zu eifrigsten Verteidigern des früher so verachteten „Schweinesystems“. Sie fordern strikten Gehorsam bei Maske und Distanz und allen Verordnungen von oben; ganz die Verfechter eines Polizeistaats, der seinen Bürgern ganz nah auf die Pelle rückt.
Die Antifa kesselt ihre Lehrer ein
Eingekesselt wird von der Polizei die Generation der Nach-68er; auf sie prügeln die zarten Jungs und Mädels von der Antifa ein? Die Älteren verweigern die Impfung und riskieren Corona; die Jüngeren halten brav den Arm hin, wenn Lauterbach es verordnet, und bestehen auf Maske für alle? Die einst stolze, bürgerliche FAZ bettelt: „Bitte kontrolliert uns“, als ob ihre Leser, die klugen Köpfe, so infantil wären wie ihre grün-bewegten Redakteurinnen und Redakteure, die wohl auch ihre Texte von der lieben Staatsmacht kontrolliert wüssten: Sonst wissen sie ja nicht, was an einem Tag in Ordnung ist und am nächsten schon auf dem Index. Kontrolliert uns! Freiheit wird sowieso falsch verstanden. Sie steht neuerdings „rechts“.
Es wächst wieder zusammen, was zusammengehörte
Gut, vielleicht wächst wieder einmal zusammen, was zusammengehört: Natürlich war die DDR zwar formal links, aber tatsächlich autoritär, diktatorisch; standen unter dem Regime der Linken, das drüben SED hieß, Menschen- und Bürgerrechte eher für die Sonntagsrede, statt für die Realität gesellschaftlichen Zusammenlebens. Die westdeutsche Linke hatte das Glück, nicht wirklich links leben zu müssen. Links in der Bundesrepublik war immer eine Art geistige Wohlstands-Verwahrlosung. Frei ließ es sich nur in der rechten Bundesrepublik leben. Aber das ist vorbei. Jetzt spielen die Protestierer im Osten die früheren Montags-Demos nach, verspotten die ZDF-Reporter, indem sie in deren Mikro sächseln: „Wir gehen doch bloß eeenkooofen.“ Die Staatsmacht reagiert mit Härte, umzingelt Männerchöre und macht sich lächerlich, programmgemäß. Diese Art von Subversion kennen sie nicht im Westen, vom Osten lernen heißt protestieren lernen.
Flott geht der Abbau von sozialen Rechten vor sich
Es geht schon ganz schön durcheinander. Nichts ist mehr geblieben von linker Solidarität: Wer sich nicht impfen lässt, soll nicht nur seinen Job verlieren, sondern auch den Anspruch auf medizinische Versorgung, Kranken- und Arbeitslosengeld. So viel Entzug sozialer Ansprüche hat es bislang noch nie gegeben in der Bundesrepublik. Wer prekär lebt und haust in Enge, ist übel dran, wenn der Mini-Job wegfällt und die Inflation zupackt. Besser dran ist der Villen-Bewohner aus dem Vorort mit Auslauf im eigenen Garten und Fitness-Raum, der mit steigenden Immobilien- und Aktienpreisen infolge der künftigen Lindner´schen Staatsverschuldung jeden Tag noch wohlhabender wird.
Der entdeckt beim Prasseln des Kaminfeuers neuerdings die Vorzüge der Lieferdienste und von Amazon. Wer braucht schon Verkäuferinnen und Verkäufer? Und wie sie willig springen, die Lastenfahrradfahrer und Rucksack-Lieferandos für ein schmales Entgelt auf vereister Straße. Die Villen-Bewohnerin schaut im Sommer wohlgefällig auf die strammen Waden der Liefer-Radler und Rikscha-Transporteure, die sich spätestens jetzt einen Kleinwagen wünschen, der ihnen natürlich leider, leider verwehrt bleiben muss und weswegen sie in Corona-Zeiten schon mal üben können, was ihnen bei nachfolgender Klimapolitik droht: Stillstand, es sei denn, man radelt gegen die Kälte an. An den Tankstellen lassen die Kleinwagenbesitzer nur noch für einen 20er den teuren Sprit einlaufen, während nebenan der staatlich geförderte Hybrid-SUV vollgetankt wird wie eh und je, damit es bis zur nächsten subventionierten Ladesäule sicher reicht. Da jubelt links über den Fortschritt, wenn unten stillgestanden werden muss und der Fahrrad-Akku zum Inbegriff des Luxus wird.
Endlich öffnet sich die Schere so richtig
So trennt sich Oben wieder von Unten, und links ist frisch und froh dabei bei dieser Form der Umverteilung. Man redet zwar von sozialem Ausgleich, von Energiegeld und anderen Subventionen – wohlwissend, dass es einfach nicht fett für so viele reicht, die da jetzt radeln und haxeln müssen für die einzige Wachstumsbranche, die Deutschland noch hat: den/die Radfahrer*in vom Lieferdienst, der oder die übrigens weder Kranken- noch Altersversorgung beziehen wird.
Im Osten war es immer schon klar, dass es gefährlich ist, sich der Staatsmacht zu verweigern. Legende sind die kleinlichen Einsätze der Volkspolizei und der Stasi gegen Langhaarige, Hippies und Gammler, und als solche konnte man schon mit Schlaghose gezählt werden. Jetzt jagt die Polizei Menschen ohne Maske, mit schleudernden Einsatzwagen oder mit Greif-Kommandos im Zug, scheucht Alte von der Parkbank und errichtet Gitter-Zäune um Weihnachtsmärkte. Endlich darf die Staatsmacht wieder den Knüppel loslassen auf Bürger, die frei atmen wollen. Endlich ist die Kritik an der Polizeigewalt verstummt, denn jetzt trifft es ja endlich die richtigen: die Bürgerlein. Bald sollen Impfverweigerer dran sein, und das Bundesverfassungsgericht nickt ab, was das Kanzleramt vorschlägt: Das ist vermutlich die neue Form des staatlichen Zentralismus Marke West mit Osteinkreuzung: Das Grundgesetz als Schutzwall für die Rechte des Bürgers gegen einen übermächtigen Staat hat ausgedient, die Richter tragen noch rote Talare aber sind ansonsten Gefälligkeits-Verurteiler: Schneller hat der Rechtsstaat nicht verloren, und der Applaus der Linken überdeckt sein Zerbrechen. Endlich wird durchregiert! Wie damals, drüben.
Und damit kehren wir zurück zu den Zauseln vom Opernplatz und den feinen Herren und Damen im Luxus-Label: Sie, die den Staat gemacht und getragen haben, stehen plötzlich einem Wasserwerfer gegenüber, hinter dem die Antifa jubelt, wenn er spritzt. Dumm gelaufen, es ist nicht mehr ihr Staat, den sie kennen und früher mal selbst dargestellt haben. Sie sind neuerdings Reichsbürger, sagt ihnen die Politik, asoziale Staatsfeinde, auf die die Schlapphüte vom Geheimdienst losgelassen werden, und Respekt wurde ihnen von Olaf Scholz versprochen, aber vorenthalten. Sie sieht man wenigstens noch. Die wirklich Betroffenen und Armen, die sieht man nicht. Links hat alles weggeschüttet, worauf es stolz war, und Rechts verteidigt linke Werte. Also doch:
lechts und rinks.
kann man nicht
velwechsern?
werch ein illtum!
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Das ist einer der besten Artikel, die ich je zu diesem Thema gelesen habe!
Dieser Artikel bringt es auf den Punkt. Vielen Dank, Herr Tichy.
AUFRUF AN UNSERE POLIZEIEN
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DAS VOLK SOLL KEINE ANGST VOR DER REGIERUNG HABEN ! – DIE REGIERUNG SOLL ANGST VOR DEM VOLK HABEN !
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KOMMT AUF DIE SEITE EURER FAMILIEN, FRAUEN, ELTERN, KINDER – FÜR FREIHEIT RECHT UND ZUKUNFT !
Aus dem Irrenhaus:
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„Die Geschützten müssen vor den Ungeschützten geschützt werden, indem man die Ungeschützten zwingt, sich mit dem Schutz zu schützen, der die Geschützten nicht geschützt hat.“
Tja, leider lassen Blackouts und Hyperinflation noch auf sich warten, die einzigen Chancen auf Genesung, die aber wie 1923 das Risiko bergen, dass sich die Bevölkerung noch mehr radikalisiert. Es wird gefährlich in unserem Land. Leider. Alle paar Jahrzehnte drehen wir zuverlässig durch: 1933, 1914, 1870, aber auch schon früher wie z.B. 1618. Mit dem Wohlstand wachsen Dummheit und Geschichtsvergessenheit. Immer wieder, nur in anderer Form. Wenigstens sind unsere Nachbarn wieder mal vernünftiger. Und zwar alle.
Plötzlich räääächts tut wirklich weh, zumal fast alle ehemaligen Weggenossen auf der vom gebührenfinanzierten Meinungskartell mit Haltungsnote 1 bewerteten richtigen Seite verblieben sind und seltsame Wir-schaffen-den-Rechtsstaat-ab Koalitionen eingehen. Und selbst kämpft man für seine als verbrieft geglaubten Freiheitsrechte mit Leuten mit Klorolle auf der Hutablage oder Althippies, welch Überraschung. Zumindest die Benamsung der falschen Seite ist gleich gebleiben – die einzige Hoffnung ist das das nicht so bleibt.
Nur falls wir großes Glück haben und der Euro sich nicht halten lässt, könnte dieses unser Land in die therapeutische Phase übergehen.
Der Euro hat so einen riesigen Wirtschaftsraum, die deutsche Wirtschaft und deutschen Sparguthaben hinter sich und wird sich noch einige Jahre halten. Ert wenn der Kurs zum Dollar zusammenbricht, wird es ernst.
So wie jetzt in der Türkei.
Vielleicht. Nur sollten wir nicht den Fehler machen, das Potential der „kreativen Zerstörung“ dieser Veranstaltung zu unterschätzen, – 7,5% runterfahren p.a. ist geplant.
„Unser“ Land? Wo bitte wäre das … von einigen Flecken im Bayrischen Wald und den Halligen abgesehen? Offenen Auges durch’s flache Land fahren und die Berbershop-, Shishalounge- und Dönershopdichte registrieren – oder wenn es eine Lockdownunterbrechung ermöglicht, den Blick über einen Pausenhof einer beliebigen Grundschule schweifen lassen. Noch Fragen?
Eine hervorragende Beschreibung des Zustands der deutschen Gesellschaft und ihrer politischen Lager. Allerdings stimme ich nicht ganz zu, dass die Linke eine Kehrtwende vollzogen hat, es kommt nun vielmehr die Bruchkante der schon immer in den linken Bewegungen vorhandenen Gegensätze sichtbar zum Vorschein. Meine Mutter ist im linken Biotop der Stuttgarter Naturfreunde sozialisiert worden, aus dem so manche späteren Stars der Grünen hevorgingen. Diese Risse gab es schon immer, denn die später eher grün Orientierten, fremdelten schon früh mit den radikalen DDR-Sympathisanten, deren gelebte Widersprüche früh offensichtlich waren. Wie beispielsweise im Fall zweier bekannter und beliebter Stuttgarter Kabarettisten, die seinerzeit… Mehr
Wo sehen Sie schwarze Herrschaftsansprüche, die nicht vollkommen realitätsfremd sind?
Schauen Sie sich das Verhör von Stiko-Chef Mertens durch, glaube ich, Bettina Schausten, an. Dann wissen Sie, wer hier im totalitären Machtrausch ist. Es fehlte nur noch, daß sie ihn wegen unbotmäßigen Antworten, direkt in ein Verließ abführen ließe.
Wir sind von der Diktatur gewisser Figuren der Großindustrie und ihrer willfährgen linken Zuarbeiter nicht weit entfernt. Alle sind bereits in Stellung gebracht.
In Zeiten, in denen ständig von „nachschärfen“ die Rede ist, ein messerscharfer Kommentar. Ich finde meinen Thadeus Troll in all´diesen Menschen im Südwesten nicht mehr wieder. Und der ebenso exzellente Kommentar von @ Horn auf den Ihren lässt mich noch ratloser zurück.
DIe Linken und andere Aktivisten können die Parteien übernehmen, aber die Wähler werden da nicht mitmachen. Viele wählen Grüne wegen Kretschmann und Palmer. Wenn die verschwinden, dann steht die Frage ob der Wähler bei der Partei bleibt.
Wie bei der CDU zu sehen, sind manche „Figuren“ doch sehr wahlentscheidend.
Danke für diesen brillant geschriebenen Text, der das Grauen der Gegenwart aufs Trefflichste skizziert.
Der häßliche Deutsche ist halt zurück. Und jetzt darf er endlich sein freundliches Gesicht ablegen und munter drauf los diffamieren, beleidigen, verbieten oder gleich draufprügeln. Und das Beste: Alles mit staatlicher Sanktion.