… und wer ist Uschi?
Ursula Plasser wird am 19. Mai 1956 in Linz an der Donau als Tochter eines Zollbeamten geboren. Die ersten 25 Jahre verbringt sie in der Landeshauptstadt von Oberösterreich. Sie absolviert eine Ausbildung zur Erzieherin und leitet später einen Kindergarten in Braunau am Inn. „Sie war eine beliebte, gute und geschätzte Kindergärtnerin“, erzählte eine frühere Kollegin den „Oberösterreichischen Nachrichten“.
Doch auf Dauer ist der lebenslustigen Frau das Innviertel zu eng – sie will hinaus in die Welt. Die Möglichkeit dazu eröffnet ihr 1982 eine Zeitungsannonce. Marlene Porsche, die damals mit Ferdinand Piëch im Salzburger Land lebt, nachdem Piëch sie dem Cousin ausgespannt hat, sucht eine Gouvernante. Verlangt werden guter Umgang mit Kindern, aber auch Bereitschaft zu Mobilität: Die Familie plant Reisen. Die damals 25-Jährige bewirbt sich und bekommt die Stelle. Zwei Tage nach ihrem Jobantritt in den Weihnachtsferien verlangt der Hausherr ihr plötzlich eine Prüfung im Allradfahren ab: Mit dem VW-Geländewagen Iltis soll sie den verschneiten Weg zur Berghütte hinauffahren. „Ich ließ die Probandin an der steilsten Stelle, immerhin 17 Prozent, anhalten und wieder anfahren“, erzählt Piëch in seiner „Auto.Biographie“. Ihre Sichtweise ist kritischer. Sie würgt das Auto zwar zweimal ab und schimpft im Geiste auf den „blöden Kerl“. Aber die beiden rücken sich trotzdem näher. Bald unternehmen sie Beschleunigungsrennen gegeneinander, er auf einem Geländemotorrad, sie am Steuer eines roten, über 300 PS starken Audi Sport-Quattro – ihr Lieblingsauto bis heute. Im September 1984 wird geheiratet.
Keine Märchenhochzeit oder doch?
Der Mittvierziger hat da bereits neun Kinder aus drei Verbindungen. „Maderl, überleg dir’s noch mal ganz genau“, warnt beim Vorgespräch eine Standesbeamtin in Ingolstadt, wo Piëch damals als Technikvorstand von Audi wirkt. Das Paar verlegt daraufhin die Hochzeit ins oberösterreichischen Schärding. Eine Tochter des Bräutigams fragt noch: „Wie kannst du nur meinen Vater heiraten, du bist doch so ein fröhlicher Mensch?“
Aber sie bleibt ein fröhlicher Mensch, und das macht den harten Mann erträglich, ihre menschliche Wärme ergänzt seine technokratische Sichtweise und trägt sicherlich dazu bei, dass er wirklich den Weg nach ganz oben schafft. Ursula Piëch lacht viel und gern, geht offen auf Menschen zu, und kann laut auch über sich selbst lachen. Noch immer gehen die beiden gelegentlich händchenhaltend. „Ohne meine Frau traue ich mich gar nicht zu diesen Flintenweibern“, sagt er beispielsweise nach einem Besuch bei weiblichen Managerinnen in Davos, Hand in Hand. Unter den Geiern, wird dann in der Konzernwelt über seinen angeschlagenen Gesundheitszustand gemunkelt. Das Handelsblatt fabuliert über seinen baldigen Tod. Winterkorn dementiert lau, statt hart zurück zu schlagen. Piëch fühlt sich hintergangen. Aus dem privaten Ränkespiel wird Unternehmenspolitik. Und wer genau hinschaut, bemerkt die tiefe Zuneigung des Paares füreinander. Seit inzwischen 30 Jahren sind Ursula und Ferdinand Piëch ein Paar, die gelernte Erzieherin und der Ingenieur, ehemalige Vorstandsvorsitzende von Volkswagen und heutige Aufsichtsratschef, der etwa 13 Prozent an der Porsche Holding SE besitzt und ein Privatvermögen von geschätzt über vier Milliarden Euro. Sie liest ihm die Akten vor, weil er selbst ungern lange Schriftstücke konsumiert. Klar ist, dass sie mittlerweile eine extrem gute Kennerin des Konzerns ist. In der Presse wird sie gerne nieder gemacht. Ein ehemaliges Kindermädchen gilt den hochnäsigen Technikern als nicht ebenbürtig. Ihre Klugheit ohne akademischen Grad wird notorisch unterschätzt, das hat sie mit den anderen großen Frauen der deutschen Wirtschaft gemein: Friede Springer, Johanna Quandt (BMW) und Elisabeth Schaeffler, die aus einer Kugellagerklitsche einen der größten Automobilzulieferer geformt hat. Es sind Frauen, die erfolgreich das Erbe ihrer Männer nicht verwalteten – sondern gewaltig vergrößerten und in die Zukunft führten. Sie alle sind so unterschätzt, missachtet wie erfolgreich. Und nun also Uschi.
Der unübersichtlich wirkende Riesenkonzern mit zwölf Marken, 570 000 Mitarbeitern und 106 Fabriken, wird von einem kleinen Kreis um Ferdinand und Ursula Piëch gesteuert.
Ursula übernimmt das Steuer
Denn aus der Beifahrerin am Berg wurde längst die Co-Pilotin in seinem Leben – ein Co-Pilot, der immer öfter das Steuer übernimmt. So im Mai 2014 beim Empfang des VW-Aufsichtsrats im Neuen Rathaus von Hannover. Als Oberbürgermeister Stefan Schostok Piëch bat, sich ins Goldene Buch der Stadt einzutragen, ergriff seine Frau den Füller und schrieb: „Für ein glückliches Leben braucht man nicht viel. Gesundheit, Glück, Freude und stille Reserven.“ Gezeichnet: Ursula. Dem Ehemann blieb die Aufgabe, seinen Ferdinand danebenzukritzeln. Es hat alles eine Beziehung zum Konzern: Gemeinsam testen sie noch immer die Autos des Konzerns, hier testet das Eigentümerehepaar noch persönlich die Produkte. Sie unternehmen ausgedehnte Fahrten mit jedem neuen Modell. Und längst ist ihr Wort Gesetz. Obwohl der Produktionsstart längst durch war, sorgte sie dafür, dass beim aktuellen VW Golf das Handschuhfach vergrößert wurde, und dass auch auf der Fahrerseite ein Schminkspiegel in der Sonnenblende zu finden ist. Vorher schon, dass in den Fahrzeugen die Lüftung für Fahrer und Beifahrer getrennt zu regeln ist. Ferdinand Piëch, der zugempfindlich ist und leicht friert, hatte seine Autos immer ohne Klimaanlage geordert – und seiner schwitzenden Frau das Tragen eines Bikinis empfohlen, Charme ist seine Sache nicht. Und schon während der Zeit bei Audi sorgte Ursula Piëch dafür, dass die ursprünglich viel zu hoch platzierten Pedale der Autos auch von Menschen bedient werden können, die wie sie Schuhgröße 42 haben. „Es gibt in der Tat viele Dinge an einem Auto, die Frauen anders sehen“, sagt sie. An allen Hierarchie-Ebenen vorbei hat sie das letzte Wort. Es bekommt dem Konzern nicht schlecht. Er öffnet sich einer gewissen Vielfalt und Modernität jenseits technischer Leistungsmerkmale.
Das provoziert Neid im männerdominierten Konzern, und Anerkennung bei Beobachtern. Als im Januar 2014 Ferdinand Piëch zum Ehrenbürger der Stadt Braunschweig ernannt wird, macht das der damalige Oberbürgermeister Gert Hoffmann in seiner Festrede deutlich: „Wenn es üblich wäre, Ehepaare zu Ehrenbürgern zu machen, müssten wir das im vorliegenden Fall tun.“
Denn klar ist: Piëch baut seine Frau zu seiner Nachfolgerin auf. Sie rückt in den Aufsichtsrat ein. Ihre künftige Rolle ist allerdings längst nicht so klar geregelt, wie es im Herbst 2010 noch schien. Damals hatte Piëch in Österreich die beiden Privatstiftungen Ferdinand Karl Alpha und Ferdinand Karl Beta gegründet und darin sein Vermögen eingebracht – vor allem die Beteiligung an der Porsche SE. Diese wiederum hält 50,7 Prozent aller Aktien der Volkswagen AG „Ich bin noch am Konstruieren.“ Grund zur Eile sieht der 77-Jährige nicht: Seine Mutter wurde immerhin 94 Jahre alt.
Jetzt will Piëch offensichtlich den Konzern noch einmal umstrukturieren – und diesmal nicht wie Audi und VW damals in der Krise, sondern rechtzeitig vor der nächsten existenzbedrohenden Situation. Winterkorn ist dafür aus seiner Sicht nicht der richtige Mann. Und da überkreuzen sich zwei Linien: Die strategische Notwendigkeit – und die ganz private Rache an Winterkorn.
Für die deutsche Industrie ist das ein Menetekel. Denn hinter dem privaten Ränkespiel steht die Frage, wie das führende Industrieland mit der Herausforderung des Internets umgeht. Piëchs Bombe platzte punktgenau zur Eröffnung der Hannover-Messe. Da klopfen sich die Konzern-Chefs gerne gegenseitig auf die Schultern, wie gut sie doch mit der Zukunft umzugehen wissen.
Wissen sie es wirklich? Oder rächt sich jetzt, dass Deutschland seit den 70ern alles getan hat, um den Anschluß an die Datenverarbeitung der Zukunft zu verpassen?
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